Kurioser Rechtsstreit zwischen Bäckern und Aldi

Bäcker klagen gegen Aldi-Werbung, dass in den Filialen frisch gebacken wird. Auch Gutachter löst Streit nicht.

Was ist Backen? Um diese Frage dreht sich ein juristischer Streit zwischen den deutschen Bäckern und dem Diskonter Aldi Süd. Die Sache scheint sich nicht so einfach klären zu lassen - stehen sich die Parteien doch inzwischen seit vier Jahren vor dem Duisburger Landgericht unversöhnlich gegenüber.

Heute, Dienstag, wird nun die Aussage eines Gutachters im Prozess erwartet. Die wettbewerbsrechtliche Klage der Bäcker richtet sich gegen eine Aldi-Werbung, dass in den Filialen Brötchen frisch gebacken werden. Damit pries der Diskonter seine Backwaren an, die im Markt auf Knopfdruck aus einem Apparat mit der Aufschrift „Backofen“ in ein Fach fallen.

„Das kann kein Backen sein.“

„Das sind große Blackboxen, wo kein Mensch weiß, was da passiert“, sagt Daniel Schneider, Referent für Lebensmittelrecht beim Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. „Das kann kein Backen sein.“ Somit werde der Verbraucher in die Irre geführt. Das Gutachten soll nun klären, was in den Automaten passiert und obman das „Backen“ nennen darf.

Gehört zum Backen auch die Herstellung des Teiges? Werden Rohlinge in die Röhre gelegt, also bisher ungebackene Ware? Oder Teiglinge, die vorgebacken wurden? Solche Aufbackprodukte für den deutschen Ofen kennen Verbraucher aus dem Supermarkt.

Kein Blick in den Backofen

In dem „Backofen“ finde „ein Backvorgang statt“, hatte Aldi Süd, die Mutterfirma der österreichischen Diskontkette Hofer, zum Beginn des Rechtsstreits erklärt. Von einer bloßen „Bräunung“ der Ware könne nicht gesprochen werden. Bei einem Vor-Ort-Termin in einer Aldi-Filiale wollte die Landgerichts-Kammer die Automaten im Februar 2011 in Augenschein nehmen. Allerdings versagte das Unternehmen einen Blick hinter die Kulissen, wie ein Gerichtssprecher berichtete. Daraufhin wurde ein Sachverständiger bestellt.

Gutachter klärte Streit nicht

Daraufhin hatte der Experte Jürgen-Michael Brümmer im Auftrag der Kammer die Teiglinge auf ihrem Weg durch den Automaten genau in Augenschein genommen. Rund zwei Stunden spricht der 77-jährige Professor beim Gerichtstermin am Dienstag über das Backen, es geht um „Bräunungsgrad“, „straffe Krume“ oder die Frage, wie gut sich Butter auf dem Brötchen verstreichen lässt.

Ob allerdings in den Aldi-Automaten gebacken wird oder nicht, darauf gibt es auch nach der Sitzung keine klare Antwort. Das Handwerk nach „alter Väter Sitte“, nämlich Kneten, Gären und Backen direkt hintereinander, finde in Backstuben ohnehin kaum noch statt, erläutert Brümmer. Es sei in den meisten der 15.000 Bäckereien in Deutschland üblich, die Teiglinge erst nur zum Teil und dann kurz vor dem Verkauf fertig zu backen.

„Wenn wir die große Masse der Bäckereien nehmen, dann ist diese Verzögerung üblich“, sagt Brümmer. Das Verfahren habe sich allein schon in den vier Jahren, in denen der Gerichtsprozess laufe, erheblich weiterentwickelt und verbreitet. Die Produkte stünden den herkömmlich produzierten Waren qualitativ oft in nichts nach.

Rund 60 bis 70 Prozent teilgebacken

Bei Aldi Süd kommen nach den Worten des Back-Experten Brote und Brötchen in den Automaten, die zu 60 bis 70 Prozent teilgebacken sind. Mit einigen Produkten, die dann in den Ausgabeschacht fallen, war Brümmer - aus fachmännischer Sicht - nicht zufrieden. „Ich hätte mir da mehr erwartet“, sagt er etwa über ein Baguette. Für ihn als langjährigen Brottester sei etwa die Kruste nicht knusprig genug. Aber Brümmer gibt auch zu Bedenken: „Viele Verbraucher wollen es so.“

Laut Ernährungsexpertin Isabelle Mühleisen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist Frische „ein dehnbarer Begriff“, der zudem von Produkt zu Produkt erheblich variiere. Mühleisen: „Es ist jedoch grundsätzlich heikel, Verbrauchern etwas als frisch vorzugaukeln, was vorgefertigt ist.“

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