Was heißt ...? Insolvenz
Die Drogeriekette dayli, der Baukonzern Alpine oder der Elektronikhändler Niedermeyer: Nur drei prominente Beispiele von Firmen, die in jüngster Zeit Pleite gingen. Fast täglich melden Unternehmen Insolvenz an. Das heißt: Die Betriebe sehen sich kurz- und mittelfristig nicht mehr in der Lage, die laufende Geschäftstätigkeit aus den Einnahmen zu finanzieren bzw. Schulden und Zinsen zu zahlen. Droht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, muss ein Unternehmen binnen 60 Tagen die Reißleine ziehen und ein Insolvenzverfahren beantragen.
Im Jahr 2010 wurde das Insolvenzrecht reformiert – mit dem Ziel, dass mehr sanierungsfähige Unternehmen eine zweite Chance erhalten. So gibt es nun drei Möglichkeiten, einen Betrieb zu entschulden:
Ein Unternehmen kann ein Konkursverfahren beantragen. Hier ist der Masseverwalter Herr des Verfahrens. In vielen Fällen müssen die Konkursverwalter aber die maroden Firmen oder gesunde Firmenteile an Interessenten verkaufen, um überhaupt eine Quote auszahlen zu können.
Es kann ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt werden. In diesem Fall führt ein Sanierungsverwalter die Regie und den Gläubigern muss eine Mindestquote von 20 Prozent zahlbar binnen zwei Jahren geboten werden. Das heißt: Von 100 Prozent seiner Forderung erhält ein Gläubiger lediglich 20 Prozent.
Zudem gibt es das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. In diesem Fall muss das angeschlagene Unternehmen seinen Gläubigern zumindest 30 Prozent Quote anbieten. Binnen 90 Tagen muss den Gläubigern und dem Gericht ein sogenannter Sanierungsplan samt entsprechender Finanzierung zur Abstimmung vorgelegt werden. Der Vorteil dieses Verfahrens: Das Management leitet das Unternehmens weiter selbst. Der Sanierungsverwalter fungiert hier bloß als eine Art „Aufsicht“. Er hat aber in bestimmten Fällen ein Vetorecht. Der Nachteil: Der Zeitdruck (90 Tage) und die Quoten-Hürde im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung sind so hoch, dass nur drei Prozent der Betriebe ein solches anstreben.
Positiver Fortbetrieb
„Ein Konkurs bedeutet nicht automatisch das Ende eines Unternehmens“, sagt Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform. „In allen Insolvenzfällen muss der eingesetzte Verwalter prüfen, ob durch einen Fortbetrieb positive Erlöse erzielt werden können, oder ob weitere Schulden zum Nachteil der Gläubiger angehäuft werden würden. In letzterem Fall muss er umgehend die Schließung des Betriebes beantragen.“
Detail am Rande: Die häufigsten Pleiteursachen (70 Prozent) sind Managementfehler, wie falsche Einschätzungen des Marktes, fehlerhafte Kalkulationen, fehlende interne Kontrollen und zu hohe Kredite.
Die meisten Gläubiger, darunter die Lieferanten, werden von den drei Gläubigerschutzverbänden AKV, Creditreform und KSV1870 vertreten. Der Insolvenzverband für Arbeitnehmer ISA, der zur Arbeiterkammer gehört, betreut die betroffenen Firmenmitarbeiter (siehe rechts).
Die Gläubigerschutzverbände melden die Forderungen ihrer Klienten bei Gericht an und vertreten sie auch im weiteren Verlauf des Verfahrens. Je nach Höhe der Forderung erhalten sie ein gedeckeltes Entgelt.
„Wir prüfen, ob die vorgelegten Sanierungspläne erfüllbar und die angebotene Quote angemessen ist“, sagt Weinhofer. Dabei wird berechnet, welche Quote eine Liquidation oder ein Verkauf des Unternehmens bringen würde. Kann mehr herausspringen, wird der Schuldner aufgefordert, sein Quoten-Angebot nachzubessern.
Alle Insolvenzverfahren haben eines gemeinsam: Sie können nur dann aufgehoben werden, wenn die Mehrheit der Gläubiger zustimmt.
Privatkonkurs
Hat sich eine Privatperson finanziell übernommen, kann sie einen Privatkonkurs, sprich ein Schuldenregulierungsverfahren beantragen. Dabei hat der Schuldner zwei Möglichkeiten, sich zu sanieren: Rund 70 Prozent wählen das sogenannte Zahlungsplan-Verfahren. „Dabei wird zwischen dem Schuldner und den Gläubigern eine Vereinbarung über eine bestimmte Quotenhöhe geschlossen, die der Schuldner innerhalb von sieben Jahren erzielen kann“, sagt Weinhofer. „Nach sieben Jahren erhält der Schuldner dann die sogenannte Restschuldbefreiung.“ Er kann neu durchstarten.
Die zweite Variante des Privatkonkurses heißt Abschöpfungsverfahren. „Dabei wird das Einkommen des Schuldners sieben Jahre lang bis auf das sogenannte Existenzminimum von rund 872 Euro abgeschöpft und er muss eine Mindestquote von zehn Prozent erzielen“, erklärt Weinhofer. In Ausnahmefällen, wenn der Schuldner zum Beispiel schwer erkrankt ist, kann das Gericht die restlichen Schulden auch bei einer geringeren Quote erlassen.
In Österreich gibt es zehn staatlich anerkannte Schuldnerberatungen, an die sich jede Privatperson wenden kann. Rund 60.000 Österreicher nutzen dieses unentgeltliche Service jährlich. 58 Prozent der Klienten sind Männer, 42 Prozent Frauen.
Männer haben durchschnittlich 77.000 Euro Schulden, Frauen 52.500 Euro. Der Großteil der überschuldeten Personen ist arbeitslos. Rang zwei nehmen gescheiterte Selbstständige ein. Letztere können die Schuldnerberatung erst dann in Anspruch nehmen, wenn sie den Gewerbeschein zurückgelegt oder ihre Firma stillgelegt haben.
Viele Unternehmer und private Schuldner versuchen, ein gerichtliches Insolvenzverfahren zu vermeiden. Sie wollen sich ohne Richter mit ihren Gläubigern auf einen Schuldenerlass einigen. Einem solchen Vergleich müssen aber alle Gläubiger zustimmen.
I wie InsolvenzquoteDas ist jener prozentuelle Anteil der offenen Forderung, den ein Gläubiger in mehreren Raten innerhalb von zwei Jahren aus der Insolvenzmasse erhält. In der Regel wird vom Schuldner als erste Rate eine sogenannte Barquote angeboten. Diese ist in der Regel höher als die folgenden Raten.
Der Schuldner will damit seinen Zahlungswillen untermauern. Diese Rate ist meist schon 14 Tage nach der rechtskräftigen Zustimmung zum Sanierungsplan fällig.
I wie InsolvenzentgeltWird eine Firmeninsolvenz eröffnet, meldet der Insolvenzverband ISA für die betroffenen Mitarbeiter die offenen Löhne und Gehälter, Abfertigungen und Kündigungsentschädigungen als Forderungen beim Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) an. Der IEF übernimmt diese Zahlungen. Ein Anspruch besteht nur in Höhe des Netto-Lohns bzw. -Gehalts.
K wie KostendeckungEin Insolvenzverfahren über ein Unternehmen kann nur eröffnet werden, wenn die betroffene Firma zumindest 3500 bis 4000 Euro Vermögen hat, um die Kosten der Verfahrenseröffnung abzudecken. Oft schießen auch Gläubiger, wie die Gebietskrankenkassen oder die Finanz, diesen Betrag vor, um eine gerichtliche Abwicklung zu ermöglichen.
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