Was ein Aktionsschild im Gehirn auslöst
Universitätsprofessor Peter Kenning beschäftigt sich vor allem mit der Frage, warum und was Menschen kaufen. Der Marketing-Experte der Heine Universität Düsseldorf war einer der ersten Wissenschafter weltweit, der Gehirnscans dazu verwendete, Kaufentscheidungen von Konsumenten zu erforschen. Er arbeitet unter anderem mit Radiologen und Neurologen daran, die neuralen Mechanismen dieser Entscheidungen zu beschreiben und besser zu verstehen.
KURIER: Herr Professor Kenning, warum kaufen wir Parfüms und Wimperntusche, für die Hollywood-Schönheiten werben? Glauben wir denn ernsthaft, dann auch so glamourös zu werden?
Peter Kenning: Diese Stars rufen bei uns positive Emotionen hervor, die unter anderem beim Betrachten der Filme angelegt wurden. In diesen Filmen haben wir uns in die Stars hineinversetzt, mit ihnen gelitten und gelacht. Wenn wir ihre Gesichter dann einige Zeit später in der Werbung oder auf der Verpackung wiedersehen, werden diese buchstäblich erinnerten Emotionen abgerufen und auf die beworbene Marke übertragen. Grundsätzlich gilt: Wir kaufen, was wir mögen und wir mögen, was wir kennen.
Warum läuft durch gefühlt jeden Werbespot ein Labrador? Kaufen wir ein Waschmittel, weil der Hund in der Werbung so nett ausschaut?
In Werbespots werden oft so genannte „key visuals“ eingesetzt, also Bildelemente wie kleine Kinder oder tapsige Hunde. Hier geht es um Aufmerksamkeit und positive Emotionen, die Bilder von Hunden und kleinen Kindern hervorrufen. Wenn Sie später vor einem Verkaufsregal mit 20 Waschmitteln stehen, ruft der Körper das positive Gefühl ab, das der Fernsehspot bei Ihnen hervorgerufen hatte und lässt Sie damit zu dieser, Ihnen aus der Werbung bekannten, Marke greifen. Da passiert ganz viel auf der unbewussten Ebene.
Funktioniert das immer oder hört sich beim Autokauf die Wirkung des tapsigen Labrador-Welpens auf?
Die Ablage von Emotionen geschieht weitgehend unabhängig vom Produkt. Allerdings ist die Bedeutung der Emotionen für die Kaufentscheidung unterschiedlich. Am stärksten ist sie offenbar bei Produkten, die wir schnell, unbewusst und impulsiv kaufen. Bei einem Produkt, über dessen Kauf wir lange und intensiv nachdenken, ist der emotionale Einfluss zwar immer noch vorhanden, er ist allerdings schwächer.
Ist es wirklich so, dass wir einem roten Prozente-Schild so gut wie gar nicht widerstehen können, weil uns der Kauf ein absurdes Gefühl von einem Gewinn gibt?
Wir haben Grund zu glauben, dass an einer Kaufentscheidung drei Hirnstrukturen ganz wesentlich beteiligt sind. Zum einen das sogenannte „Striatum“, das Teil der Belohnungsstruktur ist. Hier wird der Belohnungswert einer Marke codiert. Wir sehen etwas Schönes und möchten es gerne besitzen. Bereits der Gedanke daran aktiviert diese Struktur.
Und dann sehen wir den Preis ...
In diesem Moment wird eine zweite Struktur aktiviert. Diese Struktur, die sogenannte Inselregion, ist immer dann aktiv, wenn wir aversive Stimuli wahrnehmen, also z.B. Bilder, die wir eklig oder hässlich finden. Die Insel codiert offenkundig ein Signal, das man als „Preisschmerz“ bezeichnen könnte.
Und dann?
Kommt eine dritte Struktur ins Spiel, die buchstäblich entscheidend ist: der sogenannte präfrontale Cortex. Er codiert die Signale aus dem Striatum und der Insel und wägt ab. Dabei werden auch weitere Informationen, die, wie auch immer, mit der Entscheidung verknüpft sind, integriert. Zum Beispiel, ob man sich mit Blick auf den Kontostand das Produkt leisten kann. Je nachdem, wie die dort angelegten Prozesse verlaufen, kaufen wir schließlich die Marke oder eben doch nicht.
Sie sind Marketing-Professor. Was tun Händler, damit der präfrontale Cortex eher in Richtung „kaufen“ als „verzichten“ steuert?
Händler können zum Beispiel dessen Kontrollfunktion reduzieren, in dem sie die Kunden unter Zeitdruck setzen. Das funktioniert zum Beispiel, indem man mit künstlicher Verknappung arbeitet. Also zum Beispiel „nur für kurze Zeit“ unter die Aktion schreibt oder „nur noch ein Zimmer verfügbar“. Beliebt ist aber auch, den Preisschmerz zu reduzieren, in dem man mit Preisreduzierungen arbeitet und dabei ganz bewusst den alten Preis kommuniziert. Beide Instrumente – Verknappung und Preisreduzierungen – kann man natürlich auch miteinander kombinieren, in dem man bestimmte Preise mit dem Hinweis „nur für kurze Zeit“ kommuniziert. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen haben viele Händler übrigens schon lange für sich entdeckt, ohne aber die Gründe dafür zu kennen.
- Peter Kenning
Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf. Er arbeitet unter anderem mit Radiologen und Neurologen daran, die neuralen Mechanismen von Kaufentscheidungen zu beschreiben und besser zu verstehen.
- Schwerpunkte
Die wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Vertrauensforschung, der Consumer Neuroscience, der empirisch- quantitativen Marketingforschung sowie den Verbraucherwissenschaften.
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