Warum Warren Buffetts Strategien plötzlich alt aussehen

Dem Altmeister fehlt das Verständnis für digitale Geschäftsmodelle des 21. Jahrhunderts, sagt Starinvestor Hendrik Leber.

Die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway gilt als das Mekka für wertorientierte Investoren. 42.000 Aktionäre und Fans der Altstars Warren Buffett (87) und Charlie Munger (94) waren im Mai in Omaha, um an deren Weisheit teilzuhaben. Hendrik Leber (Acatis Investment), selbst einer der renommiertesten Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum, war zum 23. Mal dabei. Doch etwas war heuer anders, sagt er im KURIER-Gespräch.

 

Warum Warren Buffetts Strategien plötzlich alt aussehen

Hendrik Leber, Acatis Investment

Besonders intensiv wurde über verpasste Chancen diskutiert. Vieles im Berkshire-Universum atme die Luft einer untergegangenen Welt. So bringt der Verlag World Book unverdrossen Enzyklopädien heraus. „Mittlerweile auf CD, aber wer kauft das noch im Internetzeitalter?“, fragt sich Leber. Für digitale Geschäftsmodelle fehle Buffett und Co. das Verständnis. Und Ketchup, Hamburger und Cola seien keine zukunftsträchtigen Anlagen mehr. Also haben sich Leber und sein Team auf die Suche gemacht, was das Leben der Menschen im Jahr 2025 bestimmen wird.

Spannende Agrozukunft

Fündig wurden sie zum Beispiel im Agrarsektor: Der Welthunger nach Protein werde auf herkömmliche Art nicht zu stillen sein. Deshalb hat Leber Themen wie Fleisch aus der Retorte, innerstädtische Gewächshäuser (vertical farming), punktgenaues Bewässern und Düngen (precision farming) oder Gentechnologie wie den US-Turbolachs auf dem Radar. Weil viele dieser Firmen (noch) nicht börsenotiert sind, sind Umwege nötig – etwa Investitionen in den Leuchtenhersteller für Gewächshäuser oder den Traktorenproduzenten, der das vielversprechende Agrar-Startup geschluckt hat.

 

Warum Warren Buffetts Strategien plötzlich alt aussehen

Einen kräftigen Schub erwartet der Profi für Elektromobilität, weil die Batteriepreise rasch sinken. Hier investiert Acatis in Produzenten von Lithium, Kathoden und Separatoren, in Sensorik- und Halbleiterhersteller. Auf den E-Pionier Tesla hat Leber eine Gegenwette laufen: Er glaubt nicht, dass Tesla erfolgreich die Produktion in Großserie stemmt.

Überraschend positiv ist sein Urteil über die Kryptowährung Bitcoin, von Buffett als „Rattengift hoch zwei“ verteufelt. Leber sieht eine Zukunft – nicht zum Bezahlen, aber zur Wertaufbewahrung. Noch optimistischer ist er für die dahinter stehende Blockchain-Technologie, die das Versicherungsgeschäft revolutionieren könnte.

Inflation erwartet

Sorgen bereitet dem Bilanz-Experten, dass viele Firmen die Verschuldung hochgefahren und auf Kredit Aktien zurückgekauft haben. Kein Wunder: Schulden spielen in den Anreizen zur Managervergütung keine Rolle. „Wir werden Pleiten erleben“, ist Leber überzeugt. Dann könnten die Notenbanken nur noch unter Schmerzen die Zinsen heben. Er wappnet sich also mittelfristig für „kräftige Inflationsschübe“. Was die Flucht in Aktien noch verstärken könnte.

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