Warum Österreich besser unterwegs ist als Deutschland
Was Österreich und Deutschland trennt, ist die gemeinsame Sprache. Frei nach diesem Spruch, der Karl Kraus zugeschrieben wird, könnte man sagen: Mittlerweile trennt auch das Wachstum. Während die Ökonomen der heimischen Wirtschaft für heuer zwar ein geringeres Tempo, aber immer noch ein Plus von rund 1,5 Prozent voraussagen, sieht die deutsche Bundesregierung schwarz. Sie hat ihre Prognose erst diese Woche rigoros auf 0,5 Prozent zurückgestutzt (siehe Grafik).
Was unterscheidet die beiden Volkswirtschaften so sehr, dass es zu einem ganzen Prozentpunkt Unterschied kommen kann? Weil Deutschlands Aufschwung schon länger anhält als der österreichische, sagt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV). Er sieht sieht aber auch andere Gründe.
- Abgastests
Die deutsche Autoindustrie hatte im Vorjahr massive Probleme bei der Umstellung auf den neuen EU-Abgastest WLTP. Viele Autobauer kamen mit der Zertifizierung ihrer Autos nicht nach, ein Zulassungsstau war die Folge. Wer einen Neuwagen wollte, musste warten.
- Dürre
Auf dem Rhein, einer wichtigen Verkehrs- und Transportader, ging im Vorjahr zum Teil gar nichts mehr. Große Regenmengen blieben aus, der Wasserpegel fiel auf Rekordtiefstände. Schiffe konnten entweder gar nicht mehr fahren oder nur noch geringe Mengen transportieren. Darunter litten vor allem die chemische und pharmazeutische Industrie. Im Klimawandel könnte das immer wieder passieren.
Die deutsche Bevölkerung ist um etliche Jahre älter als die in Österreich. Der Babyboom ging dort früher zu Ende als bei uns, zum Teil auch, weil die finanzielle Unterstützung der Familien weniger attraktiv war. Die Konsequenz: In den nächsten zwölf Jahren werden in Deutschland durch Pensionierungen 12,5 Millionen Jobs frei. Es werden aber nur 7,5 Millionen neue Arbeitskräfte nachrücken. Der jetzige Fachkräftemangel wird sich noch massiv verschärfen.
Ziel für Zuwanderer
Letzterer ist auch in Österreich zu spüren. „Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, mit dem deutlich fokussiert wird, welche Fachkräfte wir brauchen“, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. „Wir müssen auch als Wanderungsziel in der EU attraktiv sein“, assistiert Helmenstein – etwa für Leute aus Spanien, Portugal oder Italien.
Steuerreform
Bei einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent sehen die Industrie-Vertreter keinen Grund für Konjunkturpakete. Sie fordern mit Blick auf die Steuerreform allerdings Unterstützung für einen attraktiven Unternehmensstandort ein. Dazu gehört auf der einen Seite die Entlastung der Arbeitnehmer: „Wir müssen den Faktor Arbeit entlasten, es muss mehr netto vom brutto bleiben“, sagt Neumayer. Für Arbeitgeber fordert er eine Senkung der Körperschaftssteuer (von jetzt 25 Prozent) ein. Falls das nicht kommt, will er wenigstens die Steuer auf nicht entnommene Gewinne auf 12,5 Prozent halbiert sehen. Um zu vermeiden, dass in der jetzigen Konjunkturphase die Firmen Investitionen verschieben oder ganz sein lassen, sollten fördernde Maßnahmen vorgezogen werden. So kann sich Neumayer kürzere Abschreibungsfristen vorstellen. „So könnten Fahrzeugflotten schneller erneuert werden.“
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