Warum 68 Millionen Tonnen Müll quer durch Europa gekarrt werden
Von Altpapier über Kupferschrott bis zu Plastikflaschen: Rund 68 Millionen Tonnen Müll wurden allein 2021 durch Europa transportiert, und das ist auch gut so, findet Gabriele Jüly, die Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB). Denn wenn „Kreislaufwirtschaft“ mehr als ein Schlagwort in Sonntagsreden sein soll, gehe es angesichts der hohen Investitionskosten für die Recyclinganlagen schlicht nicht anders.
So werden beispielsweise alle in Österreich gesammelten Lithiumbatterien nach Deutschland gekarrt, fallweise auch bis nach Finnland und Frankreich. Etwa 240 Tonnen Lithiumbatterien werden landesweit gesammelt, viel zu wenig für eine eigene Anlage. Das Unternehmen Redux, übrigens ein Tochterunternehmen der steirischen Saubermacher-Gruppe, verarbeitet in Deutschland rund 10.000 Tonnen Lithium-Batterien.
Zur Orientierung: Mehr als 90 Prozent der Materialien einer Batteriezelle – darunter Kupfer, Aluminium, Mangan, Kobalt, Nickel, Lithium – können recycelt werden. Daher zahle es sich auch aus, die Altbatterien durch Europa zu karren, betont Jüly und fügt hinzu: „Bei Müll wird das immer in Frage gestellt. Beim Transport von Primärrohstoffen, die oft aus China kommen, ist das ganz anders, obwohl die Transportwege viel länger sind.“
Für Ärger sorgt bei Verarbeitungsbetrieben die Bürokratie rund um Import und Export von nostrifizierungspflichtigem Abfall wie Kunststoff oder Altholz. Bis grünes Licht von den Behörden der betroffenen Länder kommt, würden mitunter Monate vergehen. Eine Zumutung, findet Peter Kurth, Präsident der European Waste Management Association (FEAD): „Bei Primärrohstoffen gibt es solche Verfahren nicht.“ Es brauche einheitliche Regelungen und effizienter arbeitende Behörden.
Illegale Deponien
Den Einwand, dass mit den umfassenden Genehmigungen verhindert wird, dass Müll illegal auf Deponien landet, lässt er nicht gelten. Exportiert darf nur zu Verarbeitungszwecken werden. „Das Einzige, das gegen illegale Transporte hilft, sind hohe Strafen.“ Seiner Einschätzung nach deponiert Italien übrigens nach wie vor 70 Prozent seiner Abfälle. „Ob es dazu offizielle Statistiken gibt? Nein. Aber es ist so“, sagt Kurth.
Fest steht, dass Mülldeponien enorme Methangastreiber sind. „Und maximale Bürokratie ist nicht maximaler Umweltschutz.“ Kurth fordert daher ein „Fast-Track-Verfahren“ für die Verwertung von Abfällen innerhalb der EU. Gemeint ist damit im Wesentlichen, dass Anlagen vorab geprüft werden und erteilte Genehmigungen in der Folge für alle Lieferungen an diese Anlage gelten. Also das gleiche Prozedere, das bereits innerhalb eines Landes gilt. Also etwa bei Transporten von Vorarlberg nach Wien. „Aber wenn Sie von Österreich in die Schweiz exportieren, beginnt der Bürokratie-Terz“, ärgert sich Kurth.
Aus Österreich wurden 2019 grenzüberschreitend insgesamt rund 3,45 Millionen Tonnen Abfälle exportiert, gleichzeitig rund 3,88 Millionen Tonnen importiert.
Recycling-PET
Österreich hat übrigens eine relativ große Recycling-Kunststoffindustrie. Laut dem Branchenverband VOEB verarbeiten allein die Unternehmen „PET to PET Recycling“ und „PET-Recycling Team“ rund 60.000 Tonnen PET-Flaschen zu einem Granulat, das wieder bei der Produktion von PET-Flaschen eingesetzt wird. Allein mit den in Österreich gesammelten Mengen könnten die Maschinen laut dem Branchenverband nicht wirtschaftlich betrieben werden.
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