Warum die G7 ausgedient haben

Gipfel in der Sperrzone: 7000 Carabinieri und Soldaten sichern Taormina ab
Statt weltpolitischer Themen steht heuer Trump-Beschwichtigung auf der Tagesordnung.

Taormina hat in seiner gut 3000-jährigen Geschichte vieles überlebt, es wird auch den G-7-Gipfel überstehen. Seit Wochen ist das sizilianische 11.000-Einwohner-Städtchen am Fuße des Vulkans Ätna im Belagerungszustand. 7000 Carabinieri und Soldaten sollen die Tourismushochburg absichern, wenn am Freitag und Samstag die Staats- und Regierungschefs der einflussreichsten Wirtschaftsmächte tagen. So ein Aufwand. Und wofür? Sieben Gründe, warum die Idee der Weltwirtschaftsregierung obsolet ist.

Sie sind eine Mogelpackung

Die sieben führenden Industriestaaten? Das mag 1975 gestimmt haben, heute ist es falsch. Gemessen am wirtschaftlichen Einfluss müssten China, Indien, Indonesien und Brasilien dabei sein. Sogar Mexiko, Türkei und Korea wären legitimere Teilnehmer als Kanada oder Italien. Russland wurde 1998 aus politischen Gründen aufgenommen und 2014 nach der Krim-Annexion und dem Ukraine-Konflikt wieder rauskomplimentiert. Dass die EU seit 1981 zusätzlich zu ihren vier (künftig drei) größten Mitgliedstaaten vertreten ist, macht die Zusammensetzung nicht logischer.

Sie haben keinen Auftrag mehr

Die Idee einer Weltwirtschaftsregierung war seit jeher fragwürdig, weil dem Forum die demokratische Legitimierung und Transparenz fehlt. Ihren stärksten Moment hatten die G7 noch 2008, als sich die Regierungen gemeinsam gegen die Weltfinanzkrise stemmten. Rasch verlagerte sich dieser Fokus aber zu den G20, wo die Schwellenländer China, Indien und Brasilien mit am Tisch sitzen. Ob Welthandel, Klimaschutz oder Terrorismus – seither ist das G-20-Forum das einzig relevante Gremium für globale Probleme.

Wertegemeinschaft ohne Werte

Die G7 sehen sich gerne als inneren Zirkel, als Wertegemeinschaft, die eine Pionierrolle wahrnimmt. Leider trifft dieser Anspruch weniger zu denn je – eine gemeinsame Agenda gibt es nicht mehr. Die Hauptaufgabe in Taormina besteht darin, US-Präsident Donald Trump auf einen gemeinsamen Kurs beim freien Handel und Klimaschutz zu verpflichten. In den Vorbereitungsrunden gelang es aber nicht einmal, den USA vage Bekenntnisse gegen Protektionismus abzuringen.

Informeller Aufwand

Wenn sich die Chefs treffen, ist die Knochenarbeit bereits erledigt: Die Gipfeldokumente sind von "Sherpas" vorbereitet. Manche Beobachter sehen somit den Zweck der G7 darin, dass sich die Mächtigen informell treffen und kennenlernen können. Immerhin gebe es mit Donald Trump, Theresa May, Emmanuel Macron und Gastgeber Paolo Gentiloni heuer vier Neulinge. Die G7, eine Plauderrunde? Das ließe sich mit weniger Aufwand einrichten.

Keine wirklichen Beschlüsse

G-7-Protokolle sind reine Absichtserklärungen, deshalb sind die Dokumente zumeist äußerst wolkig formuliert. Und wenn von den G7 in der Vergangenheit konkrete Initiativen ausgingen, so haben die nötige Sacharbeit längst andere übernommen: den Kampf gegen Steuervermeidung die OECD, gegen Geldwäsche die Financial Action Task Force (FATF), die Bankenregulierung das Basel Komitee.

Agenda ist alles und nichts Laut EU-Angaben hat der italienische G-7-Vorsitz heuer ein Spektrum vorgegeben, das von Sicherheit und Terrorismus bis hin zu Handel, Globalisierung, Weltwirtschaft, Umweltschutz und Ungleichheit reiche. Wer aber alle Themen anschneiden will, hat am Ende über gar nichts gesprochen.

Sinnentleerte Rituale

Familienfoto, Sightseeing samt Heli-Flug über den Ätna: die G-7-Abläufe gleichen mittlerweile Pflichtübungen – ebenso wie die Gegendemos. Gerade Italien erinnert sich mit Schrecken an die Gewaltexzesse von Genua 2001, als bei Kämpfen mit der Polizei ein Demonstrant erschossen und Hunderte Menschen verletzt wurden. Seit damals finden die Gipfel in streng abgeschirmten Sperrzonen statt. Für Samstagnachmittag ist eine Demonstration mit bis zu 4000 Teilnehmern angemeldet – im Küstenort Giardini Naxos, 13 Kilometer vom Tagungsort entfernt.

Anlass für die Gründung der G7 (Gruppe der Sieben) war die Ölkrise 1975: Deutschlands Kanzler Helmut Schmidt und Frankreichs Präsident Valéry Giscard d’Estaing luden ins Schloss Rambouillet, um die Politik besser abzustimmen. Teilnehmer waren die USA, Großbritannien, Japan, Deutschland, Italien und Frankreich, ein Jahr später stieß Kanada dazu. 1998 wurde die Gruppe um Russland erweitert – und 2014 wieder verkleinert.


Der Gipfel in Taormina

In Brüssel wird erwartet, dass die G7 an den Russland-Sanktionen festhalten, solange Moskau nicht das Waffenstillstandsabkommen von Minsk für die Ost-Ukraine erfüllt. An der Gipfelerklärung von Taormina dürfte besonders lange gefeilt werden. Als Gipfelerfolg würde jedes (auch noch so vage) Bekenntnis von US-Präsident Donald Trump zum Pariser Klimaschutzabkommen oder gegen Handelsbarrieren gewertet. Das halten Insider im Vorfeld aber für nahezu ausgeschlossen.

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