Wachsende Proteste in den USA

Was mit Protesten in der Wall Street begann, hat nun auch andere US-Städte erreicht: Ein Aufschrei der "99 Prozent".

Wir sind die 99 Prozent", skandieren die überwiegend jungen Demonstranten, die sich nun nicht mehr nur in der Wall Street versammeln, sondern auch in Los Angeles, in Chicago, Boston, Tennessee, Minneapolis und mehr und mehr amerikanischen Städten. Nach Vorbild des arabischen Frühlings blasen sie zu einem "amerikanischen Herbst".

Börsenhai solidarisch

Sie sammeln sich via Facebook, Twitter und Google vor Rathäusern und Zentralen der "Bank of Amerika", tauschen via Live-Stream ihre Erfahrungen aus und protestieren - gegen ein zunehmend ungerechtes Amerika, gegen die Macht der Banken und gegen eine Politik, von der sie sich im Stich gelassen fühlen. Und sie bekommen zumindest verbale Unterstützung von überraschender Seite: Großinvestor George Soros hat seine Sympathie mit den Demonstranten bekundet. Er könne deren Gefühle verstehen.

Die schwere Wirtschaftskrise der vergangenen drei Jahre machte es sichtbar: Die soziale Schere in den USA geht immer weiter auf, Amerikas Milliardäre erzielen ein Drittel des Volkseinkommens - während die große Mehrheit gegen das Gefühl kämpft, unter die Räder zu kommen. Auf der website "WeAreThe99Percent" sind sie zu lesen, die persönlichen Erfahrungen jener 99 Prozent: Die, die in der Immobilienkrise ihre Häuser
verloren haben. Die, deren Arbeitsplatz gekürzt wurde. Die, die sich keine Krankenversicherung leisten können. Die, die sich verschulden müssen, um studieren zu können. Sie alle treibt das Gefühl, ihr Land werde nicht mehr zum Wohl der Mehrheit, sondern im Interesse einer kleinen, mächtigen Elite regiert.

Jeden Abend wieder

Nicht nur vor New Yorks Finanzzentrum, auch in Chicago demonstrieren die Empörten schon seit zwei Wochen täglich vor der Filiale der Federal Reserve Bank. Täglich wird der Zustrom größer. Abends, nach Schul- und Arbeitsschluss, schwillt die Menge der Demonstranten jedes mal aufs Neue an.

"In einem Land, das so unter wirtschaftlichem Stress steht wie die USA, beginnt jeder, über Politik und Wirtschaft nachzudenken", glaubt die US-Politologin Nina Eliasoph. "Es gibt eine mächtige emotionale Bewegung. Aber sie braucht klare Forderungen." Davon ist Paul, der derzeit täglich in New York demonstriert, noch weit entfernt: "Wir haben hier alle verschiedene Ideen", schildert er der New York Times. "Die einen wollen die Zentralbank abschaffen, die anderen die Banken überhaupt enteignen. Was mich betrifft: Ich kämpfe gegen die Gier der Konzerne."

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