VW zeigt Konzernchef die Gelbe Karte

VW zeigt Konzernchef die Gelbe Karte
Herbert Diess stand nach lauter Kritik am Aufsichtsrat beinahe vorm Rauswurf. Nun verliert er nur die Position als Chef der Marke VW.

Als ob große finanzielle Nachwehen aus dem Dieselskandal, Probleme bei der Fertigung des neuen Golf und die Absatzprobleme infolge der Corona-Krise nicht schon genug wären: Nun beschäftigen den weltgrößten Autobauer Volkswagen auch noch interne Streitereien rund um Konzernboss Herbert Diess.

Der seit etwas mehr als zwei Jahren amtierende Manager hätte nach den schwierigen Jahren infolge der Abgasmanipulationen und dem unrühmlichen Abgang von Vorstandschef Martin Winterkorn und dessen glücklosen Nachfolger Matthias Müller den Konzern in ruhigere Fahrwasser führen und zukunftsfit (Stichwort Elektromobilität) machen sollen.

Doch der in München geborene Österreicher zeigte nicht nur zu viele Ecken und Kanten – es mehrten sich auch Fehler. Nun muss er gehen – vorläufig nur als Chef der Kernmarke VW. Doch wie konnte es soweit kommen?

Die Probleme

Aushängeschild des Konzerns ist, auch wenn er angesichts des SUV-Booms an Bedeutung verloren hat, der Golf. Doch von 100.000 geplanten Verkäufen der 8. Auflage wurden im Vorjahr nur 8.400 Stück gebaut. Die wesentliche Ursache dafür seien Störungen in der Software und Elektronik, die im März in einem vorübergehenden Produktionsstopp mündeten. Infolge dessen verlor der Golf in Europa Platz 1 der in Europa meistverkauften Autos an den Renault Clio.

Technische Probleme gibt es auch beim wichtigen Projekt id 3. Das Elektroauto, das ab 17. Juni bestellt werden kann, ist weit mehr als ein Prestigeobjekt. Es ist das Frontfahrzeug beim Umbau des Konzerns in Richtung E-Mobilität. In diesen Bereich fließen viele Milliarden Euro hinein. Eine pannenfreie Umsetzung wäre wichtig für andere E-Modelle.

Diess forderte weiters vehement von der deutschen Politik eine Abwrackprämie ein. Sie kommt auch – allerdings nur beim Kauf von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Zu forsch sei der Manager bei der Regierung in Berlin für eine Prämie für alle Fahrzeuge eingetreten, heißt es.

Selbstbewusst forderte Diess laut Manager Magazin eine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2025, der Aufsichtsrat lehnte dies angesichts der Probleme jedoch ab.

Endgültig intern verscherzt hat es sich Diess laut Handelsblatt vor wenigen Tagen, als er vor 3.400 Führungskräften des Konzerns die Aufsichtsräte beschuldigte, dass sie Firmeninterna an Medien weitergegeben hätten. „Das ist eine Straftat“, beklagte Diess. Tatsächlich hatte er kurz zuvor in dem Gremium Rede und Antwort zu den Problemen bei Golf und id 3 stehen müssen.

Die Gegner

Mit diesem Frontalangriff brachte er mit einem Schlag den gesamten Aufsichtsrat gegen sich auf. Der Rauswurf stand angeblich im Raum, vorangetrieben durch den mächtigen Zentralbetriebsrat und Gremienvertreter Bernd Osterloh, der ihn für die Probleme verantwortlich macht.

„Über Monate wurde Diess öffentlich durch den Betriebsrat demontiert“, sagt der deutsche Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer. Diess sei nun eine „lame duck“. Auch Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, der die Interessen des Landes und zweitgrößten Aktionärs vertritt, soll generell über Diess’ undiplomatisches Vorgehen verstimmt sein.

Immerhin: die wichtigen Eigentümerfamilien Porsche und Piech stehen (noch) hinter Diess. „Herr Diess hat sich in aller Form entschuldigt. Die Kapitalseite steht weiter hinter ihm.“ Allerdings sei es höchste Zeit, zur Sacharbeit zurückzukehren.

Die Zukunft

Dies gibt die Leitung der Marke VW an den bisherigen Co-Vorstand Ralf Brandstätter ab. So soll er mehr Zeit haben, um sich für das große Ganze zu kümmern. Einkaufschef Sommer verlässt den Konzern. „Sommer stand wie Diess für den Auf- und Ausbau der Elektromobilität, für die großen Batterieprogramme des Konzerns und damit für die Zukunft“, analysiert Dudenhöffer. Nachfolge noch offen.

Ebenso, wie lange sich Diess noch halten kann. Der vor den tausenden Managern verkündete Plan, ein Corona-bedingtes Sparpaket auszuarbeiten, wird für neue Konflikte sorgen. Das scheinen auch Aktionäre zu fürchten. Die Aktie verlor zum Vortag 1,85 Prozent.

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