VW warnt vor schwierigem zweiten Halbjahr

Tausende VW-Autos müssen zwischengelagert werden
Gewinnsteigerung in den ersten sechs Monaten trotz Dieselskandal. Verschärfte Abgastests führen aber zu Problemen

Die Produktionsverzögerungen durch das ab September geltende neue Abgastestverfahren WLTP wird Volkswagen im zweiten Halbjahr schwer zu schaffen machen. "Klar ist, das wird im zweiten Halbjahr wirklich ein Kraftakt", sagte VW-Chef Herbert Diess am Mittwoch in Wolfsburg.

Durch das ab September geltende aufwendigere Messverfahren für Schadstoffe können diverse Hersteller schon jetzt nicht alle Modelle bis auf weiteres liefern. Bei VW kommt es in einigen Wochen in einigen Werken zu Schließtagen. Dennoch bleibe der Konzern bei seinem Ziel, im Gesamtjahr die Auslieferungen moderat im Vergleich zu 10,7 Millionen Fahrzeugen 2017 zu steigern, sagte Finanzchef Frank Witter.

Zwischenlagerung

Tausende bereits produzierte Neuwagen, die noch nicht zertifiziert sind, sollen auf Parkplätzen zwischengelagert werden, unter anderem auf dem geplanten Berliner Flughafen BER. Volkswagen hatte bereits im Juni angekündigt, bis zu 250.000 Autos könnten später als geplant gebaut werden. Nach den EU-Regeln dürfen Neuwagen ab Anfang September nur noch verkauft werden, wenn sie WLTP durchlaufen haben.

Der operative Gewinn vor Sondereffekten kletterte bei VW im zweiten Quartal um 22,7 Prozent auf knapp 5,6 Mrd. Euro. Damit übertraf der Gewinn selbst besonders optimistische Erwartungen. Der Umsatz stieg deutlich langsamer um 3,4 Prozent auf gut 61 (Vorjahreszeitraum 59,2) Mrd. Euro.

Dank des Rekordgewinns und eines üppigen Liquiditätspolsters im Kerngeschäft von mehr als 26 Mrd. Euro kann der Konzern das von der Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Dieselskandals verhängte Bußgeld von einer Milliarde Euro verkraften. Zudem legte Volkswagen weitere 600 Millionen für Rechtsrisiken im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Abgasmanipulation zur Seite. 

27 Mrd. Euro 

Insgesamt türmen sich die Kosten der Dieselaffäre damit auf mehr als 27 Mrd. Euro. Das Ende der Fahnenstange dürfte damit noch nicht erreicht sein. Denn Volkswagen ist mit Klagen von Investoren konfrontiert, die einen Ausgleich für ihre in der Dieselkrise erlittenen Kursverluste fordern. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beginnt im September ein Musterverfahren, bei dem es um Ansprüche von fast 4 Mrd. Euro gegen Volkswagen und den Haupteigner Porsche SE geht.

Brisante eMails

In der Abgasaffäre gerät die VW-Konzernspitze mit ihrer Verteidigungsstrategie einem Medienbericht zufolge zusehends in die Defensive. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet in ihrer Mittwochsausgabe, dass entgegen der Behauptung der VW-Führung, sie sei am 18. September 2015 durch US-Behörden von der Abgasaffäre überrascht worden, in der Konzernzentrale schon vorher "höchste Alarmstufe" geherrscht habe.

Führende Juristen, Kontrolleure und Motorenentwickler, darunter Vertraute des damaligen Vorstandschefs Martin Winterkorn, hätten in E-Mails davor gewarnt, dass die Lage außer Kontrolle gerate. In einer Mail vom 13. September 2015 von Bernd Gottweis - damals bei VW für Problemfälle zuständig - an einen führenden Juristen hieß es der Zeitung zufolge: "Volkswagen hat jegliche Glaubwürdigkeit bei den Behörden verloren." Es sei kurzfristig mit einer Klageschrift der US-Justiz zu rechnen. Das Eingeständnis, bei den Abgaswerten in den USA geschummelt zu haben, habe den Konflikt mit den Umweltbehörden nicht beigelegt. Laut "SZ" fanden sich ähnliche Aussagen damals zuhauf. 

Ebenfalls am 13. September schrieb demnach ein ranghoher Entwickler unter anderem an den VW-Markenvorstand Heinz-Jakob Neußer, die Lage mit den US-Behörden habe sich erneut verschärft. Und am 12. September hätten sich führende Juristen des Konzerns eine Mail weitergeleitet, wonach VW in den USA keine erkennbare Reue gezeigt und die Produktion fehlerhafter Autos habe weiterlaufen lassen.

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