VW-Vorstand: "Der Diesel verliert an Bedeutung"

Der Wolfsburger Konzern will mit einer Offensive bei SUVs und E-Autos Vertrauen zurückgewinnen. VW-Vorstand Jürgen Stackmann im Gespräch mit dem KURIER.

Im Rahmen der Vienna Autoshow, die heute, Donnerstag, für das Publikum die Pforten öffnet, stand VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann einem kleinen Kreis von Journalisten Rede und Antwort. Während er zu den aktuellen juristischen Entwicklungen in den USA nichts sagen wollte, sprach er über ...

... die Lage von VW in den USA:

Wir haben nur drei Prozent der Privatkunden verloren, in Summe ist die Situation zufriedenstellend. Wir gelten dort als Marke für junge Leute, wollen aber auf den Einkaufszettel der Mittelschicht.

... die Industriepolitik des neuen US-Präsidenten Trump:

Auf der Automesse in Detroit war es das Thema schlechthin. Wir sehen uns aber sehr gut aufgestellt, weil wir haben in den USA groß investiert, zuletzt eine Milliarde Dollar in das Werk in Chattanooga. Für uns ist aber auch Mexiko mit 200.000 verkauften Pkw im Jahr wichtig. Daher ist die Freihandelszone NAFTA wichtig und richtig, die Welt lebt vom Handel.

... die Nachwirkungen des Abgasskandals:

Technisch ist das Thema durch. Wir haben für Europa alle Freigaben zur Umrüstung. Von 8,5 Millionen betroffenen Fahrzeugen sind 1,8 Millionen schon umgerüstet. Bis alle geschafft sind, wird es bis Spätsommer/Frühherbst dauern. Die Rückschritte bei Image und Markentreue erarbeiten wir uns kontinuierlich zurück, auch durch neue Produkte.

... den Dieselantrieb:

Im Vorjahr gab es im dafür relevanten Markt Europa ein leichtes Minus von drei Prozent, das erwarte ich auch 2017. Das hat mehrere Gründe. Zum einen werden die Motoren wegen der verschärften Auflagen teurer, zum anderen gibt es Diskussionen über Fahrverbote in Metropolen. Und bei den Benzinmotoren steigt die Leistung. Der Diesel wird somit unattraktiver, die Technologie in Europa an Bedeutung verlieren und sicher keinen Siegeszug um die Welt antreten. Aber ich erwarte keinen radikalen Wechsel.

... den chinesischen Markt:

Er ist unsere große Stärke, weil der Markt wird weiter wachsen. 85 Prozent aller Käufer hatten zuvor kein Auto. Der Markt dreht sich derzeit komplett weg von Limousinen hin zu SUV (sportliche Geländeautos). Daher ist der Erfolg von VW umso bemerkenswerter, weil wir in diesem Segment nur den Tiguan haben.

... Sport Utility Vehicles, SUVs:

Generell ist es ein Phänomen, dass VW zu dieser Größe ohne SUV geworden ist. Die Welt liebt SUV, sie funktionieren überall, unabhängig von den Einkommen. Daher planen wir bis 2020 eine sehr starke SUV-Offensive mit völlig neuen Modellen.

... und weitere Ziele:

Wir wollen bis 2025 mit einer Million Verkäufen Weltmarktführer bei E-Autos werden. Größter Markt vor Europa wird China werden, unsere Bedeutung dort wird uns helfen. Zugleich soll die Rendite der Marke VW von derzeit zwei auf sechs Prozent steigen.

Österreicher fahren weiter auf Diesel-Autos und SUVs ab

Mit 329.604 Neuzulassungen wuchs der österreichische Pkw-Markt im Vorjahr um 6,8 Prozent gegenüber 2015. Damit war es das drittstärkste Autojahr in der Geschichte des Landes (nach 2011 und 2012). Als Gründe für den Kaufboom nennt Klaus Edelsbrunner, Bundesobmann des Fahrzeughandels, „sensationelle Angebote“. Zudem hätten die tiefen Zinsen dazu verleitet, das Geld lieber auszugeben. Für heuer erwartet er einen ähnlichen Absatz. Die Marke VW büßte trotz des Dieselskandals nichts von ihrer Vormachtstellung ein – im Gegenteil. Bei fast gleichbleibendem Marktanteil stiegen die Verkäufe um 5,9 Prozent. Und auch der viel kritisierte Dieselantrieb blieb mit 57,3 Prozent aller Pkw-Neukäufe klar voran.

„Der Dieselmotor ist derzeit unverzichtbar“, sagt dazu Importeurssprecher Günther Kerle. Es sei schleierhaft, wie man überhaupt von einem Steuerprivileg beim Diesel sprechen könne, nur weil Benzin noch höher besteuert wird. Auch Infrastrukturminister Jörg Leichtfried steht tendenziell eher auf der Bremse, was eine von Umweltminister Andrä Rupprechter geforderte Steuererhöhung betrifft.

VW-Vorstand: "Der Diesel verliert an Bedeutung"

Sozialaspekte müssten in der „viel zu eindimensional geführten Diskussion“ auch eine Rolle spielen. „Ich möchte nicht, dass Menschen, die hart an ihrer finanziellen Belastbarkeitsgrenze sind, ihre Lebensgrundlage verlieren“, sagt Leichtfried in Richtung der Dieselfahrer.

Zu den Gewinnern des Vorjahres zählt auch das SUV-Segment, das einen Absatzsprung um satte 20 Prozent auf 78.000 Stück verzeichnet. Und auch mit den E-Autos ging es „stromaufwärts“, wie es Peter Laimer von der Statistik Austria bezeichnet. Der Absatz hat sich mehr als verdoppelt. Allerdings auf noch bescheidene 3826 Stück.klee

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