VW baut weltweit 30.000 Stellen ab

Das VW Logo
Nicht nur der Abgasskandal macht dem Konzern zu schaffen - auch der Umschwung zur Ära der Elektromobilität.

Volkswagen wird im Rahmen des sogenannten Zukunftspakts allein in Deutschland bis 2025 rund 23.000 Stellen streichen. Das bestätigten Unternehmen und Betriebsrat am Freitag in Wolfsburg. Der Abbau soll sozialverträglich erfolgen, etwa über Altersteilzeit. Weltweit sollen bis zu 30.000 Jobs wegfallen. Der gesamte VW-Konzern beschäftigt mehr als 624.000 Menschen, 282.000 davon in Deutschland.

VW baut weltweit 30.000 Stellen ab
ABD0010_20161118 - ARCHIV - VW-Mitarbeiter betreten am 06.10.2015 durch das Tor 17 das Gelände vom Volkswagen-Werk in Wolfsburg (Niedersachsen). Volkswagen hat sich mit dem Betriebsrat auf den Abbau von weltweit bis zu 30 000 Arbeitsplätzen in den kommenden Jahren geeinigt, um die angeschlagene Kernmarke VW wieder flott zu machen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa (zu dpa "VW baut weltweit 30 000 Stellen ab" vom 18.11.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Zugleich einigte man sich auf hohe Investitionen, um den Konzern fit für die Zukunft zu machen. So sollen auch 9.000 neue Stellen geschaffen werden, so dass in Summe 14.000 Stellen wegfallen.

"Volkswagen muss sich für den Zukunftssturm wappnen"

Markenvorstand Herbert Diess betonte: "Dieser Pakt ist für Volkswagen ein großer Schritt nach vorne, sicherlich einer der größten in der Geschichte des Konzerns." Bisher sei Volkswagen nicht gewappnet gewesen für den Wandel, bei der Produktivität habe man an Boden verloren. Bei der Rendite liege der Konzern weit hinter der Konkurrenz. Diess: "Volkswagen muss schnell wieder Geld verdienen und sich für den Zukunftssturm wappnen."

VW baut weltweit 30.000 Stellen ab
(FILES) This file photo taken on July 11, 2005 in Forest, south of Brussels, shows workers of German car maker VW walking in front of the factory. Volkswagen confirmed on November 18, 2016 30,000 job cuts worldwide. / AFP PHOTO / Thierry MONASSE
"Wir werden auch die Mannschaft verkleinern", sagte der Markenvorstand. Auch im Ausland werde es Einschnitte geben. "In vielen Regionen sind wir zur Zeit nicht profitabel." Weniger Bürokratie, weniger Doppelarbeit soll es geben. Der Zukunftspakt sei ein Wegbereiter für die neuen Markenstrategie.

Ministerpräsident Weil: Arbeitsplatzabbau notwendig

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat den im Rahmen des Zukunftspakts geplanten Stellenabbau bei Volkswagen als unausweichlich bezeichnet. "Die Landesregierung bedauert diesen Arbeitsplatzabbau sehr, zugleich erkennt sie die Notwendigkeit an", sagte der SPD-Politiker am Freitag.

"Insgesamt leitet der Zukunftspakt den wohl größten Umbauprozess in der Geschichte von Volkswagen ein." Das Programm sei ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Zukunft. Betriebsbedingte Kündigungen seien bis 2025 ausgeschlossen worden. Die Landesregierung lege Wert darauf, dass Volkswagen ausscheidenden Leiharbeitern neue Beschäftigungsperspektiven eröffne. Das Land Niedersachsen ist mit rund 20 Prozent VW-Großaktionär.

"Zukunftspakt"

VW will die Kosten bis 2020 um 3,7 Mrd. Euro pro Jahr drücken. Es sollen aber alle Standorte erhalten bleiben. Mit dem Zukunftspakt wollen Betriebsrat und Unternehmen die aus Sicht aller Beteiligten nötigen Reformen bei der gewinnschwachen Kernmarke VW-Pkw mit Absicherungen für die Belegschaft vereinen. Der Abschluss des Zukunftspakts war die Voraussetzung für den Investitionsplan des Autobauers bis 2021, über den der Aufsichtsrat am Freitag in Wolfsburg beraten und vor allem beschließen sollte. Dabei geht es um die Verwendung von rund 100 Mrd. Euro.

VW baut weltweit 30.000 Stellen ab
(FILES) This file photo taken on October 23, 2015 shows an employee of German car maker Volkswagen (VW) touching the VW logo on a Phaeton car at the company's Glaeserne Manufaktur (Transparent Factory) in Dresden, eastern Germany. German auto giant Volkswagen posted on October 27, 2016 net profit of 2.28 billion euros ($2.49 billion) for the third quarter and raised its full-year forecasts, turning the tide from a massive loss a year ago over its emissions cheating scandal. / AFP PHOTO / DPA / RALF HIRSCHBERGER

Volkswagen hat an vielen Stellen zu kämpfen. Der Abgasskandal zwingt den Autobauer zum Sparen, zugleich muss der Konzern viel Geld in zentrale neue Trends der Branche stecken: Digitalisierung und Vernetzung sowie alternative Antriebe. Dazu hat die Pkw-Kernmarke seit langem ein Rendite-Problem. Der Hausmarke um Golf und Passat blieb zuletzt von 100 umgesetzten Euro nur rund 1,60 Euro als Gewinn, wovon dann noch Zinsen und Steuern abgingen.

VW will mit den Maßnahmen die Kosten bis 2020 um 3,7 Mrd. Euro pro Jahr drücken. VW und die Arbeitnehmervertreter standen bei den Verhandlungen unter Druck, der Abschluss des Zukunftspakts war die Voraussetzung für den Investitionsplan des Autobauers bis 2021, über den der Aufsichtsrat am Freitag in Wolfsburg beraten und vor allem beschließen sollte. Dabei geht es um die Verwendung von rund 100 Mrd. Euro.

In der schwersten Krise seiner Geschichte hat der Volkswagen-Konzern nach Ansicht von Branchenbeobachter Ferdinand Dudenhöffer eine wichtige Wende eingeleitet. Mit Blick auf einen von VW-Vorstandschef Matthias Müller vorgestellten Zukunftspakt betonte der Professor der Universität Duisburg-Essen am Freitag: "Fünf Jahre früher wäre sicher besser gewesen, der Konzern war lange blockiert."

Für die nächsten fünf Jahre sollen bei dem Konzern nun in Werke und Anlagen, vor allem aber in die Zukunftsthemen Elektromobilität und Digitalisierung Milliarden investiert werden.

Der Automobilwirtschafts-Experte Hans-Gerhard Seeba von der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften äußerte sich ähnlich. "Dieser Schritt hätte eher kommen können", sagte er.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte betont, Wolfsburg werde im VW-Konzern das Zentrum schlechthin für den IT-Bereich und damit auch in die Region ausstrahlen. Dudenhöffer äußerte sich dazu skeptisch: "Man muss schon sehr attraktiv sein, um gefragte Experten an den Mittellandkanal zu locken, die auch gute Job-Chancen in Berlin oder San Francisco hätten."

Als Beschleuniger sieht er den Abgas-Skandal ("Dieselgate") bei Europas Autobauer. "Ohne Dieselgate wäre VW voll vor die Wand gefahren - mit der Müller-Mannschaft hat VW bei der Elektromobilität nun die Nase vorne", betonte der Autoexperte.

VW hat bereits mehrere Spar- und Umbauprogramme hinter sich. Mit ihnen reagierte Europas größter Autohersteller teils auf interne Krisen, teils auf neue Herausforderungen für die gesamte Branche. Die drei bekanntesten Beispiele in der Übersicht:

- 1993: Im Jahr des Amtsantritts des späteren VW-Patriarchen Ferdinand Piëch als Vorstandschef steckt der Konzern in einer tiefen Krise. Er produziert im Vergleich mit der globalen Konkurrenz viel zu teuer, es droht die Kündigung von bis zu 30.000 Beschäftigten.

Peter Hartz, von Piech eingestellter Personalvorstand und späterer Entwickler der Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder, kann den Kahlschlag abwenden. Er führt in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und der IG Metall unter anderem die Vier-Tage-Woche bei Volkswagen ein - eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Auch der umstrittene "Kostenkiller" und Ex-General-Motors-Manager Jose Ignacio Lopez bringt den verlustreichen Konzern finanziell wieder auf Kurs.

- 2006: Die Hauptmarke Volkswagen-Pkw fährt chronisch niedrige Erträge ein - eine deutliche Parallele zur heutigen Lage. Nach monatelangen Verhandlungen zum neuen Haustarifvertrag bei VW einigen sich die Parteien auf eine Abkehr von der Vier-Tage-Woche. Als Gegenleistung für die wieder deutlich längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich verlangt die IG Metall vom Unternehmen verbindliche Zusagen für die langfristige Zukunft der sechs westdeutschen Werke.

Nachdem Kernmarken-Chef Wolfgang Bernhard mit Stellenstreichungen und Produktionsverlagerungen gedroht hat, verlässt er den Konzern. VW kann dennoch die Kosten senken und die Wettbewerbsfähigkeit steigern.

- 2016: Nach Jahren satter Gewinne dümpelt die Marke mit dem VW-Emblem - gemessen an der Marge (Anteil des Gewinns am Umsatz) - im Branchenvergleich erneut vor sich hin. Zugleich muss der Gesamtkonzern die Milliardenlasten des Abgasskandals verdauen und sich stärker auf die Zukunftsthemen der Branche konzentrieren.

Der "Zukunftspakt" soll daher den Spardruck, den Umbau in Richtung E-Mobilität, Digitalisierung und Dienstleistungen sowie das Interesse der Belegschaft an sicheren Jobs und Standorten in die Balance bringen. Nach Monaten des Ringens steht fest: Dies wird nicht ohne Zugeständnisse bei den Jobs gehen. 30.000 Stellen sollen weltweit bis 2020 auslaufen, Kündigungen gibt es aber nicht.

Der Zukunftspakt für die Kernmarke von Volkswagen bringt einschneidende Veränderungen für die Standorte. 23.000 Stellen in den deutschen Werken fallen über die kommenden Jahre weg. Was die Standorte erwartet - ein Überblick:

WOLFSBURG - Bis 2020 sollen am Stammsitz rund 1000 Arbeitsplätze in Zukunftsfeldern entstehen. Der nächste Golf 8 für die USA soll in Wolfsburg gefertigt werden, außerdem ein SUV für die spanische Tochter Seat. In anderen Bereichen läuft die Fertigung bis 2022 aus - unter anderem beim Lenkstangenrohr und der Räderfertigung.

KASSEL - Das größte Teilewerk des Konzerns soll im VW-Konzern das Leitwerk für den Elektro-Antriebsstrang werden - samt Entwicklungsaufgaben. Zudem sollen in Nordhessen auch mehr Ersatzteile gefertigt werden.

SALZGITTER - Das Motorenwerk in Salzgitter gilt als einer der Verlierer aufkommender E-Antriebe. Der Standort soll daher die Federführung bei der Entwicklung von Batteriezelltechnologien erhalten und - soweit wirtschaftlich tragbar - auch die Serienfertigung der Zellen. Die Produktion von Hauptkomponenten für E-Motoren soll sich Salzgitter mit Kassel teilen.

EMDEN - Ab 2019 soll Emden ein viertes Modell bekommen, um die Auslastung des Werks an der Küste zu sichern. Im Zuge der Abgasaffäre hatte VW im März angekündigt, die Verträge von 2.150 Leiharbeitern nicht zu verlängern.

HANNOVER - Die Gießerei und der Bereich Wärmetauscher standen auf dem Prüfstand, bleiben aber erhalten und sollen auch Komponenten für die E-Antriebe der Zukunft liefern. Zudem wird in der Gießerei der 3D-Druck von Teilen angesiedelt. In beiden Bereichen fallen jedoch Stellen weg.

BRAUNSCHWEIG - Das Werk bekommt die Entwicklung für Batteriesysteme in den Produktionsbaukästen des Konzerns sowie die Montage von einigen Batterien. Zudem soll die Produktion von Lenkungen ausgebaut werden. Die Kunststofffertigung wird dagegen bis 2021 eingestellt, auch Fahrwerke werden wohl Arbeit verlieren.

ZWICKAU - Neue Golf-Modelle sollen auch weiter in Zwickau gebaut werden, zudem soll das Werk ein Elektromodell erhalten. Dennoch wird die Zahl der Beschäftigten sinken.

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