Vorsicht, Häuslbauer: Zu billig gebaut wird künftig teuer

Vorsicht, Häuslbauer: Zu billig gebaut wird künftig teuer
Ab 2017 haften Bauherren für faire Löhne – schwarze Schafe aus dem Ausland blieben bisher ungeschoren.

Ein Maurer mit 1,50 Euro Stundenlohn: Diesen Fall hat es tatsächlich gegeben – im Südburgenland. Meist sind es Arbeitskräfte, die von Firmen aus Ungarn, Slowenien oder der Slowakei nach Österreich entsandt werden. Unfair ist das nicht nur für die Hungerlöhner selbst, sondern für alle Firmen, die korrekt bezahlen. Sie schauen bei Aufträgen durch die Finger.

Seit 2011 wird Lohndumping deshalb streng verfolgt, das Gesetz wurde mehrfach verschärft. Wer zu Billiglöhnen arbeiten lässt, muss mit heftigen Strafen rechnen (siehe unten). Klingt gut, funktioniert aber in der Praxis schlecht, kritisieren Experten.

Risiko für Häuslbauer

Und: Die jüngste Verschärfung, die ab Jänner 2017 greift, kann Bauherren teuer zu stehen kommen. Dann haften nämlich die Auftraggeber dafür, dass Bauarbeiter korrekt entlohnt werden. "Ein heftiges Brett, das trifft auch Privatpersonen", sagt Martin Freudhofmeier, Steuerexperte bei Deloitte Österreich. Sollte etwa ein ungarisches Unternehmen den korrekten Lohn schuldig bleiben, muss der Häuslbauer tief in die Tasche greifen, um die Arbeitskräfte zu bezahlen.

Vorsicht, Häuslbauer: Zu billig gebaut wird künftig teuer
Dr. Martin Freudhofmeier, Partner in der Steuerberatung bei Deloitte Österreich, Pressebild
Aber wie kann der Bauherr denn überhaupt wissen, dass die Arbeiter zu wenig erhalten? Der Rat des Experten: "Lassen Sie sich Kostenvoranschläge detailliert aufschlüsseln. Sonst könnte man Ihnen mangelnde Sorgfalt vorwerfen." Und wenn dabei zehn Euro Stundenlohn oder weniger rauskommen? Oder die Arbeitszeit auffallend kurz veranschlagt ist? "Dann müssen Sie ablehnen", sagt Freudhofmeier.

Alternativ könnte auch ein Generalunternehmer als Auftraggeber fungieren und die Verantwortung übernehmen. Das sei aber wohl nur für Neubauten eine Option: "Wenn Sie Ihre Terrasse sanieren oder Wände verspachteln, werden Sie das wohl nicht tun."

Unklare Basis, hohe Strafe

Besonders kritisch bewertet der Steuerexperte die Kombination von drastischen Strafen und schwammiger Rechtsbasis. Seit 2015 müssen Unternehmer nämlich dafür sorgen, dass alle im Kollektivvertrag (KV) vorgesehenen Lohnbestandteile korrekt ausbezahlt werden. Wann aber gemäß den hunderten KVs tatsächlich eine Hitze-, Schichtführer-, Gefahren-, Erschwernis- oder Schmutzzulage fällig wird, ist oft alles andere als klar. Freudhofmeier: "Die Kollektivverträge sind keine Gesetzestexte, sondern das Ergebnis von Verhandlungen. Das merkt man an der schwierigen, teilweise sogar widersprüchlichen Wortwahl."

Vor allem Branchen wie der Bau, die Gastronomie oder der Handel seien gefährdet: Dort werden häufig nur KV-Mindestlöhne bezahlt. Somit fehle die "Luft", um vergessene oder falsch kalkulierte Zulagen gegenzurechnen.

Trifft die Falschen

Kommt die Sprache auf das Anti-Lohndumping-Gesetz, "kochen die Emotionen hoch", sagt Freudhofmeier. Der Grund: "Jeder Stolperer über das Arbeitsrecht ist jetzt potenziell strafbar." Somit fühlen sich österreichische Firmen als die Hauptbetroffenen, obwohl das Gesetz eigentlich eine Wettbewerbsverzerrung durch Ausländer verhindern sollte.

Dreifach zum Handkuss kommen Baufirmen, etwa im Burgenland: Sie werden selbst häufig kontrolliert. Sie kämpfen mit besonders vielen Billiganbietern. Und sie leiden unter dem Imageschaden durch schlecht arbeitende Pfuscher, sagt Landesinnungsmeister Gerhard Köppel. Er versteht den Ärger seiner Mitglieder, verteidigt das Gesetz aber dennoch: "Wenn es ein schwarzes Schaf in den eigenen Reihen treffen sollte, ist das auch nicht zu verneinen." Köppel verweist auf die Bagatellgrenzen: Bei kleineren Fehlern der Lohnverrechnung könne von Strafen abgesehen werden. Die Wirtschaftskammer helfe mit Beratungen aus.

Die Mehrzahl der Übeltäter sitzt indes jenseits der österreichischen Grenze, belegen Zahlen: Bei 8700 Baustellenkontrollen 2015 gab es nur bei 0,5 Prozent der Inlandsfirmen einen Verdacht auf Unterentlohnung. Bei Firmen mit Sitz im Ausland waren es 27 Prozent. Von 494 Unternehmen, die die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse seit 2011 angezeigt hat, hatten 435 den Sitz im Ausland.

Was nützt aber die saftigste Strafe, wenn sie nicht exekutiert werden kann? Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl hat 1,1 Mio. Euro Strafe über ausländische Firmen verhängt, konnte davon aber ganze 2000 Euro eintreiben. Das werde mit dem neuen Gesetz ab 2017 einfacher, heißt es im Sozialministerium.

Kontrollen wie Rasterfahndung

Der Grund für die Zuversicht: Ab 2017 müssen alle EU-Staaten die sogenannte Durchsetzungsrichtlinie umsetzen. Das heißt konkret: Die Behörden können Strafbescheide aus dem Ausland nicht mehr einfach ignorieren, sondern müssen diese zustellen und einheben. Sonst geraten sie in Konflikt mit EU-Recht. Auch die Kommunikation zwischen den Behörden wird in geordnetere Bahnen gelenkt.

Zum Vorwurf, mit den Kontrollen würden die Falschen getroffen, verweist der Sprecher von Minister Stöger auf einen neuen, risikobasierten Kontrollplan, der gemeinsam mit der Finanzpolizei und den Krankenkassen entwickelt worden sei. "Wir kontrollieren nicht mehr zufällig nach dem Rasenmäherprinzip, sondern nach systematischen Mustern, wo die Wahrscheinlichkeit am größten ist, schwarze Schafe zu erwischen."

Das Gesetz: Sukzessive verschärft

Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDBG) wurde 2011 eingeführt, zeitgleich mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten. Zunächst musste nur der Mindestlohn bezahlt werden. Seit 2015 ist es unübersichtlicher: Jetzt sind alle Lohnteile, samt Zulagen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen.

Verantwortlich ist der Geschäftsführer persönlich, die Strafen sind geschmalzen: 2000 bis 20.000 Euro pro Arbeitnehmer (bei mehr als drei Betroffenen), im Wiederholungsfall bis zu 50.000 Euro. Ab 2017 haftet am Bau der Auftraggeber, die Amtshilfe zur Eintreibung von Strafen im Ausland wird verbessert.

Kontrollen: Zahlen und Fakten

Das Kompetenzzentrum in Sachen Lohn- und Sozialdumping ist bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) angesiedelt. In dieser Rolle wurden im Vorjahr 383 Anzeigen wegen Unterentlohnung von 1354 Arbeitnehmern eingebracht und Strafen von 6,3 Mio. Euro beantragt. Als Krankenversicherungsträger hat die WGKK 169 Unternehmen mit 483 betroffenen Arbeitnehmern angezeigt, die Strafhöhe betrug in Summe 2,3 Mio. Euro.

In der Region Wien haben die WGKK und die Finanzbehörde 2015 in Summe 9502 Prüfungen durchgeführt. Die WGKK hat in der Folge 59,1 Mio. Euro Lohnabgaben nachgefordert (45,9 Mio. Euro SV-Beiträge und 13,2 Mio. Euro Steuern). Bei der Finanzverwaltung liefen zusätzlich weitere 52,9 Mio. Euro an Nachforderungen auf.

Italien-Urlauber können "una canzone" davon singen: Wer die Autostrada zu flott bewältigt, dem flattert eine saftige Rechnung ins Haus. Dass man als EU-Ausländer Bußgeldbescheide ignorieren kann, stimmt schon lange nicht mehr. Warum sollte dasselbe nicht auch umgekehrt, bei viel gravierenderen Vergehen funktionieren? Etwa dann, wenn ausländische Firmen Arbeiter nach Österreich schicken und mit Hungerlöhnen abspeisen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das ist ein Gebot der Fairness – darin sind sich alle einig. Aber solange schwarze Schafe aus dem Ausland ungeschoren davonkommen, ist das Gesetz gegen Lohndumping sinnlos. Schlimmer noch: Es fügt der Wettbewerbsverzerrung eine weitere Ungerechtigkeit dazu, wenn nur die österreichischen Firmen karniefelt werden.

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