ORF-Betriebsrat bringt Klage beim OGH ein

ORF-Betriebsrat bringt Klage beim OGH ein
Zentralbetriebsrat will Anrechnung von Ausbildungs- und Berufsjahren, Wehr- und Zivildienst durchsetzen.

Zwischen dem Zentralbetriebsrat und der ORF-Führung gibt es in Sachen Vordienstzeiten nun mächtige rechtliche Zores. Die Personalvertretung hat über die Rechtsanwaltskanzlei Gerlach eine Feststellungsklage beim Obersten Gerichtshof (OGH) der Republik Österreich eingebracht. Zugleich wurden alle Mitarbeiter des ORF vom Zentralbetriebsrat am Mittwoch über die aktuelle Situation in der Sache Vordienstzeiten und EU-Recht informiert. Detail am Rande: Der KURIER hat bereits am 14. Juni exklusiv über den Streit rund um die Vordienstzeiten darüber berichtet.

Worum geht es?

"In den ORF-Kollektivverträgen 1996 und 2003 sowie in den Freie Betriebsvereinbarungen (FBV) ist die Anrechnung von außerhalb des ORF erworbenen Vordienstzeiten, wie Ausbildungs- und Berufsjahre, Wehr- und Zivildienst, detailliert geregelt, aber mit einer Altersbegrenzung versehen. Sie werden erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres berücksichtigt", heißt es in einer Aussendung des Betriebsrats." Dieses Alterslimit hat der Europäische Gerichtshof angesichts eines Präzedenzfalles aus Österreich (Uni Graz) als altersdiskriminierend und damit als EU-rechtswidrig verurteilt." Das heißt, so der Zentralbetriebsrat, dass die in den Kollektivverträgen bzw. Freien Betriebsvereinbarungen angeführten Vordienstzeiten auch dann anzurechnen und für die Einstufung ins Gehaltsschema (Biennien, Triennien etc.) heranzuziehen sind, wenn sie vor Vollendung des 19. Lebensjahres erbracht worden sind.

Warum eine gerichtliche Klage?

Der Zentralbetriebsrat habe die ORF-Geschäftsführung bereits im Jahr 2013 auf diese Rechtslage aufmerksam gemacht und eine EU-konforme Lösung gefordert. Er hat es wiederholt getan, bis am Rande der Verhandlungen für den "Kollektivvertrag 2014", in dem es übrigens keine Altersklausel mehr gibt, eine rasche Lösung in Aussicht gestellt wurde, heißt es in einer Aussendung.

Was dann geschehen ist, lässt sich nur noch als bizarre Mischung aus Provokation und Ignoranz begreifen, so die Personalvertreter."In mehreren Verhandlungsrunden bis hin zu einem letzten Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Zentralbetriebsrats, Gerhard Moser, seinem Stellvertreter, Gerhard Berti, und Generaldirektor Alexander Wrabetz sowie Kaufmännischen Direktor Alexander Richard Grasl wurde auf keinen der betriebsrätlichen Lösungsvorschläge ernsthaft eingegangen, sondern stattdessen mit einem unannehmbaren, von Belegschaftsseite mehrfach abgelehnten 'Alternativmodell' aufgewartet", heißt es in der Mitteilung weiter. "Dieses hätte die nachträgliche Änderung der bestehenden Anrechnungsbestimmungen bedeutet und einzig und allein der Kostenminimierung bei der Umsetzung des EuGH-Spruchs gedient."

Frist erfolglos verstrichen

Eine letzte Frist zur innerbetrieblichen Einigung und Lösung der Problematik ließen Alexander Wrabetz und Richard Grasl laut Zentralbetriebsrat "ungerührt verstreichen". Sie endete am 30. Juni. Daher ist der Belegschaftsvertretung nur noch der Weg zur gerichtlichen Klärung geblieben, die nun auch den ORF dazu bringen soll, diskriminierende Praktiken abzustellen bzw. zu beheben und das EU-Recht umzusetzen. "Der EuGH hat hier keine neue Rechtslage geschaffen, sondern eine Erkenntnis zur bestehenden Rechtslage", sagt Gerhard Berti, der stellvertretende Zentralbetriebsratsobmann zum KURIER. Das Präzedenzurteil des Europäischen Gerichtshof, auf das sich die ORF-Personalvertretung beruft, sei schon im Jahr 2009 ergangen.

Schwere Vorwürfe

Der Zentralbetriebsrat hat sich diesen Weg nicht gewünscht, heißt es weiter. "Es ist seit Jahrzehnten, wenn nicht überhaupt das erste Mal, der Fall, dass die Belegschaftsvertretung des ORF den Arbeitgeber klagen muss, um Rechte und Ansprüche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchzusetzen", so die Betriebsräte. "Die Starrköpfigkeit des Generaldirektors und Kaufmännischen Direktors ist gerade im Rückblick auf die vergangenen Jahre völlig unverständlich. Mehrfach hat die Belegschaft und ihre Vertretung der Geschäftsführung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten geholfen, den ORF-Dampfer, wenn man das Unternehmen so sehen will, manövrierfähig zu halten." Nachsatz: "Das hat verstärkte Arbeitsbelastungen und auch schmerzhafte Einsparungen beim Personal bedeutet."

Scharfe Ansagen

"Als 'Dank' dafür schalten Wrabetz und Grasl, also die inoffizielle Doppelgeschäftsführung, in besseren Zeiten auf stur und meinen allen Ernstes, dass (EU-)Rechtssprüche Verhandlungssache unter Kostengesichtspunkten statt umzusetzende Norm sind", heißt es weiter. "Das ist - höflich formuliert - ein kurzsichtiges Verhalten und verstärkt den Eindruck, dass diese 'Doppelgeschäftsführung' das Personal nicht als 'kreatives Potenzial' oder 'Humankapital' versteht , wie es sonst so schön im Managementjargon heißt, sondern zunehmend als Selbstbedienungsladen zur Image- und Gewinnsteigerung." Darüber könnten noch so viele "weihnachtliche Jubel- und Dankesschreiben nicht mehr hinwegtäuschen".

Sozialpartnerschaftliche Praxis gefährdet

Die inoffizielle ORF-Doppelgeschäftsführung habe mit ihrem Verhalten "mutwillig eine jahrzehntelang im ORF geübte und gelebte sozialpartnerschaftliche Praxis ernsthaft gefährdet". Von einem Bruch wollen ZB-Chef Gerhard Moser und sein Vize Gerhard Berti noch nicht sprechen. "Auf die geänderten Bedingungen aber haben wir uns eingestellt", erklären der Vorsitzende des ZB und sein Stellvertreter.

Wie geht es weiter?

Bezogen auf die Frage der Vordienstzeitenanrechnung ist jetzt die Entscheidung des Obersten Gerichtshof (OGH) abzuwarten. Sobald diese erfolgt ist, wird der Zentralbetriebsrat umfassend informieren, was die OGH-Entscheidung für die einzelnen ORF-Mitarbeiter bedeutet, und wie die Betroffenen zu ihren Rechten kommen können.

Stellungnahme des ORF

„Der ORF bedauert den Schritt des Zentralbetriebsrats“, lässt die ORF-Chefetage via APA ausrichten. Der Betriebsrat habe sämtliche Lösungsvorschläge abgelehnt. Die Vorwürfe seien absurd. Der ORF sehe der OGH-Entscheidung mit Interesse und gelassen entgegen.

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