Von Singapur aus Asien erobern

Enorme Immobilienpreise hinter der Glitzerfassade: Doch niedrige Steuern und ein idealer Platz für internationale Geschäfte locken Firmen aus aller Welt an.
Österreichische Unternehmer auf der Suche nach Geschäftspartnern und Investoren.

Du triffst hier Leute, die du nirgendwo sonst triffst", schwärmt Erich Erber im Gespräch mit dem KURIER. Er ist Gründer und 51-Prozent-Eigentümer der Tiernahrungsfirma Erber Group. Das Unternehmen mit Firmenstandort Österreich ist Weltmarktführer in seiner Sparte. Erbers persönlicher Lebensmittelpunkt ist Singapur, wo er seine Dividende – deutlich günstiger als in Österreich – versteuert. Bis zu 600.000 Euro im Jahr erspare er sich als Staatsbürger Singapurs gegenüber Österreich schätzungsweise, erzählt er freimütig.

Rasant gewachsen

Singapur gilt als Tor zu Asien, ein perfekter Platz für Geschäfte. Zahlreiche Österreicher tummeln sich in dem kleinen asiatischen Stadtstaat, laut Eigenmarketing "the world’s easiest place to do business". Tatsächlich haben mehr als 10.000 europäische (86 österreichische) Firmen Niederlassungen in Singapur, das erst vor genau 50 Jahren als eigener Staat gegründet wurde. Er ist rasend schnell und strategisch geplant gewachsen. Die Immobilienpreise gelten mittlerweile als die höchsten der Welt, doch die Steuern sind im Vergleich zu Österreich lächerlich niedrig (der Spitzensteuersatz beträgt 22 Prozent – aber erst für astronomische Einkommen).

Große internationale Firmen werden mit Steuerfreiheit in den ersten Jahren angelockt. Sicherheit wird groß geschrieben, Korruption ist kein Thema, es gibt wenig Handelshemmnisse. Schattenseiten des Wirtschaftswunders: fehlende Meinungs- und Pressefreiheit, bei Drogendelikten droht die Todesstrafe.

Stammzellenforschung

Die Wiener Wirtschaftskammer ist derzeit auf "Zukunftsreise" in Singapur mit Firmen aus dem Bereich Biotechnologie, Pharma und Medizintechnik (Life Sciences). Schließlich spielen heimische Unternehmen – etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen – in der obersten Liga mit. Allerdings mit Einschränkungen: So ist zum Beispiel der Biologe Walter Günzburg, nach wie vor (Teilzeit-)Professor an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien, vor rund zehn Jahren mit seinem Labor nach Singapur ausgewandert, weil man der Stammzellenforschung in Österreich skeptisch gegenüber steht. Er hat ein Mittel zur Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt und lässt es (wegen der billigeren Produktionskosten) in Thailand herstellen.

In Singapur fand er Investoren, doch der Weg war trotzdem hart. Die ersten Investoren sprangen ab, ließen die Firma in Konkurs gehen. Mühsam kämpfte er sich zurück und hofft nun, von einem Pharmariesen gekauft zu werden. Ein Business aufbauen sei hier leicht, bestätigt auch er.

Hier lebt eine internationale Gemeinschaft, jeder spricht Englisch, man schafft sich schneller ein Netzwerk als etwa in China: Diese Erfahrung hat auch Christoph Langwallner gemacht, ein Salzburger, der gerade versucht, ein Mittel zur Haut-Aufhellung auf den asiatischen Markt zu bringen. Die Nachfrage danach müsste enorm sein, sagt die Meinungsforschung. Schon davor hat Langwallner erfolgreich eine Firma in Indien aufgebaut und verkauft. Das Geld investierte er in seine Neugründung in Singapur und arbeitet dabei mit einer der beiden hiesigen Unis zusammen.

Forscher angeworben

Auch das ist Singapur: In wirtschaftsnahe Forschung wird gezielt investiert, ausländische Spitzenforscher angeworben. Schon in den Volksschulen sucht man nach Talenten. Den Besten wird ein Studium an einer internationalen Elite-Uni finanziert. Im Gegenzug müssen sich die Auserwählten verpflichten, einige Jahre für den Staat zu arbeiten. Die eigenen Universitäten zählen selbst mittlerweile zu den besten der Welt.

Mit welcher Forschung könnte Österreich in Singapur reüssieren? Zum Beispiel mit Quantenphysik, Innovationen am Lebensmittelsektor, Oberflächentechnik und Internet-Sicherheit, meint Henrietta Egerth-Stadlhuber zum KURIER: Die Chefin der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, ist für sechs Monate nach Singapur gegangen, um das Feld vor Ort zu "beackern" und reiste von hier aus auch in andere asiatische Länder, um den Bedarf nach heimischem Know-how zu eruieren.

Dass sie daheim dafür kritisiert wurde, versteht der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Singapur, Volker Ammann, überhaupt nicht: In Asien seien persönliche Kontakte alles, "es zahlt sich aus, eine Spezialistin für Forschung zu schicken".

Würstelstand

Und dann gibt es auch noch eine österreichische "Institution" in Singapur: Erich Sollböck, Betreiber eines Würstelstands mit Leberkäse und heimischem Bier in Chinatown, ist seit 18 Jahren da. Der gelernte Koch steht sieben Tage die Woche hinter seiner Theke und freut sich über österreichische Besucher. "Wenn in Singapur jemand zu faul ist zu arbeiten, dann wird er selbstständig", erzählt er breit grinsend. Für ihn ist das multikulturelle Singapur die "Weiterentwicklung des Vielvölkerstaats Österreichs". In Wien dürfte er aber schon länger nicht mehr gewesen sein, denn als "mayors choice" (des Bürgermeisters Wahl) verkauft er eine Leberkässemmel mit einem Stiegl-Bier. "Spritzwein" ist nicht angeschrieben.

Von Singapur aus Asien erobern
Singapur: Die Löwenstadt

Der Name „Singapur“ stammt aus dem Sanskrit und bedeutet übersetzt „Löwenstadt“. Singapur liegt südlich der malaysischen Halbinsel, die Stadt Singapur nimmt den Hauptteil des Inselstaates ein. Am 9. August wird die Republik Singapur ihre 50-jährige Unabhängigkeit von Malaysia feiern. Singapur wird zu jenen Volkswirtschaften gezählt, die am meisten dereguliert und privatisiert sind. Innerhalb weniger Jahrzehnte schaffte es der Tigerstaat, sich von einem Schwellenland zu einem Industrie- und Dienstleistungsstaat zu entwickeln. Laut dem Institut Economist Intelligence Unit war Singapur im Vorjahr die teuerste Stadt der Welt. Den knapp 5,4 Millionen Einwohnern steht eine Fläche von rund 712 zur Verfügung – nicht einmal ein Zehntel der Fläche Österreichs.

Was Wien von Singapur lernen könnte? „In der Stadtplanung sehr viel“, findet der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck. Singapur plant das Wachstum strategisch, achtet bei Projekten darauf, dass Wohnen und Arbeiten nicht in voneinander getrennte Viertel zerfällt.

Auch in Sachen Wirtschaftsfreundlichkeit und Talenteförderung könne man sich „einiges abschauen“– natürlich nur in Maßen. Denn in asiatischen Ländern werde Gemeinwohl immer über die Individualität gestellt, gibt Ruck im KURIER-Gespräch zu bedenken. Dass man in Singapur innerhalb eines Tages eine Firma gründen kann, beeindruckt ihn weniger: „Hier sind wir in Wien auch nicht die Schlechtesten.“

Die Wirtschaftskammer legt angesichts schrumpfender Märkte in Osteuropa größeres Augenmerk auf den asiatischen Raum. Der Exportanteil heimischer Firmen nach Asien beträgt zehn Prozent, er soll auf mindestens 15 gesteigert werden.

Gute Chancen hätten u. a. Pharmafirmen sowie „green building“ (umweltfreundliches Bauen), glaubt Bau-Unternehmer Ruck. Dämmungen zum Beispiel sind fast ein Fremdwort hier. Österreich habe einen guten Ruf in der Welt– doch die Bekanntheit nehme mit der Entfernung von Europa stark ab, dessen müsse man sich bewusst sein, meint der Kammerchef. Internationale Beachtung findet die heimische Lehrlingsausbildung – in China gibt es dazu Kooperationsprojekte.

Medizintechnik-Messe

Nach Singapur besucht Ruck gemeinsam mit Unternehmern noch Schanghai, um an einer österreichisch-chinesischen Konferenz und einer großen Medizintechnik-Messe teilzunehmen. Die chinesische Regierung setzt gerade einen Schwerpunkt in Biomedizin – das birgt Chancen für österreichische Firmen, auch wenn sich das stürmische chinesische Wachstum gerade abflacht.

Start-up-Förderung

Auch daheim in Wien warten genügend Aufgaben auf Ruck. Für den Wirtschaftsstandort Wien hat er sich „Tourismuszonen“ mit Sonntagsöffnung der Läden zum Ziel gesetzt. Außerdem sollten Firmen, die in Start-ups (junge Firmengründungen, oft „Ableger“ von Unis) investieren, Steuervorteile bekommen. Etliche solcher Wiener Start-ups, u. a. von der Medizinuni, nehmen an der Asien-Reise teil.

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