Von der Überholspur auf die Kriechspur gewechselt
Österreich habe sich einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde verdient, befand Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) einmal. Stolz konnte Österreich vorweisen, dass sich die Wirtschaftsleistung 13 Jahre in Folge besser schlug als der Durchschnitt der Eurozone. Es war einmal – die Zeit des märchenhaften Tempos ist vorbei. Im Vorjahr fiel Österreich unter den Durchschnitt zurück und wird auch heuer und nächstes Jahr hinterherzockeln. "Jetzt ist es sicher: Österreich wechselt von der Überholspur auf die Kriechspur", stellt Aiginger trocken fest.
Schneckentempo
Ein Plus von gerade einmal 0,5 Prozent sagt das WIFO der heimischen Wirtschaft im laufenden Jahr voraus. Mit 0,8 bzw. 0,9 Prozent sind die Forscher im Institut für Höhere Studien (IHS) und die Ökonomen der Bank Austria zwar eine Spur optimistischer. Trist ist die Lage dennoch. Denn das Wachstum ist viel zu mager, um den Arbeitsmarkt zu entlasten. Die Arbeitslosenraten werden auf neue Rekordwerte steigen (siehe Grafik). Schuld am Schneckentempo sei vor allem der Reformstau in Österreich, meinen die Wirtschaftsforscher. "Die Verkrustungen in Österreich zeigen sich auch an der hohen Inflation", kritisiert Aiginger. Statt Effizienzsteigerungen habe es Gebührenerhöhungen gegeben. Die Inflationsrate liegt um mindestens einen Prozentpunkt über der Teuerung in der Eurozone. Die Konsequenz: Selbst bei guten Lohnabschlüssen wird es heuer bereits das sechste Jahr in Folge keine Reallohnsteigerung geben. Das dämpft den privaten Konsum.
Ganz anders steht Deutschland, früher der kranke Mann Europas, da. Dort ist die Konjunktur, getrieben durch Konsum und Bauwirtschaft, mitten im Frühlingserwachen. Auf 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum dürften die Deutschen heuer und nächstes Jahr jeweils kommen.
Steigende Löhne
"Deutschland hat investiert, hat wirklich Reformen durchgeführt", so Helmut Hofer vom IHS. Manche Reformen, die bereits unter Kanzler Schröder in Gang gesetzt worden waren, zeigten zwar erst spät Wirkung. Aber jetzt kann sich Deutschland höhere Lohnsteigerungen gönnen. Angesichts der winzigen Inflation in Deutschland profitieren die Arbeitnehmer davon auch wirklich – was am Konsum zu sehen ist. Und das Budget ist saniert.
Davon ist Österreich noch weit entfernt. "Wir haben ein Budgetproblem", stellen Aiginger und Hofer unisono fest. Ein Nulldefizit ist vorläufig nicht in Sicht. Nach einem Budgetdefizit von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr werde das Defizit nächstes Jahr 1,9 Prozent ausmachen, lautet die WIFO-Prognose. Die Steuerreform ist in sämtliche Vorhersagen noch nicht eingerechnet.
Offen ist, ob die Steuerreform die Konsumausgaben derart ankurbeln können, dass die heimische Wirtschaft auch wirklich etwas davon spüren wird. "Es ist nicht klar, ob ein Teil der Steuerersparnis in Sparprodukte geht oder vielleicht auch zum Schuldenabbau verwendet wird", meint IHS-Wirtschaftsforscher Hofer. Es sei auch gut möglich, dass die Verbraucher mehr Geld in den Konsum im Ausland stecken.
Kommentare