Weltmarktführer mal vier

Bleche und Komponenten für die Autoindustrie sind heute ein Kerngeschäft.
Der Linzer Konzern voestalpine ist in seinen Nischen der Konkurrenz weit voraus.

Stahl ist nach wie vor die Basis der voestalpine. Der von Linz aus gesteuerte Konzern produziert zwar nach wie vor rund sechs Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr, allerdings macht das reine Stahlgeschäft mit 31 Prozent nur noch ein knappes Drittel des Umsatzes von derzeit fast zwölf Milliarden Euro aus, wird voestalpine-Chef Wolfgang Eder nicht müde zu betonen. Die im Jahr 2005 vollständig privatisierte Gruppe versteht sich daher eher als Verarbeitungs- und Technologiekonzern, denn als simpler Stahlhersteller.

Technologie

Weltmarktführer mal vier
Aus diesem Grund – und auch vor dem Hintergrund der EU-Umweltpolitik, die für energieintensive Industriebranchen die Kosten für den CO2-Ausstoß erhöht – baut die voestalpine ihre Stahlkapazitäten vorerst nicht aus. Ein zusätzliches Stahlwerk am Schwarzen Meer wurde nach eineinhalbjähriger Planung im Vorjahr endgültig abgesagt.

In Richtung Verarbeitung und Technologie soll es auch weiter gehen: Bis 2020 will der Konzern den Umsatz auf 20 Milliarden Euro steigern, der Stahlanteil soll aber auf maximal ein Viertel sinken. Derzeit setzt die Stahldivision – mit der die voestalpine ein weltweit führender Anbieter von Grobblech vor allem für den Pipelinebau ist – knapp vier Milliarden Euro jährlich um. Baustahl, der stark Konjunkturschwankungen unterliegt, soll von derzeit neun Prozent Anteil am Umsatz weiter zurückgehen.

Mobilität

Weltmarktführer mal vier
Ausgebaut wird im Gegenzug vor allem der Bereich Mobilität. Die voestalpine zählt in der Bahntechniksparte zu den führenden internationalen Anbietern. Sie ist Weltmarktführer bei Eisenbahnweichen, bei Schienen ist sie einer der weltweit führenden Hersteller, bei Spezialschienen auch Weltmarktführer. Insgesamt macht der Bahnbereich 13 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Mit der Automobil- und der Luftfahrtindustrie steuert der Bereich Mobility bereits 44 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Ebenfalls deutlich zulegen soll der Bereich Energie, zur Zeit gut ein Sechstel des Umsatzes. Die Anwendungen reichen von Öl- und Gaspipelines – für die das Blech aus der voestalpine und die Schweißtechnik von der Edelstahltochter Böhler-Uddeholm kommen – bis zu Komponenten für herkömmliche Kraftwerke und für Windkraftanlagen.

Böhler-Uddeholm beschert der voestalpine ebenfalls eine Position an der Spitze des Weltmarktes. Der 2007/’08 gekaufte österreichische Edelstahlkonzern ist globaler Marktführer bei Werkzeugstahl und hat eine weltweit führende Position bei Schnellarbeitsstahl und Spezialschmiedeteilen. Dazu zählen unter anderem Schaufeln für Generatoren bzw. Komponenten für Flugzeug-Triebwerke und Hubschrauber-Rotoren.

Ausbau im Ausland

Weltmarktführer mal vier
Austrian steel company voestalpine CEO Wolfgang Eder reacts during an interview with Reuters in Vienna January 29, 2010. REUTERS/Herwig Prammer (AUSTRIA - Tags: BUSINESS HEADSHOT)
Der Wechsel vom arbeitsplatz-sichernden Staatskonzern zu einem weltweit führenden Verarbeitungskonzern auf Stahlbasis hat allerdings auch seinen Preis. Durch die Abwanderung der Kundenbranchen wie Automobil- bzw Haushaltsgeräteindustrie nach Osteuropa und Asien wandern auch die Investitionen in diese Regionen ab. Im Klartext: Die voestalpine, die in den vergangenen Jahren mehr als zwei Milliarden Euro allein am Standort Linz investiert hat, trägt ihr Geld zunehmend nach Übersee. In China will Konzern-Chef Eder bis 2020 rund 15 neue Werke vor allem in der Bahntechnik und für die Automobilindustrie aufbauen. Das Investitionsvolumen beträgt knapp eine halbe Milliarde Euro. Kleiner Trost für die Standorte Linz und Donawitz: Stahlerzeugungs- und Walzwerkkapazitäten sollen nicht außerhalb Österreichs aufgebaut werden.

Neben der Globalisierung, die die Zulieferer zwingt, den Kunden in ihre Produktionsländer zu folgen, beschleunigt nach Ansicht Eders die EU-Energiepolitik das Abwandern zukünftiger Investitionen aus Österreich und auch aus Europa. Wegen der extrem niedrigen Gaspreise durch die Förderung von Schiefergas etwa baut die voestalpine ihre erste Eisenschwamm-Fabrik um 550 Millionen Euro im US-Bundesstaat Texas.

Ziel: Eine Milliarde Euro mehr pro Jahr
20 Milliarden: Der Stahl- und Technologieriese setzt derzeit rund 11,5 Milliarden Euro um. Bis 2020 soll der Umsatz – Firmenkäufe eingeschlossen – auf 20 Milliarden Euro steigen. Der Konzern beschäftigt derzeit 46.300 Mitarbeiter weltweit.
Wachstum in Asien
: Asien ist – neben Nordamerika – der Schwerpunkt für Investitionen. Bis 2020 soll sich der Asien-Umsatz verdreifachen, dafür sollen bis zu 30 neue Standorte – etwa im Weichenbereich– aufgebaut werden.

Die Geschichte der voestalpine beginnt als Standort Linz der Reichswerke AG „Hermann Göring“ . 1941 geht das Werk, in dem auch Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge eingesetzt werden, in Betrieb.

LD-Verfahren

Weltmarktführer mal vier
Linz, 13.05.1938: Generalfeldmarschall Göring hat heute vormittag den ersten Spatenstich zu den in Linz geplanten Bauten der Reichswerke Hermann Göring getan. Feldmarschall Göring begibt sich in den Bagger, wo er den Hebel in Bewegung setzte. Bundesarchiv_Bild_183-H06156,_Linz,_Reichswerke_"Hermann_Göring",_Spatenstich.jpg laut wikimediacommons: Das Deutsche Bundesarchiv hat dieses Bild zur Verfügung gestellt an WikiMediaCommons im Rahmen eines Projektes. Göring, Hermann: Reichsmarschall, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Ministerpräsident von Preußen, Deutschland
Nach dem Krieg schreibt die VÖEST Geschichte: 1952 schaffen die Stahlkocher den Durchbruch beim so genannten LD-Verfahren (Linz-Donawitz) zur Stahl-Herstellung aus Roheisen und Schrott. Nach diesem Verfahren, bei dem durch das Einblasen von Sauerstoff in den Schmelztiegel der Kohlenstoffanteil reduziert wird, werden heute rund zwei Drittel des Stahls weltweit hergestellt.

Anfang der 1970er-Jahre werden die Linzer VÖST und die Alpine in Donawitz zur VÖEST-Alpine AG fusioniert. In der nachfolgenden Wirtschaftskrise kommt der Konzern wie viele europäische Stahlhersteller massiv unter Druck, braucht Milliarden-Zuschüsse (damals in Schilling) vom Staat und baut massiv Personal ab. Dennoch ist die voestalpine 1985 praktisch pleite.

Nach der Fast-Pleite wird der Konzern neu ausgerichtet, 1995 wird ein Drittel über die Börse verkauft. 2005 erfolgt die Vollprivatisierung, 2007/’08 übernimmt die voestalpine den ebenfalls voll privatisierten Edelstahlkonzern Böhler-Uddeholm.

Kommentare