Versicherungen wollen verpflichtende Katastrophendeckung, Politik blockt ab
Andrea Hodoschek
21.09.24, 05:00Bei jedem großen Hochwasser poppt die Debatte für einige Wochen auf, um danach sanft zu entschlafen. So auch jetzt wieder. Schäden an Haus und Hof werden in Österreich nur marginal ersetzt. Geld gibt es vom Katastrophenfonds (siehe unten) und allenfalls aus einer privaten Versicherung.
Doch die Versicherungen bieten nur kleinere Pauschalsummen an, meist 5.000 bis 10.000 Euro. Alte Polizzen, die längst nicht mehr verkauft werden und heute selten sind, decken noch bis zu 50 Prozent des Schadens.
Das Problem ist, dass sich meist nur Anrainer in gefährdeten Zonen solche teuren Prämien leisten wollen. Denn die Versichertengemeinschaft ist nicht groß und kann daher finanziell keine enormen Katastrophenschäden stemmen. Wer in Wien im 7. Stock wohnt, ist kaum bereit, mit seiner Prämie für ein Hochwasser im Kamptal mitzuzahlen.
„Nur eine gemeinschaftliche solidarische Lösung kann die Versicherung von Elementarereignissen ermöglichen. Es muss sichergestellt werden, dass es geeignete rechtliche Vorschriften gibt, die eine entsprechend große Risikostreuung für die Versicherer ermöglichen“, appelliert Rémi Vrignau, Chef des Versicherungsverbandes und CEO der Allianz Österreich, an die heimische Politik. Nur dann könnten Versicherungsprodukte gegen Naturgefahren „zu einem für die Kunden leistbaren und verträglichen Preis angeboten werden“.
Um die Auswirkungen von Naturkatastrophen besser abfedern zu können, ortet Ralph Müller, General der Wiener Städtischen, „großen Handlungsbedarf“. Neben einem Bündel an Maßnahmen sei auch eine Anpassung des Versicherungsschutzes, „etwa durch eine freiwillige Höherversicherung gegen Naturgefahren notwendig“. Am Ende „auch die Diskussion über eine solidarische Versicherungslösung von Versicherungswirtschaft und öffentlicher Hand gegen Unwetterschäden“. Die Branche sei in den letzten Jahren oft mit Vorschlägen an die Politik herangetreten. Bereits nach dem Jahrhundert-Hochwasser 2002 wurde ein „Katastrophen-Pool“ von Versicherungen und öffentlicher Hand überlegt.
Ab zwei Euro monatlich
In Europa gibt es funktionierende Modelle. Österreichs Versicherungen präferieren Belgien, wo bei Feuerversicherungen die Deckung von Naturkatastrophen verpflichtender Bestandteil ist. In Österreich würde eine solche Zusatzdeckung bei zwei Euro im Monat beginnen, schätzt die Branche.
Eine Pflichtversicherung ist freilich politisch heikel. Die ÖVP setzt auf Freiwilligkeit. FPÖ, SPÖ und Neos sind ebenfalls dagegen, alle argumentieren mit Kostenerhöhungen. Die Grünen prüfen einen Solidartopf, in den alle Immobilieneigentümer einzahlen sollten.
„Katastrophenfonds ist klar reformbedürftig“
Die Putenbäuerin Petra Henschl-Winkler hat das Pech, mit ihrem Familienbetrieb in der Oststeiermark angesiedelt zu sein. Sie sei nach dem Hochwasser im Juni, in dem mehrere Tausend Tiere ertranken, vom Katastrophenfonds mit nur 30 Prozent des Schadens „abgespeist worden“. Wäre der Betrieb einen Kilometer weiter im Burgenland, „hätten wir hundert Prozent erhalten“, klagte die Landwirtin in „Im Zentrum“.
Der Föderalismus regiert bis in den 1966 gegründeten Fonds. Entsprechend unterschiedlich wird ausgezahlt. „Es kann nicht sein, dass Betroffene in manchen Bundesländern nur einen relativ geringen Anteil des Schadens ersetzt bekommen“, meint man bei der SPÖ. So erhalten Geschädigte in Niederösterreich nur bis zu 20 Prozent, im Härtefall bis zu 50 Prozent. In Salzburg gibt es 30 Prozent. Das Burgenland erließ im Sommer eine Sonderrichtlinie und deckt seitdem 100 Prozent ab.
Betroffene, die sich privat versichert haben und Hilfe vom Katastrophenfonds beantragt haben, erleben oft noch eine böse Überraschung. Die staatliche Hilfe wird um die Versicherungsleistung reduziert. Die Branche sehe „die Gegenrechnung zwischen Katastrophenfonds und privater Versicherungsleistung kritisch. Wer privat vorsorgt, soll auch einen Nutzen davon haben“, sagt Christian Eltner, Generalsekretär des Versicherungsverbandes.
Einen Rechtsanspruch auf die Auszahlung der Hilfsgelder haben die Bürger nicht. Die FPÖ beantragte diesen jetzt im Nationalrat, nur die SPÖ stimmte zu.
Rückfluss ins Budget
„Für die Betroffenen ist es nur schwer nachvollziehbar, dass die Nachbargemeinde völlig andere Richtlinien haben kann“, halten die Neos den Fonds „für klar reformbedürftig“. Was auch Experten fordern, der KURIER berichtete. Allein in den letzten Jahren seien Hunderte Millionen Euro zurück ins Budget geflossen, anstatt investiert zu werden. Für die ÖVP steht die Funktionalität des Fonds im Vordergrund, es müsse möglichst schnell geholfen werden. Das könne auch in einer föderalen Struktur erfolgen.
andrea.hodoschek@kurier.at
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