Streit um gerechtes Stück vom Kuchen

Ansprüche auf die staatliche Pension zählen zum Wohlstand, sagt IHS-Chef Keuschnigg.

Reicher als reich, könnte man sagen. Auf nur zehn Prozent der Bevölkerung entfallen 31 Prozent der Einkommen. Und auf ebenfalls nur zehn Prozent konzentriert sich die Hälfte der Finanz- und Sachvermögen. Angesichts dieser Zahlen und der jüngsten Studie der Europäischen Zentralbank (siehe unten) wurden die Rufe nach neuen Vermögenssteuern wieder viel lauter. Österreich zähle zu jenen Ländern, in denen Vermögen am ungerechtesten verteilt ist, heißt es. Die Stücke vom Kuchen sollten dringend gerechter aufgeteilt werden.

Man könnte die Wohlstandsverteilung in Österreich allerdings auch aus einer anderen Warte betrachten, meint Christian Keuschnigg, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) und Professor an der Uni von St. Gallen. Wohlstand bestehe nicht nur aus Finanz- oder Immobilienvermögen. Eigentlich müsste man die Ansprüche an die Pensionsversicherung, an die Arbeitslosen-, Kranken- und Unfallversicherung dazuzählen. Keuschnigg bezeichnet diese Ansprüche als „Beitragsvermögen“. Das eingerechnet würde zeigen, dass der Wohlstand in Österreich gar nicht so ungerecht verteilt ist wie allgemein angenommen.

„Sie leben ja am Mond“, bekam Keuschnigg bei einer Veranstaltung des Renner-Instituts von wütenden Pensionisten zu hören. „Ich war keinen Tag arbeitslos und hatte auch keinen Betriebsunfall, wo ist denn jetzt mein Vermögen?“, so ein zorniger Senior. Der Ökonom ließ sich nicht aus der Fassung bringen: „Der Sozialstaat ersetzt privates Sparen.“ Durch die Pensionsversicherung beispielsweise müsse weniger privat fürs Alter vorgesorgt werden als in anderen Ländern, in denen das Sozialsystem weniger ausgeprägt ist.

Nicht zu versilbern

„Der Sozialstaat ist das Vermögen des kleinen Mannes“, sagt SP-Budgetsprecher Jan Krainer zwar dazu. Sein großes Aber: „Sozialansprüche kann ich ja nicht verkaufen.“ WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller weiß, dass ein deutsches Forschungsinstitut auch die sogenannten Anwartschaften (auf z. B. die Pension) unter die Lupe genommen und zum Gesamtvermögen dazugezählt hat. Das Ergebnis: „Das Ungleichgewicht ist kleiner, aber immer noch da.“

Zu beziffern, wie schwer bei Arbeitslosen- oder Krankenversicherung die Leistungsansprüche wirklich wiegen, ist nahezu unmöglich. Zu unterschiedlich sind die Lebenswege und Betroffenheiten. Schon viel besser in Zahlen zu gießen sind Pensionsansprüche. Ein Beispiel des IHS dazu: Wer mit 65 – nach 45 Beitragsjahren – in Pension geht, hat ein Beitragsvermögen von 591.820 Euro zusammengebracht. Bei hoher Bruttoersatzrate und beispielsweise 25 Jahren Pensionsbezug bekommt man viel mehr als sein Beitragsvermögen ausgezahlt. Mit den individuellen Pensionskonten wird das viel leichter nachzuvollziehen sein.

Das mittlere Vermögen heimischer Haushalte macht etwa 76.000 Euro aus, besagt eine Studie der Europäischen Zentralbank (EZB). In den Eurokrisen-Ländern sind die Haushalte deutlich vermögender. In Griechenland kommen sie auf einen Mittelwert von 101.900 Euro, in Zypern von 266.900 Euro. Auf diese Werte ist die EZB durch Haushaltsbefragungen gekommen. Da kann einer schon mal ein Sparbuch vergessen oder Vermögen im Ausland verschwiegen haben. Tatsache ist, dass die Österreicher – ähnlich wie die Deutschen – über viel weniger Immobilien-Eigentum verfügen. Die Hälfte der Haushalte wohnen zur Miete, während der Mieter-Anteil in anderen Ländern viel tiefer liegt. Dazu kommt, dass die Haushalte in südlichen Ländern mehr Personen und damit mehr Vermögen aufweisen. Vor allem aber: Hoch entwickelte Sozialsysteme wie in Österreich kosten Geld, ersetzen aber auch privates Sparen.

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