Verkehrte Welt: Japan kämpft für mehr Inflation

Japans Notenbank dreht Geldhahn bis zum Anschlag auf. Experten warnen vor einem "bedenklichen Übergriff".

Regierung und Notenbank in Tokio wollen den stotternden japanischen Wachstumsmotor mit einer wahren Geldschwemme wieder auf Touren bringen: In einer gemeinsamen Erklärung kündigten sie am Dienstag an, dass die Bank von Japan im Kampf gegen Deflation und Konjunkturflaute ab dem kommenden Jahr unbegrenzt Anleihen ankauft. Marktteilnehmer hatten eigentlich eine schrittweise Ausweitung des Anleihenkaufprogramms erwartet. Zugleich verdoppelte die Notenbank ihr Inflationsziel auf zwei Prozent. Ministerpräsident Shinzo Abe kündigte einen "Paradigmenwechsel" in der makroökonomischen Strategie an. Es bestehe aber kein Grund, das Notenbankgesetz zu ändern, um die Kontrolle der Regierung über die Zentralbank zu stärken.

Noch nicht genug?

Die Entscheidung der Notenbank stellt einen Bruch mit der bisherigen Strategie dar, die Käufe schrittweise auszuweiten. "Das sind sehr gute Nachrichten", sagte Brian Redican von Macquarie in Sydney. "Auf einmal hat die Bank von Japan aggressiver gehandelt, als es vom Markt erwartet worden war." Der Yen fiel unmittelbar nach der Entscheidung, erholte sich dann jedoch wieder. Auch der 225 Werte umfassende Nikkei-Index konnte seine Gewinne nicht halten. Mehrere Analysten wiesen darauf hin, dass die Notenbank mehr hätte tun können. Zudem dürften Politiker, Volkswirte und einige Notenbankmitglieder den Druck weiter aufrecht erhalten, den Geldhahn noch weiter aufzudrehen.

Ein solcher Schritt könnte sein, Anleihen mit längerer Laufzeit zu kaufen. Zudem könnte der Zinssatz von 0,1 Prozent für kurzfristiges Notenbankgeld gestrichen werden. "Es gibt immer noch eine Menge Arbeit, und immer noch Platz für Verbesserungen", sagte Tadashi Matsukawa von Pinebridge Investments in Tokio. International stößt die enge Verbundenheit von Notenbank und Regierung in Japan jedoch auf Kritik. So hatte sich etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wiederholt kritisch dazu geäußert. "Mir macht ziemlich viel Sorge, was die neue Politik der neu gewählten Regierung (in Japan) ist", sagte er.

Hartnäckige Deflation

Vor allem die hartnäckige Deflation ist ein massives Problem für die japanische Wirtschaft. Seit Ende der 1990er Jahre sind die Verbraucherpreise nur in wenigen Monaten stärker als zwei Prozent gestiegen (siehe Statistik hier). Häufiger waren dagegen fallende Preise. Diese sind gefährlich, weil sich die Verbraucher in der Hoffnung auf noch günstigere Angebote mit Einkäufen zurückhalten und so eine Abwärtsspirale in Gang kommt. Eine schnelle Besserung ist auch nach Einschätzung der Notenbank nicht in Sicht: Für das Haushaltsjahr, das im März 2015 endet, rechnet sie mit einer Teuerungsrate von nur 0,9 Prozent. "Wann werden sie also ihr Inflationsziel erreichen?", sagte Joseph Capurso von der Commonwealth Bank of Australia.

Ministerpräsident Abe, der mit seiner Liberaldemokratischen Partei bei der Wahl Mitte Dezember einen klaren Sieg errungen hatte, versprach massive Konjunkturstützen und schickte damit den Yen auf Talfahrt. Zugleich erhöhte er den Druck auf die Notenbank, das Ziel für die Inflation anzuheben und ihr Mandat auch auf die Förderung des Arbeitsmarktes auszudehnen. Abe ist auf die Hilfe der Notenbank angewiesen, um die Konjunkturflaute zu überwinden, weil die Regierung angesichts einer Staatsverschuldung von etwa 235 Prozent der Wirtschaftsleistung kaum noch Spielraum für weitere Konjunkturpakete hat.

Sorgen in Deutschland

Nach Einschätzung von Experten reichen jedoch kurzfristige Konjunkturstützen nicht aus. Die Regierung müsse vielmehr auch die politisch schwerer umzusetzenden Strukturreformen angehen, um dem Land neue Wachstumskräfte einzuhauchen, wie etwa eine Deregulierung der stark reglementierten Landwirtschaft. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das Vorgehen Japans daher scharf kritisiert. "Mir macht ziemlich viel Sorge, was die neue Politik der neu gewählten japanischen Regierung ist", sagte Schäuble am Donnerstag im Bundestag. Es gebe ein Übermaß an Liquidität an den globalen Finanzmärkten. Dies werde durch falsches Verständnis von Notenbank-Politik weiter geschürt.

Auch der Chef der deutschen Bundesbank übt scharfe Kritik an der Maßnahme Japans: Die Einmischung der japanischen Regierung in die Angelegenheiten der Notenbank sei beispielhaft für "bedenkliche Übergriffe", sagte Jens Weidmann.

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