Verkehrsbüro-Chef nach Thomas-Cook-Pleite: "Markt wird sich neu aufstellen"
Nach der Pleite von Thomas Cook sind Branchenvertreter wie Kunden in Aufruhr. In Deutschland sind die Zahlungen an gestrandete Urlauber mit 110 Millionen Euro gedeckelt. Ob das reichen wird, ist fraglich.
KURIER: Der ReiseVerband betont, dass „kein einziger österreichischer Pauschalurlauber“ von der Thomas Cook Pleite einen finanziellen Schaden davontragen wird. Unterschreiben Sie das?
Martin Winkler: Ja. Selbst wenn die Insolvenzversicherung nicht ausreichen würde, gibt es darüber hinaus eine Staatshaftung.
Der Steuerzahler zahlt für Pauschaltouristen?
Theoretisch, sollte die Allianz Versicherung als Versicherer ausfallen. Davon ist jedoch aus unserer Sicht nicht auszugehen.
Ihre Ruefa-Reisebüros haben Kunden in den ersten Tagen nach der Thomas-Cook-Pleite geraten, zum Flughafen zu fahren, auch wenn unsicher ist, ob die Reise stattfindet. Ist das nicht eine Zumutung?
Nach der Pleite des britischen Mutterkonzerns waren die Auswirkungen zunächst nicht abschätzbar. Wer in dieser Situation keine Reisebereitschaft zeigt, verliert sämtliche Ansprüche.
Sind viele umsonst zum Flughafen gefahren? Nicht wirklich sehr viele, aber bedauerlicherweise doch einige Kunden. Es wollten aber so gut wie alle wirklich wie geplant verreisen.
Wie viele Kunden Ihrer Ruefa-Reisebüros waren von der Pleite betroffen?
Rund 500 in der ersten Woche. Wir haben sie alle telefonisch kontaktiert.
Klingt nach ziemlich vielen Überstunden ...
... ist aber relativ, wir haben schließlich 500 Mitarbeiter in den Reisebüros. In den nächsten drei Wochen sind weitere 1000 Kunden betroffen, die wir gerade kontaktieren, bis Jahresende sind es 2800 Passagiere.
Was kostet dem Verkehrsbüro die Thomas Cook Pleite?
Das kann man seriös noch nicht abschätzen. Der Großteil des Schadens ist aber durch die Pauschalreiserichtlinie abgedeckt.
Waren auch Ihre Austria Trend Hotels betroffen?
Nur marginal. Wir haben 10.000 Betten in der Hotelgruppe und aktuell 20 Zimmer, die über Thomas Cook gebucht waren. Wir werden sie über andere Vertriebswege füllen.
Haben Sie Verständnis für Hoteliers, die bei den Kunden auf eine Bezahlung pochen, weil sie Angst haben, nach der Thomas-Cook-Pleite auf den Kosten sitzen zu bleiben?
Man muss schon sagen, dass es sich bei diesen Meldungen um Einzelfälle gehandelt hat. Ob ich es verstehe? Naja, hinter den Hotels stehen Existenzen und die Betroffenen waren vielleicht auch nicht alle immer am neuesten Informationsstand. Die Verunsicherung war sicher enorm. Ein einzelner Hotelier kann ja nie so ein Krisenmanagement haben wie ein Konzern.
Sie haben über die Incoming-Agentur Eurotours auch Verträge mit Thomas Cook abgeschlossen, etwa Bettenkontingente in Österreich oder Deutschland gekauft. Gab es da auch solche Szenen?
Es gab vielleicht eine Handvoll Hoteliers, die Geld von unseren Gästen kassieren wollten. Eurotours hat für die Aufenthalte der bereits vor Ort befindlichen Gäste trotz Insolvenzmeldung Übernachtungs- und Verpflegungskosten übernommen. Wir konnten das alles mit den Hotel-Partnern regeln.
Ist Thomas Cook symptomatisch für eine Branche, die Kunden an Portale verliert?
Nein, das ist ein Einzelfall. Die Tourismusbranche wächst weltweit, hat kein strukturelles Problem. Aber natürlich müssen wir uns als Veranstalter weiter entwickeln.
Will niemand mehr all-inclusive in einen Club fahren und dann Aqua-Gymnastik im Hotel-Pool machen?
Cluburlaube, also klassische Pauschalreisen, sind nicht tot, im Gegenteil. Die Zahl der Buchungen steigt, wohl auch aus Gründen der Sicherheit. Wie man jetzt, nach der Pleite von Thomas Cook sieht, sind Pauschalreisende durch die Pauschalreise-Richtlinie abgesichert.
Klingt wie eine Werbeeinschaltung für Ihre Reisen. Wird das Verkehrsbüro von der Thomas-Cook-Pleite profitieren?
Der Markt wird sich neu aufstellen, weil die Leute ja nicht weniger reisen. Natürlich bemühen wir uns, ehemalige Thomas Cook Kunden und Hotels zu bekommen.
Wo sind die Wachstumsfelder der Reisebüros?
Bei Rundreisen und Kreuzfahrten.
Sind Kreuzfahrten nicht eine Art schwimmender All-inclusive-Club?
Um eine Pauschalreise handelt es sich nur, wenn man Schiff und Flug im Reisebüro bucht. Wer den Flug auf eigene Faust bucht, dann verspätet landet und deshalb das Schiff versäumt, hat Pech gehabt. Darauf weisen wir die Kunden auch immer hin.
Und ein Schiff mit 1.000 Passagieren an Bord wartet auf einen verspäteten Pauschaltouristen?
Kommt auf die Verträge dahinter an. Es kann unter anderem sein, dass über das Reisebüro ein Charterflug mit 200 Kreuzfahrtpassagieren ab Wien organisiert wurde. Dann wird das Schiff vermutlich warten. Oder die Flug- und Schiffgesellschaft gehören zusammen. In jedem Fall hat das Reisebüro die Pflicht, den Passagier an Bord zu bringen, wenn vielleicht auch erst beim nächsten Hafen.
Davon abgesehen gibt es immer mehr Billigflieger und Leute, die privat eine Unterkunft buchen. Wie steuern Sie dagegen?
Ich sehe Billigairlines von zwei Seiten. Sie bringen auch viele Gäste nach Österreich, wovon wir bei Eurotours und den Austria Trend Hotels profitieren. Klar ist aber, dass die Airlines mit ihren Kampfpreisen nicht auf Dauer Geld verbrennen können. Irgendwann nimmt das Angebot wieder ab und die Preise steigen wieder. Solche Wellenbewegungen sind normal im Markt.
Konzern
Die Verkehrsbüro-Gruppe (Ruefa-Reisebüros, Austria-Trend-Hotels, Eurotours, Café Central) ist der größte Reisekonzern Österreichs. Im Vorjahr lag der Umsatz mit 615 Millionen Euro um 19 Prozent über dem Vorjahr. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen stieg um knapp zwölf Prozent auf 19,5 Millionen Euro. Die Gruppe beschäftigt knapp 3000 Mitarbeiter.
Karriere
Martin Winkler ist seit Oktober 2017 Vorstandssprecher der Verkehrsbüro-Group, bei der er seit 2001 tätig ist. Ab 2009 leitete er das Konzernmarketing, ab 2010 das Controlling, kurz darauf hat er das Finanzressort übernommen. Winkler, geboren 1981, hat Betriebswirtschaft studiert. Der gebürtige Wiener ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
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