"Vergleichbarkeit gibt es dann nicht mehr"

Zukunft am Strommarkt: individuelle Preismodelle, weniger Vergleichsmöglichkeit
Energie-AG-OÖ-Chef Steinecker über die Zukunft der Tarifgestaltung und Wasserstoff als Sprit-Ersatz.

Seit März 2017 führt Werner Steinecker die Energie AG Oberösterreich. Der gelernte Techniker erklärt im Gespräch mit dem KURIER, warum er im Wasserstoff die wichtigste Energiequelle der Zukunft sieht und warum Haushaltskunden die Strompreise bald nicht mehr vergleichen können.

KURIER: Herr Steinecker, die Energie AG verliert verglichen mit anderen Versorgern sehr viele Kunden an Billig-Energieanbieter. Bereitet Ihnen das große Sorgen? Werner Steinecker: Der Schmerz hält sich in Grenzen. In diesem Segment ist das Geschäft millimeter-knapp. Wir lassen diese Kunden ziehen, wenn wir an ihnen nichts mehr verdienen können.

"Vergleichbarkeit gibt es dann nicht mehr"
Generaldirektor Werner Steinecker Fotorechte: © Energie AG / Hermann Wakolbinger / honorarfreie Verwendung Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender KR Ing. DDr. Werner Steinecker MBA
Es wechseln aber auch viele Privathaushalte in Oberösterreich weg von der Energie AG ...

Wenn man in den Tarifrechner der E-Control schaut, sieht man: Wir sind bei den teuersten. Aber: Unter den gut 100 Anbietern, sind mindestens 50 Freibeuter. Wenn sich ihr Geschäftsmodell nicht mehr rechnet, gehen sie in Konkurs. Fälle wie kürzlich die Pleite von Care Energy wird es noch viele geben.

Wollen Sie einfach nur zuschauen, wie die Kundenzahl der Energie AG schwindet?

Nein. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir so viele Smart Meter bei unseren Kunden installiert haben wie kein anderer Energieversorger in Österreich. 350.000 unserer 650.000 Stromabnehmer haben schon diesen digitalen Zähler. Daher sind wir auch die ersten, die neue Tarifmodelle anbieten können. Die Kunden können sich damit Geld ersparen.

Was können die Kunden davon erwarten?

Unsere Experten arbeiten in einem Tariflabor gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität und anderen an der neuen Tarifwelt. An Blockchain (eine Art Softwareplattform, über die digital z.B. Strom gehandelt wird) zu denken, ist dabei das Mindeste. Derzeit gibt es 15 bis 20 Tarifmodelle. Später kann jeder Kunde ein auf seine Verbrauchsbedürfnisse angepasstes Strompreismodell bekommen. Da gibt es Tausende Möglichkeiten. Die Kunden geben per App ihre Lebensgewohnheiten bekannt. Daraus errechnen wir einen individuellen Tarif.

Wie kann der Kunde die Preise verschiedener Anbieter dann vergleichen?

Eine Vergleichbarkeit gibt es dann nicht mehr. Der Regulator muss sich andere Aufgaben überlegen. Er könnte Softwarelieferanten für die Home Automation vergleichen.

Und damit soll die Energie AG wieder attraktiver für die Kunden werden?

Ja. Wir arbeiten aber auch an neuen Geschäften mit Großkunden. Wir sind in Gesprächen mit dem Nutzfahrzeughersteller MAN in Steyr für die Betankung der Elektro-Lkw. MAN wird heuer 15 E-Lkw verkaufen, die regional zur Warenauslieferung an Supermärkte eingesetzt werden sollen. Wenn die Produktion in Serie geht, sollen 100 E-Lkw pro Jahr ausgeliefert werden.

Ist die Elektromobilität die große Chance für Stromversorger?

Für Lkw sollen eigene Strom-Zapfstellen bei unseren Umspannwerken einrichten. Dort ist Platz zum Parken und auch die notwendige Leistung verfügbar. Lkw brauchen 350 Kilowatt Ladeleistung. Die gibt es nicht aus der Steckdose. Und für Pkw bauen wir Schnellladestationen mit 55 kW Ladeleistung.

Haben wir genügend Strom, um den Verkehr auf E-Fahrzeuge umzustellen?

Prognosen sagen voraus, dass der für E-Autos benötigte Strom in rund vier Jahren lediglich ein Prozent des gesamten Strombedarfs ausmachen wird. Das ist also kein Problem.

Gehört E-Autos die Zukunft?

In den großen Metropolen ja. Um die Emissionen zu senken, wird man in viele Städte nur noch mit E-Autos gratis fahren können. Benziner oder Diesel müssen teure Plaketten kaufen. In München ist das schon so. Die wahre Zukunft des Verkehrs liegt aber im Wasserstoff.

Verkauft die Energie AG dann Wasserstoff?

Nein, aber Gas. Die Autos werden auch nicht Wasserstoff tanken sondern CNG, das ist komprimiertes Erdgas, das im Auto in Wasserstoff und Kohlenstoff getrennt wird. Und für die Autohersteller ist der Unterschied zwischen E-Fahrzeug und wasserstoffbetriebenen Autos klein. Es kommt nur anstatt der Batterie die Wasserstoff-Brennstoffzelle ins Auto.

Erdgas ist als fossiler Brennstoff politisch umstritten ...

Gas wird auch in den Haushalten eine große Renaissance erleben. Denn die Wasserstoffgewinnung aus CNG in den Heizkellern wird die Raumwärme revolutionieren. Der politische Versuch, Öl und Gas zu verdammen, ist ein großer Fehler. Dieselben Bürgermeister, die jetzt Hackschnitzelanlagen errichten, werden in zehn Jahren wieder nach Erdgas verlangen.

Der Oberösterreicher Steinecker (60) hat schon in jungen Jahren bei der Energie AG Oberösterreich, damals noch OKA, begonnen: als Starkstrommonteur-Lehrling. Er machte nebenbei die HTL-Matura, studierte Jus sowie Sozialwissenschaften in Linz und schloss ein MBA-Studium an der University of Toronto ab. 1998 wurde er Vorstand der OÖ Ferngas, seit 2002 ist er im Vorstand der Energie AG, seit März deren Chef.

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