„Es ist an der Zeit, mal 50 Prozent weniger Tiere zu essen.“ Das sagt ausgerechnet Godo Röben, Chef der Rügenwalder Mühle. Seit 1834 produziert das deutsche Unternehmen Wurst, seit fünf Jahren auch ohne Wurst.
Die vegane Schiene ist mittlerweile für 35 bis 38 Prozent des Umsatzes zuständig. „Das Ziel von 40 Prozent werden wir im nächsten Jahr auf jeden Fall erreichen“, betont Röben und ist mit seiner Strategie nicht allein. Die Nachfrage nach Veggie-Produkten steigt weltweit. „Neben Start-ups steigen traditionelle fleischverarbeitende Unternehmen in diesen Markt ein“, schreibt der Interessensverband ProVeg. Auch in Österreich.
Ein Pionier auf dem Gebiet ist der oberösterreichische Wurstproduzent Landhof, der bereits 2011 eine Wurst ohne Wurst entwickelt und 2012 auf den Markt gebracht hat. Für Veganer ist sie nicht gedacht, da sie aus Fleischersatz gemacht ist, der wiederum aus Milch, Hühnereiern und Erbsen gewonnen wird.
Ein Gemisch, das in der Herstellung etwa doppelt so aufwendig ist wie herkömmliche Wurst. Schließlich müssen die Eiweißkomponenten erst gewonnen und verarbeitet werden. Am Markt konnte sich die Marke „Die OHNE“ durchsetzen – und steht im Wettbewerb zu Rügenwalder.
Noch wenig Konkurrenz
„Die Exportquote von Landhof liegt bei 65 Prozent, wir liefern die Veggie-Produkte vor allem nach Deutschland, aber auch in zehn weitere Länder, von Italien und Spanien bis nach Dänemark und Ungarn“, sagt Norbert Marcher.
Sein Familienbetrieb ist auch dank zahlreicher Übernahmen der größte am Markt. Mit seinen Werken der Marken Marcher, Landhof, Blasko, Loidl, Styria Beef Bio verarbeitet der Unternehmer mit Stammhaus in Villach jährlich das Fleisch von einer Million Schweinen und 130.000 Rindern.
Das Veggie-Geschäft macht zwar nur zwei Prozent des Unternehmensumsatzes aus, ist aber dennoch „ein moderater Wachstumsmarkt mit vergleichsweise wenig Konkurrenten“, erläutert Marcher, der Landhof im Jahr 2018 übernommen und seine Veggie-Schiene weiter ausgebaut hat.
Der oberösterreichische FleischverarbeiterHermann Neuburger ist vor allem für ein Fleischprodukt bekannt, das man laut Werbespruch niemals Leberkäse nennen darf. Die großen Wachstumssprünge sieht er abseits der Leberkäs-Schlacht im Veggie-Feld.
Jahrelang hat er nach passenden Rohstoffen gesucht, gelandet ist er letztlich beim Seitling, den er jetzt im großen Stil züchtet. „Heuer werden wir 120 Tonnen Pilze ernten und verarbeiten“, erläutert Hermann Neuburger, dessen Sohn Thomas längst im Unternehmen eingestiegen ist.
„Zwischen April und Juli haben wir den Absatz im Vergleich zur Grillsaison 2018 verdoppelt“, sagt der Junior-Chef, ohne konkrete Umsatzzahlen zu nennen.
Nur so viel: Der Exportanteil nach Deutschland liegt bei 40 Prozent, Prospekte für den niederländischen Markt sind bereits gedruckt. Die Nachfrage steigt.
So stark, dass die Einführung der neuen Produkte „Schnitzel“ und „Faschiertes“ ohne Fleisch von Herbst 2019 auf nächstes Jahr verschoben werden musste. „Wir laufen noch im Testbetrieb, stoßen bereits an Kapazitätsgrenzen“, sagt Hermann Neuburger. Dennoch: Bis die Veggie-Schiene „Hermann“ Gewinne abwerfen wird, werden „noch Jahre“ vergehen.
Schuld sind die hohen Anlaufkosten. Es hat Millionen gekostet, eigene Hallen für die Pilzzucht hochzuziehen, an Rezepten zu tüfteln, Patente anzumelden und die Werbemaschinerie in Gang zu setzen.
Hamilton am Start
Neu am Start ist auch Formel-1-WeltmeisterLewis Hamilton. Am 2. September eröffnet er gemeinsam mit Partnern in London den ersten Standort von Neat Burger, einer pflanzenbasierten nachhaltigen Burger-Kette.
In den nächsten 24 Monaten sollen zwölf weitere Lokale im Franchise-System folgen. Partner der Kette ist auch Beyond Meat. Das US-Fleischersatzunternehmen mit prominenten Geldgebern wie Leonardo DiCaprio und Bill Gates im Hintergrund hat mit seinen Fleischlaberln aus Erbsen zuletzt mehr als 60 Millionen Euro umgesetzt und Bewegung in den Markt gebracht.
Die Konkurrenz schläft nicht. McDonald’s ist heuer in Deutschland mit einem Big-Vegan-Burger an den Start gegangen, in Österreich bietet die Kette vegetarische Wraps und Burger an.
Auch die Raststätten-Kette Rosenberger setzt nach der Übernahme durch den Burger-King-Franchisenehmer TQSR unter anderem auf Veganes bzw. Vegetarisches.
Ein österreichischer Pionier auf dem Gebiet der veganen Gastro-Konzepte ist Charly Schillinger mit seiner Swing-Kitchen-Kette, die mittlerweile neun Standorte in Österreich, Berlin und Bern hat. Mehr als die Hälfte der Kunden sind Flexitarier, legen also ab und zu fleischfreie Tage ein, weiß Schillinger aus seinen Umfragen.
Im KURIER-Gespräche erzählt er von den Herausforderungen seiner Anfangszeit und warum das Soja in seinen Burgern nicht zu hundert Prozent aus Österreich kommt.
Warum eigentlich, Charly Schillinger
Swing-Kitchen-Chef Charly Schillinger erzählt, wie er selbst zum Veganer wurde
Fleischkonsum stagniert
Auch wenn viele im Zuge der Klimadebatte appellieren, weniger Fleisch zu essen, sieht die Realität anderes aus. Die Zahl jener Personen, die Fleisch kaufen, ist seit Jahren konstant, wissen Marktbeobachter der RollAma.
Demnach verzichten nur rund sechs Prozent der Österreicher auf Fleisch, sind also Veganer oder Vegetarier.
Kommentare