USA: Nächstes „Drama“ im Anmarsch

epa03522079 US Vice President Joseph R. Biden (L) looks on as President Barack Obama makes a statement in the White House Briefing Room following passage by the House of tax legislation, in Washington, DC, USA, 01 January 2013. The House and Senate have now both passed the legislation, averting the so-called fiscal cliff. The US House of Representatives followed the Senate in approving a deal to reduce the tax hikes and postpone the spending cuts that kicked in with the new year. EPA/Brendan Hoffman / POOL *** Local Caption *** Barack Obama;Joseph R. Biden *** Local Caption *** Barack Obama;Joseph R. Biden
In letzter Sekunde vermieden die USA den Klippensturz. Doch die Einigung bringt nur eine Atempause.

Ein bisschen weniger Drama, ein bisschen weniger Draufgängertum“ – fromme Wünsche von US-Präsident Barack Obama nach der Einigung zur Umschiffung der Fiskalklippe, die automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen bedeutet hätte. Sie war im Sommer 2011 vom Kongress beschlossen worden – als Anreiz zur Reduzierung des Defizits.

Durch den Kompromiss werden nun Steuern für Reiche erhöht, jene für die Mittelschicht nicht. Die Republikaner gaben klein bei, sonst hätten sie die Verantwortung für totales Budget-Chaos mit Rezessions-Risiko tragen müssen.

Eigentlich war es schon fünf Minuten nach zwölf, und eigentlich stürzten die USA formal auch über die Klippe. Denn der Stichtag zu Neujahr war verstrichen, als die Republikaner im Repräsentantenhaus ihren Sanktus gaben. Folgen hatte diese Waghalsigkeit nur deshalb nicht, weil am Dienstag die Börsen geschlossen waren.

Schuldenuhr tickt

Obama verabschiedete sich rasch in den zuvor abgebrochenen Hawaii-Urlaub, doch entspannen kann er sich nicht. Denn das „Drama“ fängt gerade wieder an: In den kommenden zwei Monaten muss nun der Streit um das US-Schuldenlimit ausgetragen werden. Die Obergrenze von 16,4 Billionen Dollar ist bereits überschritten. Sie muss vom Kongress angehoben und der Schuldenberg abgebaut werden.

Somit kündigt sich der nächste Graben entlang der Parteilinien an. Darüber, wie stark die Staatsausgaben gekürzt werden. Durch Etat-Umschichtungen war es Finanzminister Timothy Geithner gelungen, zwei Monate Galgenfrist herauszuschinden, damit die USA ihre Rechnungen bezahlen können. Einschnitte wurden in dem Minimalkompromiss vom Dienstag auch ausgespart, um in den nächsten Wochen einen detaillierten Sparplan zu erstellen. Und die Republikaner wollen die Anhebung der Schuldengrenze – gemäß dem Motto „weniger Staat“ – nur billigen, wenn die Regierung ihre Ausgaben drastisch zusammenstreicht.

Ein Schwergewicht der Konservativen, Senator John McCain, hat bereits einen neuen, „heftigen Showdown“ angekündigt.

Schuldenobergrenze

Früher als befürchtet, nämlich schon zu Jahresende, haben die USA ihre selbst gesetztes Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar erreicht. Spätestens Ende Februar wird der Kongress diese Deckelung erneut anheben müssen, damit die USA zahlungsfähig bleiben. Bis vor knapp zwei Jahren war dies keine große Sache: Allein in der Ära George W. Bushs wurde die Schuldenobergrenze acht Mal angehoben. Nun aber sperren sich die Republikaner radikal dagegen.

Großverdiener zahlen

US-Bürger mit einem Jahreseinkommen von 400.000 Dollar und mehr müssen nun statt 35 Prozent 39,6 an den Fiskus abliefern; ebenso werden Kapitalerträge und große Erbschaften stärker besteuert. Damit sollen in den kommenden zehn Jahren 620 Milliarden in die Kassen gespült werden. Die Steuererleichterungen für Normalverdiener werden hingegen in geltendes Recht umgewandelt. Die Lohnsteuern aber steigen für alle.

Kostenfalle Medicare

US-Bürger über 65 Jahre und Behinderte haben Anspruch auf eine staatliche Krankenversicherung (Medicare). 500 Milliarden Dollar wendet der Staat derzeit dafür auf, wegen der wachsenden Zahl an Pensionisten aber werden in zehn Jahren bereits 900 Mrd. Dollar benötigt. Kürzungen bei Medicare aber sind für die Demokraten ein absolutes „No-go“, während die Republikaner auf massive Einsparungen drängen.

Hilfe für Arbeitslose

Mit 7,7 Prozent lag die Arbeitslosigkeit in den USA im Dezember so niedrig wie schon seit vier Jahren nicht mehr. Und doch mussten die Jobsuchenden, besonders die zwei Millionen Langzeitarbeitslosen, in den vergangenen Tagen zittern. Im Fall eines „Fiscal Cliffs“ hätten viele die staatliche Unterstützung verloren. Diese ist nach dem jüngsten Budgetkompromiss gesichert – zumindest noch für ein weiteres Jahr.

Die Steuern um 35 Prozent erhöhen und gleichzeitig die Sozialausgaben um 35 Prozent kürzen. Nur mit einer derartigen Rosskur, so rechnete es der Internationale Währungsfonds vor, könnten die USA theoretisch langfristig den Weg aus ihrer Schuldenkrise finden. Die Praxis sieht, wenig überraschend, ganz anders aus: Mit dem jüngsten Budget-Kompromiss, der bestenfalls ein halber ist, hat sich Washington nur über die nächsten zwei Monate gerettet. Dann steht die nächste Krise an.

Auch dieses nächste Mal, wenn über eine – unausweichliche – Anhebung der staatlichen Schuldenobergrenze gestritten wird, werden sich Demokraten und Republikaner zu Minimalkonzepten zusammenraufen, anstatt sich des eigentlichen Problems zu stellen: 74 Prozent betragen die öffentlichen Schulden am BIP. In zehn Jahren werden es 90 Prozent sein. In 30 Jahren, wenn nicht radikal gegengesteuert wird – gigantische 247 Prozent.

An schmerzhaften Strukturreformen, wie sie viele europäische Staaten vorexerzieren, werden auch die USA nicht vorbeikommen. Noch aber halten sowohl Republikaner als auch Demokraten starr an ihren Dogmen fest: „Keine höheren Steuern“, postulieren die einen, „keine Kürzung der Sozialausgaben“, die anderen. Dieses Patt, das auch US-Präsident Obama mit mehr Flexibilität sprengen könnte, kennt langfristig nur Verlierer: Wähler, Wirtschaft und Wohlfahrtsstaat.

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