Denn viele Gäste kamen weniger aus Überzeugung als aus Verlegenheit. Weil Österreich quasi die ganze Welt auf die rote Liste gesetzt hatte – Quarantänepflicht bei der Rückreise inklusive. So verschlug es viele in den Süden – nach Kärnten.
„Es waren noch nie so viele junge Menschen in den Bergen wie im vergangenen Sommer“, bestätigt Christian Kresse, Chef der Kärnten Werbung. Manche Hütten seien so gut besucht gewesen wie seit 30 Jahren nicht mehr. Auf den Campingplätzen gab es keine freien Plätze mehr, Ferienwohnungen waren gefragt wie selten zuvor. Die Investitionen in die Rad- und Wanderwege, in 150 E-Bike-Verleihstationen sowie Bike-Parks hätten sich bezahlt gemacht.
Klingt, als könnte sich der oberste Kärnten-Werber entspannt zurücklehnen, doch „lei loss’n und warten bis die Leut’ kommen, spielt’s nimmer“, sagt Kresse. Sein Job ist es, die Nächtigungszahlen und die Wertschöpfung nach oben zu schrauben, während die Zahl der Gästebetten stetig sinkt.
Seit dem Jahr 2000 hat Kärnten rund 37.000 Gästebetten verloren. Nicht nur Privatvermieter verabschieden sich in die Pension, auch Hoteliers haben Probleme, einen Nachfolger zu finden und versilbern ihre Häuser mit dem Verkauf an einen Bauträger.
Laut Oliver Fritz, Tourismusexperte beim Wifo, muss man die Kirche aber im Dorf lassen: „Zum Teil handelt es sich hier um eine sinnvolle Strukturbereinigung“, sagt er mit Verweis auf den Investitionsstau in jenen Betrieben, die den gestiegenen Ansprüchen der Gäste nicht mehr genügen. Aufholbedarf habe Kärnten in Sachen Infrastruktur: „Die Seen allein reichen nicht mehr, es braucht Schlechtwetterangebote. Letztlich muss man an vielen Stellschrauben drehen.“
Tatsächlich sind auch einige Projekte geplant. Auf dem Goldeck, am Pressegger See und auf dem Hochrindl sollen Feriendörfer mit insgesamt 1.200 Gästebetten gebaut werden. Einheimische sind skeptisch. Die geplanten Chaletdörfer würden wenig Arbeitsplätze und Wertschöpfung in die Region bringen, da sich deren Gäste so gut wie nie zum Wirt im Ort verirren, heißt es. Dazu kommt die Befürchtung, dass Geisterstädte aus dem Boden gestampft werden.
Raumplanerin Gaby Krasemann sprach kürzlich sogar von „Raubrittertum“ und verglich die Situation in Kärnten mit jener in Ostberlin nach der Wende. Aufgrund der niedrigen Zinsen gebe es zu viel Geld, das hier quasi in Beton gegossen werde. Über allem schwebt die Befürchtung, dass einmal mehr vermeintliche Tourismusprojekte letztlich privaten Zwecken dienen. Sprich, Zweitwohnsitze entstehen – und von diesen gibt es bereits 75.000 im Land. Runtergezogene Rollläden in 11 von 12 Monaten im Jahr inklusive.
Auf solche Entwicklungen hat der Chef der Kärnten Werbung keinen Einfluss. Er hofft, die Saison heuer bis in den November verlängern zu können – schließlich gebe es bei Reisen einen Nachholbedarf. Das Land hat 250.000 Euro für entsprechende Maßnahmen zugesagt.
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