Recycling kennt jeder: Das Wiederverwerten von Getränkedosen aus Aluminium, Verpackungsmaterial aus Kunststoff, etc. Der Begriff "Upcycling" (deutsch: Wiederaufbereitung) dagegen ist noch relativ jung. Hinter dem Kunstwort versteckt sich eine Modeerscheinung, die den Zeitgeist getroffen hat: Gegenstände jeglicher Art werden am Ende ihres Daseins nicht weggeworfen, sondern erhalten einen neuen "Lebenssinn". Das soll nachhaltig sein. Und es lässt sich Geld damit verdienen. Alleine in Wien gibt es rund zehn Werkstätten bzw. Läden, die sich auf dieses Geschäft spezialisiert haben – der KURIER hat sich vier davon näher angesehen.
Soziale Projekte
"Wir bewahren den Müllberg vorm Wachsen, indem wir Gegenstände zweckentfremden", sagt Leopold Šikoronja von gabarage upcycling design in Wieden. Verwertet werden etwa Lkw-Planen zu Taschen oder die farbigen Blenden von Ampelleuchten zu Lampenschirmen. Aus Rolltreppenelementen, Mülltonnen oder Büchern entstehen Sitzmöbel. Obwohl Rolltreppen alles andere als Komfort versprechen, sind die Sitzgarnituren ein Verkaufsschlager. "Wir haben eine Warteliste. Leider sind diese Bauteile nur sehr schwer aufzutreiben", erzählt Šikoronja. Gegründet wurde das Unternehmen vom Anton Proksch Institut im Rahmen eines EU-Projekts. Ehemals Suchtmittelabhängigen soll so der Schritt zurück in ein geregeltes Leben erleichtert werden. Die Sucht- und Drogenkoordination der Stadt Wien und das AMS fördern das Unternehmen. Zehn Arbeitsplätze werden für maximal ein Jahr zur Verfügung gestellt. Noch einmal zehn Personen arbeiten fix bei gabarage.
Die TrashDesignManufaktur in Hütteldorf verwertet Elektroschrott – 1200 Tonnen werden von der MA 48 im Jahr zur Verfügung gestellt. Die alten Geräte werden in ihre Bestandteile zerlegt. So entstehen aus Leiterplatten Handtaschen oder aus Disketten Deckel für Notizbücher. Verwertet werden etwa auch Waschmaschinentrommeln. Aus ihnen entstehen Hocker, Couch- und Stehtische sowie Blumenübertöpfe. Alles, was die Werkstätte nicht verwenden kann, wird weiterverkauft. Beschäftigt sind in der TrashDesignManufaktur 13 fixe Mitarbeiter. Hinzu kommen bis zu 65 Transitarbeitskräfte – Langzeitarbeitslose, die maximal sechs Monate vorübergehend mitarbeiten dürfen. Gefördert wird das Programm vom Arbeitsmarktservice.
Fahrradschläuche
Karin Maislingers selbst genähte Taschen, die sie unter dem Namen kontiki verkauft, haben in ihrem früheren Leben wohl Tausende Kilometer zurückgelegt – sie bestehen aus verschlissenen Fahrradschläuchen. "Ich habe lange als Betreuerin bei einem Fahrradbotendienst gearbeitet. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass Unmengen an kaputten Schläuchen anfallen", erklärt Maislinger die Wahl ihres Rohstoffes. Gefertigt werden ebenso Sonderwünsche. Bisheriger Rekordhalter: ein Rucksack um 900 Euro. Wie lässt es sich mit der Einnahmequelle Fahrradschlauch leben? "Es geht sich gerade so aus. Meine Intention war nicht, ein großes Business aufzuziehen", sagt Karin Maislinger. Dem Hype unter dem Namen "Upcycling" steht sie kritisch gegenüber: "Mit dem Begriff tu’ ich mir schwer, weil das so überheblich klingt."
Designerkleidung
In einem seit mehr als 30 Jahren bestehenden Künstleratelier im ersten Bezirk werken Katha Harrer und Michael Ellinger. "Begonnen hat das gar nicht so aus dem Umweltgedanken. Ich bin immer schon gerne in den Baumarkt gegangen – es war zuerst also eher der Bastelgedanke", sagt Harrer rückblickend. Aus alten Armeedecken und -zelten sowie Baumwoll-Fallschirmen aus den 1960er-Jahren nähen sie vorwiegend Jacken unter dem Label km/a – mehrere Hundert Euro kosten die aufwendigsten Stücke. Dass hauptsächlich ehemalige Textilien von Streitkräften verwertet werden, erklären die Designer mit praktischen Gründen: Militärs stoßen meist große Stückzahlen ab. Auch bei km/a gilt: "Wenn man reich sein will, muss man sich einen anderen Beruf suchen", sagen die beiden.
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