Uniqa-Chef Brandstetter: „Menschen halten die Wahrheit aus“
Versicherungen werden vom Klimawandel immer stärker finanziell belastet. Uniqa-Chef Andreas Brandstetter skizziert im KURIER-Gespräch, was aus seiner Sicht zu tun wäre, um unseren Planeten zu retten.
KURIER: Im Sommer hat es wieder heftige Unwetter gegeben. Wie hoch ist die Schadenleistung, die Uniqa aus jetziger Sicht zu tragen hat?
Seit Jahresbeginn deutlich über 100 Millionen Euro und damit über dem langjährigen Durchschnitt. Die genaue Zahl ist noch nicht bekannt, weil erfahrungsgemäß viele Kunden einige Zeit verstreichen lassen, bis sie ihre Ansprüche geltend machen.
Was bedeutet das für die zu zahlenden Prämien?
Sie werden in manchen Bereichen sicher erhöht werden. Wir kaufen ja auch zu höheren Preisen bei Rückversicherern ein.
Welche Befürchtungen haben Sie, was da bezüglich Klimawandel auf uns noch zukommen könnte?
Der Kampf gegen den Klimawandel steht für Versicherungen im Zentrum aller Aktivitäten und es ist eines der großen Themen der nächsten Jahre. Die Meinung, wir warten auf eine Wundertechnologie und der Fortschritt wird alle Probleme lösen, das sehen wir nicht. Und diesen Diskurs über Verhaltensänderung müssen wir in ganz Europa führen.
Es wird auch in Österreich Technologieoffenheit propagiert, ebenso wie das Argument, Tempo 100 oder 130 habe keinen Einfluss...
Ich bin ein großer Anhänger von faktenbasierter Klimadiskussionen. Ich bin kein Klimaforscher, kein Physiker und kein Mathematiker. Aber sehr wohl spielt die Frage, wie wir mit den Ressourcen umgehen und wie wir uns verhalten, eine Rolle. Und ich denke, bevor wir diskutieren, ob Bargeld in die Verfassung kommen soll, was ungefähr so relevant ist, ob am Morgen die Sonne aufgehen und am Abend untergehen soll, müssen wir uns überlegen, warum sich die junge Generation irgendwo anklebt. Ich habe Verständnis als Familienvater für deren Zorn, die Wut und die Ohnmacht.
Was würden Sie tun?
Zum einen, einen rascheren Ausbau alternativer Energiequellen. Wir leiden in Europa unter der mangelnden Geschwindigkeit, in der Investments dafür zur Verfügung gestellt werden. Und das andere ist eine Verhaltensänderung. Wenn es Maßnahmen gibt, die helfen, den Co2-Ausstoß zu minimieren, dann sollten wir auf die Experten hören. Es wird nicht alles automatisch am Beginn von der Bevölkerung mitgetragen werden. Ich schlage daher vor, alle Maßnahmen zu prüfen, die den Co2-Ausstoß auch im Kleinen minimieren. Ich sage das deswegen, weil wir oft hören, es tun die Chinesen und Amerikaner auch nicht. Wenn das jeder sagt, wird dieser Planet für unsere Kinder und Enkelkinder am Ende unbewohnbar sein.
Bei Maßnahmen gegen die Mehrheitsmeinung droht wohl den Regierenden die Abwahl...
Das könnte sein, außer man kommuniziert das klar. Auch wir in der Wirtschaft sind immer gefordert, komplexe Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären. Das ist aus meiner Erfahrung nach möglich, wenn man glaubwürdig ist. Menschen halten die Wahrheit aus, wenn sie das Gefühl haben, man meint es ehrlich mit ihnen und hat einen Plan. Es ist nicht empfehlenswert, ständig auf den Mainstream zu schauen und sich zu überlegen, was die Mehrheit der Bevölkerung gerade will oder nicht will. Ein Unternehmen kann man so auch nicht führen.
Wieso gibt es die oft geforderte Pflichtversicherung gegen Unwetterschäden für alle Haushalte noch immer nicht?
Wir werden weiter in einem sehr aktiven Dialog mit der Politik bleiben, es gibt Beispiele in Europa, wo es funktioniert, etwa Belgien, Schweiz, Frankreich oder Spanien. Unser Vorschlag ist im Prinzip sehr einfach: einen kleinen, einstelligen Betrag in die Feuerversicherung zu inkludieren. Das kostet ein paar Euro mehr im Monat. Das hätte den Vorteil, dass Menschen, die jetzt ihre Schäden nur zu 20 bis 50 Prozent aus dem Katastrophenfonds ersetzt bekommen, von Bittstellern zu mündigen Bürgern werden, die einen 100-prozentigen Anspruch haben. Ich denke, das ist ein zwingendes Argument.
Jetzt gibt es aber auch das Gegenargument, warum ein Stadtbewohner im fünften Stock mitzahlen soll, der nie mit einem Hochwasser konfrontiert sein wird.
Wir wissen noch zu wenig, wie sich der Klimawandel in Österreich auswirken wird. Das Argument, ich werde nie betroffen sein, greift nicht. Wir haben zudem in Europa eine Unterversicherung gegen Naturkatastrophen. Die Unwetter im Mai in Italien etwa haben Schäden von insgesamt 10 Milliarden Euro verursacht. Davon sind nur 600 Millionen versichert. Für den großen Rest muss der Staat beziehungsweise indirekt die Steuerzahler aufkommen. Weltweit lagen die Schäden im ersten Halbjahr 125 Milliarden Euro und davon ist nur die Hälfte versichert.
Versichern sie noch Kunden, die in exponierten Lagen wohnen?
In bestimmten Lagen bieten wir jetzt schon Preise an, die sehr hoch sind, so dass sich der Kunde für den Mitbewerb entscheidet. Das ist aber kein rein österreichisches Phänomen. Und dass wir Kunden nur kündigen wegen der exponierten Lage, ist noch nicht vorgekommen.
Der 1969 in NÖ geborene Andreas Brandstetter studierte Politikwissenschaft. Nach Stationen bei der ÖVP ging er 1995 als Leiter des EU-Büros des Raiffeisenverbands nach Brüssel. 1997 wechselte er zur Uniqa, wo er 2003 in den Vorstand berufen wurde. Seit 2011 ist der Vater von 3 Kindern Vorstandschef.
Versicherung
Die verrechneten Prämien bei der Uniqa wuchsen im ersten Halbjahr zum Vorjahreszeitraum um 7,9 Prozent auf 3,7 Mrd. Euro, das Ergebnis vor Steuern kletterte von 91,4 auf 215,9 Mio. Euro.
Wie wirkt sich die hohe Inflation im Konzern aus?
Auf der Veranlagungsseite positiv, weil wir jetzt höhere Margen verzeichnen. Bei Sparprodukten im Bereich der Lebensversicherung sind wir natürlich im unmittelbaren Konkurrenzangebot mit anderen Veranlagungsformen. Wobei Lebensversicherungen auch den Aspekt der Risikoabsicherung umfassen und es ist kein Produkt, das ich mit anderen Veranlagungsprodukten 1:1 vergleichen kann.
Gibt es derzeit mehr Kunden, die aus Kostengründen ihre Prämienzahlungen reduzieren oder ruhend stellen?
Davon merken wir in keinem Land etwas. Möglicherweise gibt es längere Phasen des Überlegens, ein Produkt abzuschließen, vor allem Höherpreisige im Bereich der Lebensversicherung und der Gesundheitsvorsorge.
Krankenversicherungen sind ja vor allem für Ältere nicht günstig...
Das ist das fast am stärksten wachsende Segment in Österreich. Uniqa ist mit 44 Prozent Marktanteil und 1,3 Millionen Kunden führend. Die Nachfrage ist ungebrochen stark. Denn den Menschen ist mehr und mehr mulmig zumute, ob der Staat wirklich noch die Gesundheitsdienstleistungen, die er in den letzten Jahrzehnten auf einem guten Niveau angeboten hat, weiterhin anbieten wird können. Deswegen investieren wir über ein eigenes Vehikel namens „Mavie“ in verwandte Bereiche. Wir sind mittlerweile der größte Anbieter für mentale Gesundheit und von 24-Stunden-Pflegediensten.
Können Sie nachvollziehen, dass immer mehr Menschen sagen, dass hier eine 2-Klassen-Medizin entsteht?
Die private Gesundheitsversicherung hat sich nie im Konflikt mit dem öffentlichen System gesehen. Auch die öffentlichen Spitäler haben entsprechende Bereiche für privat Versicherte. Wir wollen kein Parallelsystem aufziehen. Aber tatsächlich ist das öffentliche Gesundheitssystem ähnlich wie das Pensionssystem in einem Zustand, dass wir uns sorgen.
Uniqa ist an der Heimpflegeagentur Cura Domo beteiligt. Woher nehmen Sie all die nötigen Fachkräfte?
Derzeit so wie in den letzten Jahren aus EU-Staaten wie Rumänien oder der Slowakei. Wir suchen auch österreichische Betreuerinnen und Betreuer, das ist nicht sehr einfach. Wir sind daher immer wieder in Diskurs mit der Regierung, dass wir auch aus anderen Ländern Kräfte bekommen, was aus politischen Gründen derzeit nicht einfach ist. Generell ist die Frage, warum in einer politisch aufgeheizten Situation Österreich ein attraktives Land für Zuwanderung sein soll. Wir haben jahrelang von der Politik gehört, „Wir schließen die Balkanroute“ und „Wir wollen keine Migranten“. Ich bin mir daher nicht ganz sicher, ob wir die Willkommenskultur für eine gewollte, also geleitete Migration haben, die wir brauchen. Ich glaube, wir werden noch sehr dankbar sein, wenn uns gelingt, wirklich integrationswillige Migranten für uns zu gewinnen.
Mehr Geld alleine wird wohl nicht helfen...
Auch in anderen Ländern haben wir eine demografische Entwicklung, die heikel ist. In fast allen Ländern Osteuropas haben wir rückgängige Bevölkerungszahlen und eine absolut unvorteilhafte Altersstruktur.
Wie läuft der Online-Verkauf von Polizzen?
Ich bin seit 20 Jahren im Vorstand von UNIQA und damals war es rund ein Prozent des Umsatzes. Jetzt sind es 1,5 Prozent. Das heißt aber nicht, dass die Entwicklung der nächsten 20 Jahre ähnlich sein wird. Im Gegenteil. Wir merken gerade in urbanen und jungen Bereichen in ganz Europa den Trend hin zu digitalen Abschlüssen über unsere Webseiten. Daher investieren wir hier jährlich mehr als 100 Millionen Euro. Das wird die nächsten 6, 7 Jahre so bleiben.
Welche Länder sind hier führend und welche Produkte sind besonders gefragt?
Generell ist die Onlineaffinität in Osteuropa höher, etwa in Polen. Auch in Slowenien und die baltischen Länder, wo wir aber nicht tätig sind. In unseren Märkten haben wir die Plattform Cherrisk gegründet. Das weltweit meist abgeschlossene Produkt sind Reiseversicherungen, gefolgt von Kfz- und Unfallversicherungen.
Uniqa ist auch großer Immobilienbesitzer. Was halten Sie von einer Mietpreisbremse?
Wenig überraschend halten wir gar nichts von einem Eingriff in den freien Markt. Wir halten das für eine schlechte Idee. Wir sind ein Investor in Immobilien in ganz Europa, wo wir tätig sind. Wir haben unser Exposure in Österreich in den letzten Jahren etwas reduziert und haben verstärkt in Osteuropa investiert in gemischte Nutzung, also Wohnungen oder Büros im Sinne einer Risikooptimierung. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir uns bei einer Mietpreisbremse in einem relevanten Ausmaß von Immobilien trennen.
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