Übersiedlung von Arzneimittelagentur würde Österreichs BIP um 1 Milliarde steigern

European Medicines Agency (EMA) Zentrale in London
Die Europäische Arzneimittelagentur könnte von London nach Wien übersiedeln. Gesundheitsministerin Rendi-Wagner will dafür die Werbetrommel rühren.

Eine Übersiedlung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA von London nach Wien könnte das österreichische Bruttoinlandsprodukt innerhalb von fünf Jahren um eine Milliarde Euro steigern. Dies geht aus einer im Auftrag des Finanzministeriums erstellten Studie des IHS hervor. Außerdem würden in diesem Zeitraum rund 9.000 zusätzliche Arbeitsplätze gesichert werden können, heißt es.

Das Dokument des Instituts für Höhere Studien beinhaltet auch die Folgen einer allfälligen Ansiedlung der zweiten EU-Agentur, die nach dem Brexit von London weg und aufs EU-Festland hin übersiedeln müsste. Es handelt sich dabei um die EU-Agentur für Bankenaufsicht (EBA), doch wird bei letzterer Wien als neuer Standort wenig an Chancen eingeräumt. Bei der EMA sieht dies wesentlich besser aus.

Jedenfalls hätte eine Ansiedlung der EU-Bankenaufsichtsagentur ebenfalls positive Folgen, doch bei weitem nicht so günstige wie bei der EBA. Eine EMA-Übersiedlung würde laut IHS in den kommenden fünf Jahren das BIP um 0,2 Mrd. Euro steigen lassen. Die zusätzlichen Arbeitsplätze könnten sich um 1.700 erhöhen.

Die direkten, indirekten und induzierten Beiträge zu Steuern und Abgaben liegen demnach kumuliert über fünf Jahre bei der EMA bei 328 Millionen Euro und bei der EBA bei 61 Millionen Euro. Allerdings geht der größte Anteil dieser Steuern und Abgaben an den EU-Haushalt, da ihre Angestellten von der nationalen Einkommenssteuer befreit sind und Sozialversicherungsbeiträge und Gemeinschaftssteuern an das Budget der Europäischen Union zahlen.

IHS weist in seiner Studie darauf hin, dass durch Umsiedlungskosten generierte Effekte nicht in den Ergebnissen enthalten sind. Am meisten würde in Österreich von einem möglichen Umzug der beiden Organisationen nach Wien der Wirtschaftssektor "Exterritoriale Organisationen und Körperschaften" profitieren. Dies liege daran, dass beide Agenturen diesem Sektor zugeordnet werden. Da beide Organisationen und ihre Beschäftigten Miete in Österreich zahlen oder sich Wohnungen kaufen, würde auch der Sektor "Grundstücks- und Wohnungswesen" stark von einer Umsiedlung profitieren.

Die aus dem Brexit resultierende Übersiedlung von EMA und EBA wird erst im November entschieden. Das beschloss der EU-Gipfel der 27 ohne Großbritannien im Juni. Die Bewerbungsfrist für diese beiden EU-Agenturen endet jedoch bereits kommenden Montag, den 31. Juli. Neben Wien haben sich noch rund 20 weitere Städte beworben.

Allein für den neuen Sitz der EMA mit knapp 900 Beschäftigten haben sich bisher 17 EU-Länder offiziell beworben. Bei der EBA mit 190 Mitarbeitern gab es zuletzt fünf offizielle Wünsche. Drei weitere Länder sollen eine Bewerbung noch überlegen, hieß es in EU-Ratskreisen. Die Veröffentlichung der Kandidatenlisten soll Dienstag nächster Woche durch den Rat erfolgen.

Rendi-Wagner will Werbetrommel rühren

Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hat in der Frage der Übersiedlung der derzeit in London ansässigen Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA betont, dass Wien mit 450 Unternehmen im Bereich Gesundheitsforschung schon jetzt ein "Top-Standort" sei. Wien biete "die besten Voraussetzungen" für eine Ansiedlung der EMA.

Rendi-Wagner werde im September nach Brüssel fahren, um dort die Werbetrommel für Wien zu rühren, heißt es in einer Stellungnahme ihres Ministeriums vom Samstag. Mit über 30.000 Nächtigungen von Experten, die zu Tagungen oder Veranstaltungen anreisen, hätte eine Ansiedelung der EMA in Wien positive Auswirkungen auf den Tourismus und die Wirtschaft, so das Gesundheitsministerium. Wien würde als Forschungsstandort gestärkt, was die Ansiedlung von Start Ups, Pharmaunternehmen, sowie Forschern und Forscherinnen in Wien erwarten ließe. Wenn es gelinge, die EMA nach Wien zu holen, werde Österreich zu der führenden Life-Science Stadt Europas.

Mahrer: Übersiedlung wäre wichtiger Impuls

Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) betont, eine Übersiedlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA wäre "ein wichtiger Impuls für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Österreich". Die "hervorragende Infrastruktur, die geopolitische Lage im Herzen Europas und die hohe Lebensqualität sind starke Argumente für eine Übersiedlung der EMA nach Österreich", so Mahrer in einer Aussendung vom Samstag.

Österreich bilde "die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich Life Sciences ab" und verfüge mit der Life Science Strategie seit 2016 "über ein strategisches Planungsinstrument zur weiteren Stärkung des Sektors in Wissenschaft und Wirtschaft". Laut Mahrer ist der Life Sciences Sektor "einer der forschungsintensivsten Sektoren und erwirtschaftet jährlich einen Gesamtumsatz von rund 19 Milliarden Euro. Eine Ansiedlung der EMA würde unsere Innovationskraft und die Sichtbarkeit des Standortes weiter erhöhen, unser internationales Ansehen stärken und wesentliche wirtschaftliche Effekte bringen". Neben der direkten Wertschöpfung profitierten auch Tourismus, Kongressbetreiber und Zulieferbetriebe.

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