Über 55 Jahre alt und männlich: Das ist der typische Aufsichtsrat

WKO-Verband fordert mehr Frauen, zudem werden junge und verschiedene Berufsbilder in Kontrollgremien gefordert.

Das Image von Aufsichtsräten hat im letzten Jahrzehnt ordentlich gelitten. In der Krise haben viele Kontrollorgane versagt und auch sonst haftet dem Gremium vielfach der Ruf an, nur Versorgungsposten oder Frühstücksdirektoren zu beheimaten. "Der durchschnittliche Aufsichtsrat ist männlich dominiert und im Alter 55 plus", sagte Medienanalytikerin Maria Pernegger von "Media Affairs" am Mittwoch.

Der Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) der Wirtschaftskammer (WKÖ), Alfred Harl, wünscht sich generell mehr Vielfalt in den Gremien. "Divers zusammengesetzte Aufsichtsräte sind erfolgreicher", sagte Harl bei einem Pressegespräch. Das beziehe sich nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf das Alter und die Berufsbilder. Er sei dafür, auch Berufseinsteiger in Kontrollorgangen einzusetzen. Junge seien "frisch" und oft Querdenker. Auch müssten keineswegs nur Buchhalter, Juristen oder ITler einziehen.

Harl bemängelte, dass die Aufgaben und Anforderungen eines Kontrollorgans oft in keinem Verhältnis zur Bezahlung stehe. Während Aufsichtsorgane in Österreich jährlich im Schnitt zwischen 14.000 und 23.000 Euro bekämen, seien es in Deutschland zwischen 68.000 und 171.000 Euro. "Eine höhere Vergütung im Wettbewerb um die besten Köpfe ist unerlässlich", sagte Harl. Wie hoch diese sein sollte, wolle Harl aber nicht "vorgeben". Das müssten die Firmen selbst entscheiden.

Laut Unternehmensberatung hkp-Group haben die Aufsichtsratschefs der 20 im wichtigsten österreichischen Index ATX vereinten Firmen 2018 im Schnitt 92.112 Euro verdient. Die höchsten Gagen kassierten dabei Lenzing-Aufsichtsrats-Chef Hanno Bästlein (223.500 Euro) und Friedrich Rödler von der Erste Group mit 210.000 Euro. Mit einigem Abstand folgte RBI-Aufsichtsratschef Erwin Hameseder (151.000 Euro).

Seit es in staatsnahen Betrieben eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten gebe, herrsche dort annähernd Geschlechterparität, so Pernegger. In den Top-200-Unternehmen sei man davon noch weit entfernt: Da es hier keine Frauenquote gebe, liege der Frauenanteil bei gerade einmal einem Fünftel. Dass Quoten funktionieren, zeige das Beispiel Italien. Die dort 2011 eingeführte Quote in Aufsichtsgremien sorgte für einen Anstieg des Frauenanteils von damals 5 Prozent auf mittlerweile 35 Prozent. Zu den Vorreitern zählten Island, Frankreich und Norwegen.

Fachverbands-Obmann Harl rührte auch die Werbetrommel für den dreitägigen Lehrgang zur Ausbildung zum Aufsichtsrat bzw. zur Aufsichtsrätin an, den der Verband anbietet (Kosten: 1.400 Euro). Dort lernten die angehenden Kontrolleure ihre Pflichten und Rechte kennen. Bisher wurden 400 Personen ausgebildet, der Frauenanteil lag bei 29 Prozent. Etwa ein Drittel der fertig Ausgebildeten sei inzwischen in Gremien vertreten. "Ich möchte keine zweite Blase wie 2009. Ich hoffe, dass unsere Aufsichtsräte besser vorbereitet sind", sagte Harl.

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