Modus Musk: Twitter-Belegschaft feuern, Werbekunden drohen

Owner and CEO of Twitter, Inc. Elon Musk attends the 29th Annual Baron Investment Conference in Manhattan, New York City
Twitter-Mitarbeitern wurden Zugänge entzogen, rund 3.700 Angestellte betroffen.

Dass damit zu rechnen sei, hatte Neo-Eigentümer Elon Musk schon kurz nach seiner Übernahme von Twitter klar gemacht. Am Freitag begann nun also der Stellenabbau bei dem Kurznachrichtendienst - und er fällt massiv aus. Jeder zweite der 7.500 Angestellten soll betroffen sein

Entlassene Mitarbeiter erhielten in der Früh E-Mails mit der Nachricht, dass es ihr letzter Arbeitstag bei dem Unternehmen sei, meldete der Finanzdienst Bloomberg

"Jedem, der entlassen worden ist, wurde eine dreimonatige Abfertigung angeboten", twitterte Firmen-Chef Musk. Beschäftigte in den USA reichten bereits am Donnerstag eine Sammelklage gegen Twitter ein. Sie werfen dem Unternehmen vor, die bei Massenentlassungen vorgeschriebene 60-Tages-Frist nicht eingehalten zu haben. Das verstoße gegen kalifornisches Recht und Bundesrecht.

Kündigung via Mail

Entlassene Mitarbeiter erhielten am Freitag wie angekündigt E-Mails mit der Nachricht, dass es ihr letzter Arbeitstag bei dem Unternehmen sei.

Auf Twitter teilten ehemalige Mitarbeiter - sie bezeichnen sich selbst als "Tweeps" - unter dem Hashtag #oneteam ihre traurigen Erfahrungen. 

"Das sieht nicht gut aus. Ich kann nicht mehr in meine Mails. Der Mac geht nicht mehr an", postete etwa der für Partnerschaften mit dem Entertainment-Sektor verantwortliche Chris Younie in der Nacht zum Freitag. "Toll, dass das um drei Uhr morgens passiert. Sehr rücksichtsvoll", fügt er noch sarkastisch hinzu.

Auch Community Manager Simon Balmain soll nicht durch die Mail von seiner Kündigung erfahren haben. "Sieht aus, als wäre ich arbeitslos. Ich wurde gerade remote aus meinem Laptop ausgesperrt und von Slack entfernt", klagt er. Eine ehemalige Angestellte, die sich nur "neeks" nennt, berichtet sogar von einem noch umfassenderen Rauswurf: "Mein gesamtes Team wurde gerade ausgeloggt. Offiziell ein Ex-Tweep. Es war ein wilder Ritt."

Die ehemalige Mitarbeiterin Shannon Raj Singh twitterte, dass das gesamte Human-Rights-Team gefeuert worden sei.

Frust und Ärger

Doch obwohl Frust und Ärger durchaus zwischen den Zeilen zu lesen sind: Die meisten Tweets sind positiv – gegenüber den ehemaligen Kollegen, aber auch der Zeit beim Konzern. "Es sieht so aus, als wäre meine Zeit bei Twitter zu Ende. Es stinkt. Tweeps: Ihr seid die besten der besten. Wir sehen uns", twittert etwa Jenna Hitchcock. "Weint nicht, weil es vorbei ist. Freut euch, dass es passiert ist", rät Myriam. "Ich bin dankbar, das alles erleben zu können. Danke an jede einzelne Person, die Twitter so unglaublich besonders gemacht hat", trauert Juan Shishido.

Ein Reporter der Washington Post teilte via Twitter das Mail, dessen Anrede schlicht "Team" lautet. Mitarbeiter werden darin unter anderem informiert, dass sie im Falle einer Kündigung ein Mail an ihre private Adresse erhalten werden. Wer bleiben darf, bekommt eine Nachricht an die bestehende Firmenadresse. Betreff: "Ihre Rolle bei Twitter". Die Maßnahme sei "leider nötig", um den "fortwährenden Erfolg des Unternehmens" zu garantieren, heißt es in dem Schreiben, das lediglich mit "Twitter" signiert ist.

Musk, der vor der Übernahme Twitters kaum ein gutes Wort über das Tech-Unternehmen verloren hatte, beteuerte, dass er leider keine andere Wahl gesehen hätte. Das Unternehmen hätte vier Millionen Dollar pro Tag verloren. Zuvor hatte er geschrieben, Twitter habe "einen massiven Umsatzrückgang" erlitten, weil Bürgerrechtsgruppen Bedenken geäußert hätten, wie sich die Entlassungen auf die Meinungsfreiheit auswirken würden. Wichtige Werbekunden seien unter Druck gesetzt worden, ihre Werbeausgaben zurückzuziehen. Auf einer Investorenkonferenz in New York am Freitag bezeichnete Musk den Druck der Aktivisten als "einen Angriff auf den ersten Verfassungszusatz".

Werbekunden ziehen sich zurück

Tatsächlich gehen Werbekunden auf Distanz zu Twitter. United Airlines schließe sich der Liste der Unternehmen an, die ihre Werbeausgaben auf Twitter einstellen, bestätigte eine Sprecherin der Fluggesellschaft am späten Freitag. Der Autobauer Audi und der Lebensmittelriese General Mills legten ihre Werbebuchungen auf der Social-Media-Plattform zuvor auf Eis. "Wir werden diese neue Richtung weiter beobachten und unsere Marketingausgaben prüfen", sagte ein General-Mills-Sprecher. Twitter erwirtschaftete mit Werbung zuletzt mehr als 90 Prozent seiner Einnahmen. Der Autobauer GM hatte seine bezahlten Werbeschaltungen auf Twitter bereits ausgesetzt.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal wollen auch der Lebensmittelkonzern Mondelez und der Pharmariese Pfizer bis auf weiteres nicht mehr auf Twitter werben. Die Unternehmen und Twitter äußerten sich dazu zunächst nicht.

Marodierender Musk

Unterdessen drohte Musk Werbekunden, die keine Anzeigen mehr bei Twitter schalten, öffentlich bloßzustellen. Der neue Twitter-Besitzer reagierte mit seinem Tweet in der Nacht auf Samstag auf den Vorschlag eines rechten Lobbyisten, er solle die Werbekunden benennen, "damit wir sie mit einem Gegenboykott belegen können". Musk schrieb in seiner Antwort: "Danke. Ein thermonukleares Benennen und Schämen ist exakt das, was passieren wird, wenn das nicht aufhört."

Musk hatte vergangene Woche den Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar abgeschlossen und hat dafür unter anderem Schulden aufgenommen, die bedient werden müssen. Die Werbeeinnahmen bringen fast den gesamten Umsatz von Twitter ein und ihr Rückgang ist damit besonders schmerzhaft.

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