TV-Konzerne suchen Schulterschluss: Fusionsdruck wegen Netflix

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Konsolidierung für viele Fernsehketten immer wichtiger. Gescheiterter M6-Deal wirft RTL Group zurück. Zusammengehen von RTL und ProSieben bleibt unwahrscheinlich.

Europäische Medienhäuser und Fernsehketten kämpfen beim Ringen um Zuschauer und Marktanteile nicht nur gegeneinander. Hauptkonkurrent ist vor allem die neue Macht der Streaming- und Videodienste - also globale Plattformen wie Netflix & Co, die den traditionellen Fernsehsendern immer mehr Zuschauer abluchsen. Ein Lösungsweg ist das Zusammengehen mit anderen TV-Sendern, um mit mehr Größe den US-Techfirmen Paroli bieten zu können.

Just bei dieser Strategie muss die RTL Group jedoch einen neuen Rückschlag wegstecken. Erst scheiterte die Fusion in Frankreich von TF1 und M6 wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken, dann blies die Bertelsmann-Tochter den Verkauf des Senders M6 ab. Damit ist auch eine Annäherung von RTL und ProSiebenSat.1 vorerst vom Tisch. Allerdings wirft der bayerische Konzern seinen Vorstandsvorsitzenden Rainer Beaujean hinaus und ersetzt ihn ausgerechnet durch den früheren RTL-Chef Bert Habets.

Fusionspläne?

Thomas Rabe, der Chef von RTL und Bertelsmann ist, hat wiederholt ein Zusammengehen von RTL mit ProSiebenSat.1 ins Spiel gebracht - zumindest für die mittlere Frist. "Die Logik für den Zusammenschluss von TF1 und M6 ist genau die gleiche Logik wie für RTL und ProSiebenSat.1", sagte Rabe Ende August im Reuters-Interview. Schon damals räumte er ein, dass ein Verbund der beiden deutschen Sender wohl erst einmal vom Tisch sei, sollten die französischen Wettbewerbshüter kein grünes Licht für M6/TF1 geben. "Wenn Frankreich nicht genehmigt werden sollte, dann wären das natürlich keine guten Vorzeichen für Deutschland." Ein RTL-Sprecher sagte nun zu einer Fusion von RTL und ProSiebenSat.1: "Das steht aktuell nicht auf der Agenda."

Auch in Unterföhring bei München heißt es dazu: Der Chefwechsel von Beaujean zum früheren RTL-Manager Habets "ändert nichts an der Einschätzung zuständiger Kartellbehörden zum deutschen TV-Markt". Beaujean hatte stets betont, RTL und ProSiebenSat.1 hätten zusammen 70 bis 80 Prozent Werbemarktanteil - allein deshalb sei eine Fusion nicht möglich. ProSiebenSat.1-Großinvestor MediaForEuropa (MFE) rechnet ebenfalls eher nicht damit, dass RTL und ProSieben zusammengehen könnten, heißt es in Aktionärskreisen. MFE, von Italiens ehemaligem Regierungschef Silvio Berlusconi kontrolliert, kommentierte den Abgang von Beaujean nicht.

Habets soll mit seiner Erfahrung in der Führung globaler Medienfirmen "die Entwicklung von ProSiebenSat.1 zu einem Digitalkonzern weiter vorantreiben". In der Branche heißt es: "Es wird wohl jemand gesucht, der mehr Visionär ist." Beaujean, der als Finanzvorstand begonnen hat, gilt vielen eher als Herr der Zahlen und Kostensenker in der Corona-Krise.

Anders als viele Konkurrenten sieht sich ProSiebenSat.1 nicht im direkten Kreuzfeuer großer Video-Plattformen. "Unsere Wettbewerber heißen Google und Facebook, nicht Amazon und Netflix", sagte Beaujean jüngst zu Reuters. Denn mit Joyn hat ProSieben seit 2019 einen werbefinanzierten Streaming-Dienst und will damit Zuschauer ohne Abo-Kosten locken. Die Bayern übernehmen für den symbolischen Preis von einem Euro die restlichen 50 Prozent an Joyn vom US-Medienriesen Warner Bros. Discovery.

 

RTL hingegen baut gerade aufgrund der mächtigen Streaming-Konkurrenz darauf, nationale Medienchampions zu bilden - durch Verkauf oder Fusion. An dem Ansatz halte man fest, auch wenn der Zusammenschluss von M6 mit dem französischen Sender TF1 und nun der Verkauf von M6 gescheitert sei. "Marktkonsolidierung auf den europäischen TV-Märkten wird früher oder später stattfinden." RTL werde seinen 48,3-prozentigen Anteil an der M6 Gruppe behalten, sagte M6-Chef Nicolas de Tavernost. Dies hindere aber nicht daran, "Partner hinzuzuziehen, die uns bei unserer Entwicklung helfen würden", sagte der Manager der Zeitung "Le Figaro". M6 habe genug Mittel für weitere Investitionen, etwa in Inhalte und Streaming. Die M6-Aktie verlor derweil am Dienstag rund zehn Prozent.

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