TTIP: "Wir sind die wirklichen Gewinner"

Sogar Schulungsmaschinen fallen unter die Dual-use-Sperrliste.
Maschinenbau: In den USA und Russland droht Europa das Match mit den Asiaten zu verlieren.

Österreich ist eine Wirtschaftsgroßmacht – zumindest bei den Werkzeugmaschinen: Fast 900 Mio. Euro Produktionswert bedeuten Platz neun der größten Produzentenländer weltweit. In absoluten Zahlen, nicht etwa gemessen an der Bevölkerungszahl. 75 Prozent gehen in den Export, der Großteil in die Automobil-, Energie- und Luftfahrtindustrie.

Ein besonders zukunftsträchtiger Markt sind für Maschinenbauer die USA: "Dort herrscht ein gigantischer Investitionsstau. Wenn Sie die Fabrik eines Verarbeiters besichtigen, ist das wie eine technologische Zeitreise. Die Anlagen sind im Durchschnitt zwanzig Jahre alt", sagt Frank Brinken, Vorsitzender des Europäischen Verbandes der Werkzeugmaschinenhersteller (Cecimo), zum KURIER.

Jetzt, wo die USA ihre Industrie ins Land zurückholen, drängen japanische Konkurrenten aggressiv darauf, dieses Geschäft zu machen. "Wenn wir untätig bleiben, schwimmt uns der Markt weg", warnt Brinken.

EU-Länder pro TTIP

Deshalb wagt sich die Branche aus der Deckung, um die skeptischen Österreicher von der Sinnhaftigkeit eines Freihandelsabkommens zu überzeugen. "Wir sind die wirklichen Gewinner durch TTIP", sagt Berndt-Thomas Krafft, Geschäftsführer des Fachverbandes Maschinen und Metallwaren (FMMI). 13 Prozent der Europa-Exporte in die USA entfielen rein auf den Maschinenbau.

TTIP: "Wir sind die wirklichen Gewinner"
APA9423636-2 - 12092012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - PK WKÖ - Fachverband Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) am Mittwoch, 12. September 2012, im Presseclub Concordia in Wien. Im Bild: FMMI-Obmann Christian Knill. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Wenn Zölle und doppelgleisige Prüfverfahren wegfallen, würde das vor allem den Klein- und Mittelbetrieben beim Markteintritt helfen, ist FMMI-Obmann Christian Knill überzeugt.

Dass TTIP am heftigen Widerstand zerbrechen werde, glaubt Brinken übrigens nicht. In Deutschland und Österreich werde gern übersehen, dass etliche EU-Länder vehement für das Abkommen sind. "Da ist Volldampf dahinter. In den Verhandlungen steckt eine für Brüssel ungewohnte Dynamik", so Brinken. Er glaubt, dass ein Abschluss 2016 möglich ist.

Veraltete Sperrliste

Zu schaffen machen der Branche auch die Russland-Sanktionen, die im August des Vorjahres verschärft wurden. Schon im dritten Quartal 2014 sind die Exporte für Werkzeugmaschinen um 37 Prozent dramatisch eingebrochen. Vom viertwichtigsten Markt ist Russland auf Platz sieben zurückgefallen.

Der Grund: Weil Werkzeugmaschinen für zivile wie militärische Zwecke verwendet werden können (dual-use), gelten strenge Ausfuhrregeln. Russische Unternehmen, die ein Standbein in der Rüstung haben, dürfen nicht beliefert werden. Das sind viele, etwa das United-Aircraft-Konsortium OAK. Obendrein stammt die Definition heikler Spitzentechnologie aus den 1970ern. Somit fallen vergleichsweise simple Maschinen darunter, wie sie für Schulungen verwendet werden. Die Branche drängt deshalb auf die überfällige Überarbeitung der Sperrliste (des so genannten "Wassenaar-Abkommens").

Die Russen suchen unterdessen neue Lieferanten in Japan, Korea und Taiwan. "Wir präsentieren der Konkurrenz 40 Jahre gute, gewachsene Beziehungen auf dem Silbertablett", kritisiert Brinken. Solange sie nicht weltweit gelten, seien die Sanktionen gegen Moskau wirkungslos.

Die Maschinen- und Metallwarenbranche umfasst in Österreich etwa 1200 Betriebe mit rund 120.000 Beschäftigten. Zuletzt hat die Branche rund 35 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Die jüngste Konjunkturentwicklung war eher trüb. Nach vorläufigen Zahlen hat die Maschinen- und Metallwarenindustrie (MMI) im abgelaufenen Jahr 2014 ungefähr einen nominellen Produktionsrückgang von -3,6 Prozent und bei den Auftragseingängen von -2,3 Prozent verzeichnet. Die Zahl der Beschäftigten ging um rund -1,3 Prozent zurück. Die Exporte lagen mit +0,5 Prozent nominell im Plus, real gab es ebenfalls einen Rückgang.

Der Ausblick sieht besser aus. Die positiven Meldungen aus Deutschland, der niedrige Eurokurs, günstige Energie- und Rohstoffpreise und der Rückstau an Investitionen sprechen für ein Ankurbeln. "Wir sehen, es muss etwas passieren, erkennen aber noch nicht den großen Aufschwung", sagt FMMI-Chef Christian Knill. Das erste Halbjahr 2015 werde noch von Stagnation gekennzeichnet sein, für das zweite Halbjahr gibt es die Hoffnung auf ein Anspringen der Konjunktur.

Die USA sind ein wichtiger Hoffnungsmarkt. Schon in den Jahren 2003 bis 2014 nahmen die Exporte der MMI in die USA um durchschnittlich 16 Prozent zu.

Bei Werkzeugmaschinen hat die europäische Industrie mehr als 40 Prozent Weltmarktanteil, sogar 90 Prozent der Innovationen stammen vom alten Kontinent. Der Dachverband Cecimo, dem Frank Brinken vorsteht, bündelt 15 Verbände, vornehmlich in Westeuropa und der Türkei. 80 Prozent der vertretenen Unternehmen sind kleine und mittlere Firmen. 2014 produzierten die insgesamt 1500 Hersteller mit 150.000 Mitarbeitern einen Wert von rund 23 Mrd. Euro, etwa die Hälfte davon wird außerhalb Europas verkauft. Österreich liegt weltweit auf Platz neun, in Europa ist das Land der fünftgrößte Produzent hinter Deutschland, Italien, der Schweiz und Spanien.

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