TTIP-Abkommen: Faymann bremst Juncker

EU-Gipfel: Kommissionschef drängt auf Deal mit USA bis Jahresende – Kanzler will strittige Punkte ansprechen.

Beim EU-Gipfel Donnerstag und Freitag in Brüssel wird TTIP eines der großen Streitthemen. Kommissionschef Jean-Claude Juncker will Tempo in die Verhandlungen bringen und die 28 Staats- und Regierungschefs auf einen Abschluss des Freihandelsabkommens mit den USA noch im heurigen Jahr einschwören. Juncker darf mit Gegenwind aus Österreich rechnen – denn der Kommissionschef will den Kanzlern und Premierministern auch das Versprechen abringen, im eigenen Land die positiven Seiten TTIPs stärker hervorzustreichen.

"Vorteile vermitteln"

Der jüngste Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen sah vor, dass alle 28 auf einen positiven Abschluss der Verhandlungen bis Jahresende hinarbeiten. Die EU sollte "alles daran setzen", noch heuer einen Abschluss zu erreichen. Neben der Kommission sollen sich auch die Mitgliedsstaaten "verstärkt darum bemühen, die Vorteile des Abkommens zu vermitteln".

TTIP-Abkommen: Faymann bremst Juncker
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Juncker wird für seinen Plan im Kreis der Staatenlenker nicht nur Applaus ernten: Wie der KURIER erfuhr, wird sich Bundeskanzler Werner Faymann in der TTIP-Debatte zu Wort melden. Faymann will zwei Punkte im Protokoll vermerkt haben: Erstens seine Bedenken gegenüber den umstrittenen Schiedsgerichten. Der Kanzler warnt seit Längerem vor privaten, intransparenten Schlichtungsstellen, die Konflikte zwischen Investoren und Staaten regeln; er hält sie beim Freihandel zwischen der EU und den USA nicht für nötig. Ursprünglich galt es als fix, dass die Schiedsgerichte Teil von TTIP werden; nach massiver Kritik will Handelskommissarin Cecilia Malmström nun bis zum Sommer ein neues Modell für die Schlichtung vorlegen.

Wer entscheidet?

Zweitens will Faymann die rot-weiß-rote Sicht – in diesem Punkt ist die Große Koalition einig – darlegen, wonach TTIP ein sogenanntes gemischtes Abkommen sei. Der Hintergrund: Über solche Abkommen müssen auch die nationalen Parlamente abstimmen. Eine Mehrheit der Staaten sieht das so, die Kommission hat sich aber noch nicht festgelegt; rechtlich ist die Lage nicht eindeutig geklärt.

In Brüssel wird Faymanns Auftritt mit Spannung erwartet – rund um TTIP war das Verhältnis zwischen Kommission und Kanzleramt zuletzt angespannt. Malmström ärgerte sich öffentlich, dass Faymann bei den Gipfeln die Beschlüsse mittrage, um sie dann zu Hause zu kritisieren. In ihrem Umfeld heißt es auch, der Kanzler habe die Kommissarin bei deren Besuch in Wien Ende Jänner anlässlich der TTIP-Verhandlungen nicht treffen wollen.

Stimmt nicht, heißt es aus Faymanns Büro auf Anfrage des KURIER: Malmström habe nie um ein Treffen mit Faymann gebeten; es sei üblich, dass sie bei ihren Besuchen in den Nationalstaaten mit den zuständigen Fachministern zusammentreffe – und das sei nun einmal Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Faymann habe aber wiederholt mit Juncker über TTIP gesprochen.

Diese Aufteilung gilt auch heute: Während Faymann Juncker beim Gipfel Paroli bieten will, ist Mitterlehner gemeinsam mit Agrarminister Andrä Rupprechter bei Malmström zu Gast.

In Brüssel blickt man gespannt nach Berlin: Die Tonlage von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble zu Griechenland unterscheidet sich beträchtlich – und das seit Tagen.

Deutschland muss ein Land sein, das nichts unversucht lässt, um Fortschritte zu erreichen“, begründet Merkel ihr bevorstehendes Treffen mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras beim EU-Gipfel und Montag nächster Woche in Berlin. Gerade in dieser Zeit sei es wichtig, dass man miteinander rede, betonte die Kanzlerin. Ganz anders hört sich Schäuble an: In Wien sprach er ganz offen von einem „Graccident“. Sein Satz löste Schockwirkungen in ganz Europa aus.

Bei Diskussionen lästert er über griechische Sitten. Bei einem Segel-Törn in der Ägäis vor vielen Jahren habe er nach 17 Uhr keine Hafengebühr mehr zahlen können, weil kein Personal mehr da war. „Das ist der Zustand Griechenlands“, resümiert der Finanzminister. Die Abrechnung mit Athen mündet in dem vernichtenden Fazit: „Sie (die Griechen) haben alles Vertrauen zerstört.“

Ärger mit Varoufakis

Dazu kommt die Wut Schäubles über ständige Attacken aus Athen, die selbstgefälligen Auftritte von Finanzminister Yanis Varoufakis, der Abmachungen breche und von EU-Kompromisspolitik keine Ahnung habe.

Torpediert Schäuble die Geste des guten Willens seiner Chefin? Oder wird hier „Good Cop, Bad Cop“ gespielt? EU-Insider rätseln, ob es in der Tat Differenzen zwischen Merkel und Schäuble gibt – oder ob die psychologische Taktik „guter und böser Polizist“ bewusst von der CDU-Spitze eingesetzt werde, um die EU-Partner zu verwirren und die Griechen mürbe zu machen.

Auch die USA machen sich bereits Sorgen über den Umgang der EU gegenüber Athen. Sollte Griechenland aus der Eurozone hinausgeschleudert werden, könne das schwere Folgen für die Südostflanke der NATO, für die strategisch und sicherheitspolitisch heikle Region haben. Wie delikat die Lage ist, veranschaulicht die Frage eines US-Diplomaten: „Hat die EU überhaupt noch einen Plan?“

EU-Währungskommissar Moscovici schließt jedenfalls einen griechischen Euro-Austritt nicht grundsätzlich aus. „Wir werden Griechenland nicht zu jedem Preis in der Eurozone halten, sondern zu strikten Bedingungen, die für beide Seiten akzeptabel sind.“

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