Die Firma Siemens Energy sucht in Wien verzweifelt Lehrlinge im Mangelberuf Elektrotechnik. Die 17-jährige Rosanna B. hat sich im Vorjahr für eine Lehrstelle beworben. Im Auswahlverfahren wurde sie als bestens qualifiziert eingestuft und sollte am 1. September 2022 ihre Lehre antreten. „Ich habe mich schon immer für technische Berufe interessiert und möchte gerne handwerklich arbeiten“, berichtet die junge Iranerin dem KURIER. Allein daraus wurde nichts. Rosanna erhielt keine Beschäftigungsbewilligung.
Rosanna ist seit 7 Jahren mit ihren Eltern in Österreich, spricht einwandfrei Deutsch, besucht derzeit eine Fachschule und ist gut integriert. Der Vater arbeitet als Zusteller. In die Heimat zurück könne die Familie nicht mehr, da eine Verfolgung durch die Religionspolizei drohe. Eine Lehre machen darf sie trotzdem nicht. Der Grund: Ihr Asylverfahren wurde letztinstanzlich negativ bescheinigt, daher hat sie derzeit keinen Aufenthaltstitel. Das AMS stellt daher auch keine Beschäftigungsbewilligung aus. Daran ändern auch die gelockerten Bestimmungen bezüglich Zugang zur Lehre für Asylwerber nichts. Die Schule besucht sie vorerst weiter.
Unverständnis bei Arbeitgeber
Bei Siemens Energy wäre sie „mit offenen Armen“ genommen worden, sagt Walter Panek, Ausbildungskoordinator bei Siemens Energy Austria zum KURIER. Er kann nicht nachvollziehen, warum Rosanna zwar weiter in die Schule gehen, aber keine Lehre absolvieren darf. „Das ist reine Willkür, das versteht niemand“, klagt er. „Wir hatten sie schon fix engagiert und dadurch sogar einen Ausfall, weil wir sie nicht so rasch nachbesetzen konnten“, schildert Panek seine Personalnot. Sein Unternehmen sei international tätig und beschäftige Mitarbeiter aus vielen Nationen, auch aus dem Iran und dem Irak.
Die Gesetzeslage
Grundsätzlich dürfen Asylwerber in Österreich beschäftigt werden, wenn ihr Asylverfahren seit mindestens drei Monaten läuft. Allerdings prüft das AMS, ob sich für die Stelle nicht auch ein Österreicher oder EU-Bürger findet (Arbeitsmarktprüfung). Das gilt auch für die Lehre. Heuer gab es bereits 830 solcher Beschäftigungsbewilligungen durch das AMS, darunter waren 9 Lehrlinge.
Ist das Asylverfahren mit positiven Bescheid abgeschlossen, haben die nun Asylberechtigten (=anerkannte Flüchtlinge) freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch subsidiär Schutzberechtigte (keine Verfolgung aber Schutzgründe wie drohende Folter oder Todesstrafe) unterliegen keinerlei Beschränkungen, so lange der Status aufrecht ist.
Ausbildungskoordinator Panek kann die Erfordernis einer Arbeitsmarktprüfung nicht ganz nachvollziehen: „Warum soll ich einen schlecht qualifizierten Inländer nehmen, wenn ich einen sehr guten Asylwerber haben kann“, argumentiert er.
Die Beschäftigungsmöglichkeiten von Flüchtlingen hängen vom jeweiligen Status ab:
Asylwerber dürfen drei Monate nach Zulassung zum Asylverfahren mit einer Beschäftigungsbewilligung durch das AMS - Arbeitsmarktprüfung - in allen Bereichen beschäftigt werden.
Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte haben freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt (keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich). Es gelten hinsichtlich ihrer Beschäftigung dieselben Vorschriften wie für die Beschäftigung von österreichischen Staatsangehörigen.
Geflüchtete aus der Ukraine mit einer blauen Aufenthaltskarte benötigen seit April 2023 keine Beschäftigungsbewilligung mehr, sie haben freien Arbeitsmarktzugang.
Weitere Infos zur Beschäftigung von geflüchteten Personen finden Sie auf der Homepage der WKO
Reform gefordert
Die Produktionsgewerkschaft ProGe fordert für Asylwerber bis zum 25. Lebensjahr grundsätzlich die Möglichkeit, eine Lehre in Mangelberufen zu absolvieren. Auch nach einer rechtskräftigen Ablehnung sollen sie die Lehre beenden dürfen. „Es macht überhaupt keinen Sinn, junge Asylwerber von der Lehre auszuschließen, zumal sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren noch zuspitzen wird“, sagt ProGe-Jugendvorsitzender Maximilian Felbermayer zum KURIER.
Derzeit gibt es knapp 100 Mangelberufe. Per Definition handelt es sich um Stellen, für die weniger als 1,5 Arbeitssuchende beim AMS vorgemerkt sind oder bei denen es besonderen Personalbedarf gibt.
Nach erfolgreichen Lehrabschluss soll geprüft werden, ob ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt werden kann. Dies könnte etwa in Form der Rotweißrot-Karte erfolgen, die bisher weder für Lehrlinge noch für Asylwerber zugänglich ist.
Asyl von Arbeitsmigration zu trennen
Die Regierung hat die Hürden für qualifizierten Zuzug via Rotweißrot-Karte zwar etwas gelockert. Sie legt aber großen Wert auf eine strikte Trennung von gesteuerter Arbeitsmigration nach dem Niederlassungs- und Auftenhaltsgesetz (NAG) und dem Asylgesetz.Ferner wird auf die rund 25.000 Asylberechtigten verwiesen, die beim AMS vorgemerkt sind und einen Job annehmen könnten.
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