Konjunkturflaute bringt leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit

Konjunkturflaute bringt leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit
Kocher: "Die Aussichten sind nicht so rosig, wie wir sie gerne hätten." ÖGB und AK fordern Verbesserungen der Arbeitsbedingungen statt mehr Saisonniers. Hörl hält dagegen.

Die Wirtschaftsdynamik in Österreich schwächt sich ab und lässt die Arbeitslosigkeit steigen. Ende Mai gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,9 Prozent mehr Menschen ohne Job. Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammengerechnet waren 320.602 Personen (+9.059) ohne Beschäftigung. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich leicht um 0,2 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Die Arbeitslosigkeit war im April im Jahresabstand das erste Mal seit zwei Jahren gestiegen.   

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Die Konjunktureintrübung machte sich auch am Stellenmarkt sichtbar. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) waren Ende Mai über 117.000 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet, ein Minus von rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Optimistischer für die zweite Jahreshälfte

Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) erinnerte heute daran, dass die Konjunktur heuer im ersten Halbjahr schwächer laufe als im Vorjahr, allerdings würden die Wirtschaftsforscher für die zweite Jahreshälfte und das kommende Jahr optimistischer sein. Die hohe Inflation drücke jedenfalls auf die Stimmung in der Wirtschaft. "Die Aussichten sind nicht so rosig, wie wir sie gerne hätten", erklärte Kocher vor Journalisten in Wien.

Grundsätzlich hielt er fest: "Die Lage am Arbeitsmarkt ist glücklicherweise besser als wir das befürchtet haben, aber wir haben Herausforderungen."Letztere sieht auch der ÖGB. Dessen leitende Sekretärin, Ingrid Reischl, betonte heute, dass sie kein Verständnis dafür habe, dass Kocher angesichts steigender Arbeitslosenzahlen vor kurzem das Saisonkontingent für den Tourismus um de facto 1.300 Plätze aufgestockt habe.

"Und das ohne, wie im Ausländerbeschäftigungsgesetz eigentlich vorgesehen, die Meinung der Sozialpartner einzuholen", so Reischl. Weitaus sinnvoller und notwendiger wäre es, "endlich die Arbeits-und Einkommensbedingungen, gerade in Branchen wie dem Tourismus, zu verbessern." Und auch Ines Stilling, Sozialbereichsleiterin der AK erklärte: "Nur Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, ist keine Lösung."

Meinungen

Franz Hörl, Obmann des Tiroler Wirtschaftsbundes, wollte das heute nicht so stehen lassen. Er fordert "rasch weitere Öffnungsschritte am Arbeitsmarkt, um die Leistungsfähigkeit halten zu können". Es müsse zu einer Kursänderung bei der Ausländerbeschäftigungspolitik kommen. "Besonders Tirol ist aufgrund der de facto Vollbeschäftigung und des damit begrenzten Potenzials an inländischen Arbeitskräften auf Mitarbeiter aus dem Ausland angewiesen", so Hörl.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), wiederum meinte: "Fakt ist, dass unsere Betriebe mit einem enormen Arbeits- und Fachkräftemangel konfrontiert sind, dem es dringend gegenzusteuern gilt. Es ist höchst an der Zeit, an allen Stellschrauben zu drehen, um das vorhandene Potenzial auch tatsächlich voll auszuschöpfen."

Für FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch haben Kocher und AMS-Vorstand Johannes Kopf in den vergangenen Monaten "die sich abzeichnende negative Entwicklung des heimischen Arbeitsmarkts völlig verschlafen". "Kocher muss endlich von seinen theoretischen Ansätzen in die Umsetzung von angekündigten Maßnahmen umschalten, denn die Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr das größte Problem überhaupt für unser Land werden", so Belakowitsch.

Appell an arbeitssuchenden Ukrainerinnen und Ukrainer

Minister Kocher appellierte heute an die arbeitssuchenden Ukrainerinnen und Ukrainer, sich beim AMS registrieren zu lassen. Entgegen manch kursierenden Gerüchten würden sie dadurch nicht ihre Sozialleistungen verlieren, betonte er. In einigen Bundesländern würden die Anmeldungen gut laufen, andere Länder hätten noch "Potenzial". WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf forderte heute für die Geflohenen aus der Ukraine als nächsten Schritt "die dauerhafte Bleibeperspektive". Denn hätten die Vertriebenen aus der Ukraine diese, würde die Arbeitsmarktintegration noch besser gelingen.

Seit 21. April haben Ukrainerinnen und Ukrainer einen völlig freien Arbeitsmarktzugang in Österreich und werden deswegen in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Von den 9.000 zusätzlichen Arbeitslosen und Schulungsteilnehmern Ende Mai sind laut AMS-Vorstand Kopf etwa 4.400 Vertriebene aus der Ukraine.

"Die schwache Wirtschaftsentwicklung, die hohe Inflation und ein verstärkter Zugang von arbeitssuchenden Konventionsflüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten erklären den restlichen Anstieg", so der AMS-Vorstand in einer Stellungnahme.

Zahlen im Details

Nach Branchen betrachtet gab es Ende Mai mehr Arbeitslose und Schulungsteilnehmer am Bau (+5,6 Prozent), im Gesundheitswesen (+5 Prozent), in der Beherbergung und Gastronomie (+3,6 Prozent), im Bereich Verkehr und Lagerwesen (+ 2,9 Prozent) und in der Warenerzeugung (+2,4 Prozent). Rückläufig war die Arbeitslosigkeit nur bei der Arbeitskräfteüberlassung (-6 Prozent) und im Handel (-0,8 Prozent).

Im Bundesländervergleich gab es den stärksten Arbeitslosenanstieg in der Steiermark (+6 Prozent), gefolgt von Vorarlberg (+5,4 Prozent), Salzburg (+3,7 Prozent), Wien (+3,6 Prozent), Oberösterreich (+ 3 Prozent), Burgenland (+ 1,8 Prozent), Kärnten (+1,2 Prozent) und Niederösterreich (+0,1 Prozent). Der einzige Arbeitslosenrückgang wurde in Tirol (-1 Prozent) registriert.

Der stärksten Anstieg der Arbeitslosigkeit inklusive Schulungsteilnehmer wurde bei Personen mit akademischer Ausbildung (+12,3 Prozent) und Ausländern (+11,6 Prozent) verzeichnet. Rückläufige Zahlen gab es bei den über-50-Jährigen (-3,2 Prozent) und bei Inländern (-2,6 Prozent).

Schwerpunkt

Einen Schwerpunkt will der Arbeits- und Wirtschaftsminister künftig bei den IT-Jobs setzen, die längst nicht nur in den klassischen Digitalbereichen nachgefragt würden. Insbesondere bei Softwareentwicklern, IT-Support und IT-Managern klaffe die Lücken zwischen Nachfrage und Angebot besonders weit auseinander. Insgesamt seien im Mai 3.817 offene IT-Stellen beim AMS gemeldet gewesen, wobei nicht jeder Bedarf beim Arbeitsmarktservice gemeldet werde, so Kocher.

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