Trotz harscher Kritik zieht Linz positive Schlüsse
Im aktuellen Rechnungshofbericht über das verlustreiche Spekulationsgeschäft „Swap 4175“ hat die Linzer Stadtpolitik ihr Fett abbekommen. Diese Zinswette auf Schweizer Franken-Basis, die Linz 2007 mit der Bawag abgeschlossen hat, war laut Rechnungshof „von Anfang an für die Stadt ungeeignet“ und optimierte die Linzer Finanzschulden, insbesondere eine 195-Millionen-Franken-Anleihe, nicht. Einerseits war der Swap so konstruiert, dass die Zinssätze „exponentiell ansteigen“ können, anderseits wurde das Franken-Währungsrisiko gar nicht abgesichert.
„Das Derivatgeschäft führte zu einem potenziell unbegrenzten Risiko für die Stadt, je nachdem wie sich der Euro-Franken-Kurs entwickelte“, stellten die Prüfer fest. „Das war bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zinswette zu erkennen.“ Auch habe ein entsprechendes Risikomanagement in Linz gefehlt. Und: Linz hätte früher die Reißleine ziehen und Ausstiegsangebote der Bawag annehmen müssen.
„Die Kritik an den verschiedenen Akteuren in der Linzer Politik und Stadtverwaltung ist nur eine Seite der Medaille“, sagt Universitätsprofessor Meinhard Lukas, Rechtsberater der Stadt Linz. „Die andere Seite ist, welche zivilrechtlichen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können.“ Denn: Es steht viel Geld auf dem Spiel. Die Stadt hat die Zinswette einseitig gekündigt, die Bawag klagte daraufhin 417,74 Millionen Euro Schaden ein.
Geschäft unwirksam?
„Entgegen aller Privatgutachten der Bawag, die diese Zinswette als sinnvoll und vernünftig einstufen, stellt der Rechnungshof klar, dass das Geschäft unverantwortlich war und allen Regeln widerspricht“, sagt Lukas. Es fehlt dafür auch der entsprechende Gemeinderatsbeschluss. Lukas folgert aus der RH-Kritik, dass das Swap-Geschäft rechtlich unwirksam ist. Damit wäre Linz aus dem Schneider und müsste nichts zahlen. Doch der Ball liegt beim Handelsgericht Wien.
Indes hat die Bawag kein schlechtes Gewissen, den Linzern ein völlig ungeeignetes Spekulationsgeschäft verkauft zu haben. Laut Bawag-Jurist Alexander Schall hat Linz das Währungsrisiko bewusst in Kauf genommen, um kein Geld für eine Absicherung in die Hand nehmen zu müssen.
Die Spekulationsaffäre um den "Swap 4175" zwischen Stadt Linz und der Bawag liegt neue brisante Munition vor. Wie berichtet, streiten die Stadt und die Bank mittlerweile vor Gericht (mehr dazu...), wer denn verantwortlich an der verlustträchtigen Zinswette ist. Sie schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Der Streitwert beträgt rund 470 Millionen Euro.
Nun liegt ein aktueller Prüfbericht des Rechnungshof (RH) vor, der die Vorgangweise der Linzer Stadtväter bzw. des damaligen Linzer Finanzdirektors scharf kritisiert. "Mit dem Abschluss des Derivativs "Swap 4175" wurde das Ziel verfolgt, den Zinsaufwand der Stadt Linz in Abhängigkeit vom Kurs des Schweizer Franken zu reduzieren", heißt es in dem RH-Bericht, der dem KURIER vorliegt. "Die Verzinsungsregelung des Swaps konnte jedoch zu exponentiell ansteigenden Zinssätzen führen, das Währungsrisiko blieb als Risikoposition ungesichert. Das Derivativgeschäft führte zu einem
potenziell unbegrenzten Risiko für die Stadt, je nachdem, wie sich der Euro-Franken-Kurs entwickelte." Nachsatz: "Das war bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Zinswette zu erkennen." Laut den RH-Prüfern war der Swap "daher als Absicherungsinstrument ungeeignet".
Denn: Das Grundgeschäft, eine 195-Millionen-Franken-Anleihe, das eigentlich abgesichert werden sollte, war "nicht gegen eine aus Sicht der Stadt Linz ungünstige Veränderung des Wechselkurses, sprich eines Erstarkens des Schweizer Franken abgesichert". Tatsächlich zog der Franken gegenüber dem Euro stark an und bescherte den Linzer ein finanzielles Desaster.
Gleiches gilt für den Zinssatz, der auch nicht abgesichert war. "Der Swap verfügte über einen extrem hohen Hebel in Form einer währungsabhängigen Zinsbindungsformel", stellten die Prüfer fest: "Insgesamt war das Derivativ bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses hinsichtlich des Währungsrisikos mit dem im Stadtstatut verankerten Spekulationsverbot nicht vereinbar."
Die Risikosituation für die Stadt Linz, insbesondere Worst-Case-Szenarien, wurde laut RH vor dem Abschluss des Swaps nicht ausreichend analysiert und bewertet.
"Damit verletzte der Finanzdirektor mehrere Bestimmungen des Stadtstatuts und handelte pflichtwidrig zum Nachteil der Stadt Linz", heißt es im Bericht weiter. "Besonders kritikwürdig war die vom Finanzdirektor getätigte einseitige Hervorhebung der positiven Argumente und die geradezu sorglose Missachtung kritischer, für den Abschluss solcher Finanzgeschäfte jedoch unerlässlicher Alternativszenarien."
Keine Risikodeckelung
Die Bawag bot laut RH ab Juli 2007 der Stadt insgesamt sechs Angebote zum Ausstieg bzw. zur Deckelung des Risikos an. "Ob der Finanzdirektor diese Angebote in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht prüfte, war nicht nachvollziehbar; dadurch nahm er die Gefahr noch höherer Verluste in Kauf", kritisieren die RH-Experten. "Dabei hatte er die Bedeutung der Marktwerte zur Bewertung der Chancen und Risiken der Derivative nicht gebührend beachtet. Die ablehnende Haltung des Finanzdirektors gegenüber den Umwandlungsangeboten der BAWAG war äußerst kritikwürdig, weil bei der Art des Risikos aus diesem Derivativgeschäft Absicherungsmaßnahmen und das
Einziehen eines maximalen Verlustlimits dringend notwendig gewesen wären." Da eine Stop-Loss-Strategie fehlte, "verfügte die Stadt Linz über keine wirksame Maßnahme zur Risikobegrenzung".
Fehler der Entscheidungsträger
Zitat aus dem Rechnungshof: "Die vom ehemaligen Finanzdirektor regelmäßig dem Finanzausschuss vorgelegten Berichte waren unvollständig und nicht sachgerecht. Sowohl die Mitglieder des Finanzausschusses als auch die sonstigen Entscheidungsträger der Stadt Linz verabsäumten es, Hinweisen auf risikoreiche Finanzgeschäfte konsequent und kritisch nachzugehen und damit die drohenden finanziellen Nachteile aus den Swaps (417,74 Mio. EUR) zu vermeiden oder zumindest deutlich zu reduzieren."
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