Laut AMS besteht im dynamischen Tourismus, wo ständig Personal gesucht wird, vor allem ein Rekrutierungsproblem. Müssen sich die Betriebe mehr anstrengen?
Ganz sicher braucht es da mehr Anstrengung. Den Fachkräftemangel gab es ja auch schon vor der Pandemie. Jetzt hat sich die Lage noch verschärft, weil viele gehofft haben, noch knapp vor der Saison Personal zu bekommen. Es muss wesentlich früher und professioneller mit der Rekrutierung begonnen werden. Das ist ein Lernprozess, wo jetzt das AMS und die Interessensvertretungen mithelfen, wieder aufzuholen.
Müssten Verbände wie die Wirtschaftskammer sich da jetzt nicht viel aktiver mit Initiativen wie Anwerbeaktionen einbringen?
Ja, das stimmt. Da braucht es noch viel mehr Unterstützung für den Strukturwandel.
Was tun Sie als Staatssekretärin, um die akute Personalnot zu lindern?
Wir brauchen ein kurz-, mittel- und langfristiges Arbeitsmarktpaket, damit wir mehrere Maßnahmen strategisch angehen können und zwischen denen, die sie umsetzen, orchestrieren können. Sonst macht jeder irgendwas. Ich sehe es als meine Aufgabe, das in eine strategische Form zu bringen.
Aber was lässt sich kurzfristig umsetzen? Die Betriebe wollen mehr Saisonniers holen. Im Gespräch ist ein Sonderkontingent für den Sommer. Wann kommt das?
Dieser Sommer wird sicher ein spezieller. Ich werbe bei allen Entscheidungsträgern um Verständnis, dass wir heuer noch Unterstützung brauchen. Eine Möglichkeit wäre es, das Saisonnierkontingent zu erhöhen. Es gäbe Bewerber aus dem Westbalkan, die nicht kommen können, weil das Kontingent erschöpft ist. Es versteht niemand, warum die nicht angestellt werden können.
Verhandelt wird das Saisonnierkontingent auch im Wirtschaftsministerium …
Ja, aber wir sind ja in einer Koalition und da geht es um eine mit dem Koalitionspartner abgestimmte Vorgangsweise. Ich mache der Politik die Dramatik aber derzeit extrem bewusst.
Manche Touristiker hoffen auch auf die Ukrainerinnen. Zu Recht?
Das hängt von den Umständen ab, wo die Geflüchteten leben und ob sie für den Tourismus arbeiten können oder wollen. In einigen Bundesländern wie Vorarlberg funktioniert das sehr gut, es gibt dort spezielle Quereinsteigerkurse, nicht nur für Ukrainerinnen, sondern für alle.
Es gibt auch noch 36.000 Arbeitslose, die zuvor im Tourismus gearbeitet haben. Und das AMS Wien könnte viele Asylberechtigte in den Westen vermitteln, aber dort sind sie nicht gerade begehrt.
Das kann natürlich mit der Kultur des Herkunftslandes zu tun haben, was wir unter kulturelles Dienstleistungsverständnis verstehen, Eingliederung in Teams und Hierarchien und so. Wenn das nicht funktioniert, bringt das nichts. Ich hab da schon von Beispielen gehört die zeigen, wie schwierig das ist.
In der Gastronomie ist jeder vierte Mitarbeiter nur geringfügig beschäftigt. Handlungsbedarf?
An dieser Schraube müssen wir sicher auch drehen. Das muss man natürlich genau analysieren. Manchmal wollen die Menschen aufgrund ihrer Lebenssituation nicht mehr arbeiten, oder aus steuerlichen Gründen. Auf Unternehmerseite müssen Spitzen abgedeckt werden, das funktioniert oft nur mit der Geringfügigkeit. Was mir aber in der Pandemie aufgefallen ist: Viele Mitarbeiter wollten nach der Kurzarbeit gar nicht mehr Vollzeit arbeiten, sondern weniger Stunden arbeiten. Dass junge Menschen häufig nur noch 30 bis 35 Stunden arbeiten wollen, ist eine neue Herausforderung für die Betriebe.
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