Tourismus: Deutsche kehren uns den Rücken

Tourismus: Deutsche kehren uns den Rücken
Die Österreich-Werbung setzt mit einer neuen Initiative auf Zukunftsmärkte wie Brasilien und China. Chefin Petra Stolba in KURIER-Interview.

Viele Deutsche bereisen heuer die neuen Urlaubsdestinationen an der Nord- und Ostsee. Marktanteile kann das Urlaubsland Österreich am ehesten über neue Gäste aus Hoffnungsmärkten wie Brasilien, China und Indien generieren. Der KURIER sprach mit der obersten Tourismuswerberin Petra Stolba.

KURIER: Der hessische Europaminister Jörg-Uwe-Hahn hat seine Landsleute aufgefordert, statt in Dänemark in Österreich zu urlauben. Balsam für den heimischen Tourismus, der unter den ausbleibenden deutschen Touristen leidet?
Petra Stolba: Natürlich ist so eine Reiseempfehlung erfreulich, substanzielle Auswirkungen sind aber nicht zu erwarten. Ähnliche Geplänkel gab es ja auch schon in der Vergangenheit.

Tourismus: Deutsche kehren uns den Rücken

Könnte das Urlaubsland Österreich heuer von der politischen Lage in Ländern wie Griechenland und Ägypten profitieren?
Die Stimmung in unseren Büros in den Herkunftsmärkten ist nicht euphorisch, aber wir haben eine realistische Chance, dass wir bei den Nächtigungen das Niveau des Vorjahres halten können. Besonders am schwedischen Markt, in dem wir im Vorjahr ein Nächtigungsplus von neun Prozent auf knapp 200.000 hatten, könnten wieder ähnliche Steigerungen drin sein.

Und bei den deutschen Urlaubern, der größten ausländische Gästegruppe?
Hier erwarten wir eine schwierige Sommersaison. Wie auch in anderen Ländern ist der Markt geprägt von Bemühungen, die Gäste für das eigene Land zu begeistern. Die deutschen Touristiker haben hohe Investitionen unter anderem an der Nord- und Ostsee getätigt und damit einen Neuigkeitswert geschaffen. Viele wollen sich diese Destinationen jetzt zumindest einmal ansehen.

Urlaub im eigenen Land dürfte derzeit bei vielen Nationen hoch im Kurs stehen ...
Bei Reisen spielen Psychologie und Emotionen eine große Rolle. Wirtschaftlich schwierige Zeiten verstärken in der Regel den Inlandstourismus.

Woher sollen dann zusätzliche Gäste kommen?
Um Marktanteile auszubauen, müssen wir nicht nur unsere Position auf unseren traditionellen Märkten halten, sondern vor allem neue Gäste in den neuen Wachstumsmärkten ansprechen.

Zum Beispiel?
Wir starten eine Internationalisierungsoffensive in zwölf Märkten, darunter Brasilien, China und Indien, aber auch Kroatien und der Slowakei. Ziel ist es, österreichischen Betrieben die Möglichkeit zu geben, erstmals in diesen Märkten aktiv zu werden. Viele haben sich bisher nicht getraut, aus Angst, Geld in den Sand zu setzen.

Wie genau soll sich ein Tiroler Hotelier im 195-Millionen-Einwohner-Land Brasilien Gehör verschaffen?
Wir produzieren unter anderem Medienbeilagen zum Urlaubsland Österreich und starten Rundfunk- und eMarketing-Kampagnen, bei denen auf unsere Internetseite mit konkreten Angeboten verwiesen wird. Incomer, Hoteliers oder auch Regionen können sich daran zu stark gestützten Preisen - ab 350 Euro - beteiligen. Die ersten Rückmeldungen der Branche sind sehr positiv.

Nach welchen Kriterien wurden diese zwölf Märkte ausgesucht?
Experten sehen in diesen Ländern langfristig großes Potenzial. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Ankünfte aus diesen Märkten in Österreich von 490.000 auf 950.000 gestiegen. Nur wenn wir in diesen Ländern aktiv sind, können wir unsere Marktanteile ausbauen.

Sie wurden kürzlich für eine zweite Amtsperiode als ÖW-Chefin wiedergewählt. Ihre Ziele?
Ich will, dass die österreichische Tourismuswirtschaft wettbewerbsfähig ist und ihre Marktanteile ausbaut. Die Internationalisierungsstrategie ist ein Puzzlestein. Ein anderer, dass wir, die Länder und Tourismusregionen strategisch besser akkordiert zusammenarbeiten, um einen stärkeren Werbedruck in den Märkten zu erzeugen. Im Herbst werden wir auch eine neue Werbekampagne vorstellen.

Im Vorjahr wurde es schon als Erfolg gefeiert, dass Österreich bei den Reiseverkehrseinnahmen weniger verloren hat als andere Länder. Rechnen Sie heuer mit einem Plus bei den Marktanteilen?
Das wird schwierig. Der Wettbewerb nimmt weiter zu, es gibt immer mehr Urlaubsdestinationen zu entdecken. Die Konkurrenz schläft nicht. Die Schweiz hat heuer beispielsweise ein Sonderbudget für den Tourismus bekommen, um die Auswirkungen des starken Franken abzufedern.

Ihre Prognose für den Sommer 2011?
Wie die Sommersaison ausfallen wird, ist letztlich auch stark vom Wetter abhängig, weil immer mehr Gäste kurzfristig buchen. Das gilt speziell für den Inlandsgast. Der Start in die Saison war nicht so berauschend, aber wir bleiben optimistisch.

Österreich Werbung: Oberste Tourismuswerber

Petra Stolba Die Wienerin, geboren 1964, hat Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie Politikwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre studiert. Sie arbeitet seit 1990 im Tourismus und war unter anderem im Ministerium und als Geschäftsführerin der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich tätig. Seit November 2006 ist sie Chefin der Österreich Werbung.

Österreich Werbung
Die Tourismusorganisation führt weltweit jährlich mehr als 1500 Marketingaktivitäten durch und beschäftigt 230 Mitarbeiter. Eigentümer sind das Wirtschaftsministerium und die WKÖ.

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