Teuerste Münze landet oft im Müll

Fast wertlos, aber teuer:Die ein und zwei Cents verursachen hohe Verluste
Schon 1,5 Milliarden Euro Verlust durch Herstellung – Abschaffung scheitert an Deutschland.

Ein Geldfälscher, der Fünf-Euro-Scheine auf Papier druckt, das sechs Euro kostet? Den würde jeder für verrückt erklären. Bei den großen Weltwährungen passiert so etwas seit vielen Jahren – allerdings mit den Münzen: Die Produktion und die Abwicklung der zwei kleinsten Werte von Euro-Cent- und Dollar-Cent-Münzen kosten mehr als sie wert sind.

Diese an sich minimalen Verluste (Story unten) läppern sich ordentlich: Durch die überteuerte Produktion sind seit der Euro-Einführung 2002 nach neuen Berechnungen mehr als 1,5 Milliarden Euro Minus aufgelaufen.

Den Vereinigten Staaten geht es ganz ähnlich: Der US-Münze verursachten der "Penny" (ein Cent) und "Nickel" (fünf Cent) ein Minus von 104,5 Millionen Dollar – und das allein im abgelaufenen Jahr.

50 Milliarden Stück

Dabei ist das Herstellen von Geld an sich ein Riesengeschäft: Die Ausgabestellen streifen mit der Differenz von Produktionskosten und Wert der Münzen und Scheine ordentliche Gewinne ("Seigniorage") ein, die die Staatshaushalte auffetten.

Nicht jedoch bei den Minimünzen. Dort kosten das Prägen und die Logistik bis zum Vierfachen des Nennwerts – besonders in Frankreich sind die Kosten extrem hoch.

Sie sind also teuer. Sie sind ein Ärgernis, weil sie die Geldbörsen anfüllen und Hosentaschen ausbeulen. Dem Handel bescheren sie viel Arbeit und hohe Kosten. Und allzu oft enden die ungeliebten Kupferlinge als Beilagscheibe im Werkzeugkasten oder werden schlicht entsorgt.

Die EU-Kommission schätzt, dass zwischen 25 und fast 100 Prozent (!) schlicht und einfach verschwinden. Deshalb sind enorme Prägemengen nötig: Mit Stand Jänner 2014 wurden unglaubliche 49,5 Milliarden Stück der beiden kleinsten Euro-Cent-Münzen in Umlauf gebracht. Deren Gegenwert beträgt bescheidene 712 Millionen Euro. Und durch die Teuerung verlieren die Mini-Münzwerte immer mehr an Kaufkraft und somit Relevanz.

Was spricht also noch gegen die Abschaffung? Nichts, haben sich die Finnen gesagt – und die kleinsten Münzen konsequenterweise gar nicht erst eingeführt: Außer für Sammler wurden nie 1 Cent und 2 Cent ausgegeben. Der Suomi-Zahlungsverkehr funktioniert dennoch klaglos: Entweder die Preise enden auf 95 (statt 99) Cent oder sie werden gerundet. Fazit: 88 Prozent der Finnen sind glücklich mit den Euro-Münzwerten, wie sie sind – der Bestwert in der Eurozone (Stand Oktober 2013). In den Niederlanden sind Eurocents ebenfalls ein Minderheitsprogramm. Seit 2004 wird auf fünf Cent gerundet.

Im Mai 2013 hat sich die EU-Kommission des Themas angenommen und vier Optionen vorgelegt: schlagartig abschaffen, auslaufen lassen, billiger produzieren – oder alles bleibt beim Alten.

Angst vor der Teuerung

Seither ist es verdächtig still geworden. "Die Diskussion über die Ein-Cent- und Zwei-Cent-Münzen läuft mit den Mitgliedstaaten auf technischer Ebene weiter", versichert eine Kommissionssprecherin auf Anfrage des KURIER. Das stimmt zwar, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Weil das Münzprägen in der Zuständigkeit der Nationalstaaten liegt, müssten sich diese einigen. Die Sache sei auf der langen Bank gelandet, weil sich primär Deutschland mit aller Kraft gegen die Abschaffung wehrt, wissen Insider. Die große Sorge der Deutschen hängt wie so oft mit dem nationalen Trauma, der Angst vor hoher Inflation, zusammen: Würden Preise auf fünf Cent gerundet, so könnte der Handel damit ein Körberlgeld einstreifen, lautet die Befürchtung. Das ließe sich durch klare Rundungsregeln verhindern, kontern Ökonomen.

Der Chef der Münze Österreich, Gerhard Starsich, kann sich jedenfalls ebenso wenig für eine Abschaffung erwärmen. Deutschland und Österreich seien eben "sehr münzaffine Länder", erklärt er. Obendrein fallen hüben wie drüben gar keine Verluste an: Dank effizienter Methoden sei die Produktion der Ein-Cent-Münze in Österreich ein "Nullsummenspiel" – diese koste zwischen 0,95 und 1,03 Cent, je nach Stahl- und Kupferpreis. Die Zwei-Cent-Münzen seien zwar mit etwa 1,3 Cent geringfügig teurer, aber ebenso weit weg von Verlusten.

Stahl kaum billiger

Was klar für den Einsatz von Münzen spreche, sei die Lebensdauer, sagt Starsich: Das Zwei-Euro-Stück koste zwar drei Mal so viel wie ein Fünf-Euro-Schein. Aber: "Sie hält 50-mal so lange, nämlich 35 Jahre." Banknoten seien nach sechs bis zehn Monaten reif für den Wechsel.Der Münze-Chef ist – wenig überraschend – dafür, dass alles bleibt, wie es ist. Und ein Materialwechsel? Die Cent-Münzplättchen bestehen aus Stahl mit hauchdünnem Kupferüberzug. Reine Stahlmünzen, die früher gerostet wären, wären dank neuer Legierungen zwar möglich, aber kaum billiger.

"Ich war für das Abschaffen", sagt der österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin, der 2012 zu dem Thema Berichterstatter für das EU-Parlament war. Er ist enttäuscht, dass nichts passiert: "Einmal hätte sich die EU mit einer lebensnahen Frage hervortun und für die Menschen etwas erreichen können. Schade drum."

Kupfer ist bekanntlich teuer. Die Kosten für die Ein- und Zwei-Cent- Münzen hängen aber stärker vom Preis für den Stahlkern ab, der sich unter dem hauchdünnen Kupfermantel verbirgt. Allerdings machen die Materialkosten des Rohlings maximal 60 Prozent aus – auch die Prägung und Logistik fallen ins Gewicht. Die Effizienz der Euro-Münzprägeanstalten ist dabei recht unterschiedlich: Gerade einige große Euroländer produzieren besonders teuer.

Der Durchschnittspreis für Ein- und Zwei-Cent-Münzen liegt laut EU-Kommission bei 150 Prozent des Nennwerts. Gewichtet man nach den Prägemengen, steigen die Kosten sogar auf 300 Prozent. Ganz exakte Werte gibt es aus den USA: Ein "Penny" – also 0,01 Dollar – kostete zuletzt 0,0183 Dollar. Noch teurer ist die Fünf-Cent-Münze ("Nickel") mit 0,0941 Dollar. Beide sind für die US-Münze ein Verlustgeschäft und das schon acht Jahre in Folge.

"Voriges Jahr war ein super Silberjahr: Wir haben fast 15 Millionen Stück Münzen verkauft", sagt Münze-Österreich-Chef Gerhard Starsich. Eine Wiederholung ist ausgeschlossen. Fast 10 Millionen der Anlagestücke wurden nämlich in Deutschland abgesetzt, wo quasi ein Räumungsverkauf stattfand: Seit Beginn 2014 ist die Mehrwertsteuer für Silbermünzen von 7 auf 19 Prozent gestiegen. Das trifft die Münze massiv. Der Jänner 2014 habe die Erwartungen übertroffen, der Februar sei "ganz schlecht" gelaufen.

Deshalb rechnet die Münze Österreich heuer nur mit fünf Millionen Stück. Negativ wirkt sich obendrein aus, dass der Silberkurs keine klaren Tendenzen zeigt: "Für uns das Schlechteste ist, wenn die Kurse in eine lustlose Seitwärtsbewegung gehen." Deshalb sind die Chancen gering, die deutschen Absatzverluste auf dem Weltmarkt auszugleichen.Für das Geschäftsjahr 2013 erwartet Münze Österreich wie angekündigt einen Jahresüberschuss zwischen 55 und 60 Millionen Euro, bestätigt Starsich. Das ist etwa ein Viertel weniger Gewinn für die Nationalbank-Tochter als im Jahr davor – wegen geringerer Spannen bei Philharmoniker-Münzen und einem schwächeren Finanzergebnis.

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