Telegehn statt Telekom

Hannes Ametsreiter
Der Chef der Telekom Austria steht stark unter Druck. Hinter den Kulissen wird bereits an seinem vorzeitigen Abgang gearbeitet.

Brigitte Ederer ist alles andere als eine Cholerikerin. Doch selbst die für ihr ausgleichendes Temperament hoch geschätzte ehemalige Siemens-Topmanagerin und SPÖ-Politikerin verlor die Geduld, als Telekom-Chef Hannes Ametsreiter referierte. Die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG hatten vor Ostern wegen des Syndikatsvertrags mit America Movil eine Sondersitzung des Gremiums durchgesetzt und Ametsreiter sollte über die tatsächliche Situation der Telekom Austria Rede und Antwort stehen. Nicht ganz einfach. Hätte Ametsreiter gesagt, die Telekom steht so schlecht da, dass eine Kapitalerhöhung dringend notwendig ist – was den Fakten entspricht –, hätte er sich selbst als Vorstandsvorsitzenden kein gutes Zeugnis ausgestellt. Also lavierte der Telekom-Chef in bekannter Manier herum und wand sich vor klaren Antworten. Bis ihn Ederer anherrschte: "Braucht die Telekom frisches Kapital oder nicht? Sagen Sie es endlich!"

Dieser Auftritt hat Ametsreiter gar nicht gutgetan. Noch geht niemand aus der Deckung und fordert öffentlich den Rücktritt des 47-Jährigen, doch hinter den Kulissen wird heftig an seinem Sessel gesägt. Die Forderungen nach dem Abgang des Telekom-Bosses – nicht in den nächsten drei Monaten, aber mittelfristig – kommen aus allen Lagern.

Ametsreiter muss sich schon lange die Kritik gefallen lassen, er sei zu schwach für die Führung des börsenotierten, 16.000 Mitarbeiter großen Konzerns, an dem die Staatsholding noch 28,4 Prozent hält. Mit der Übernahme der industriellen Führung durch den Giganten America Movil könnte sich seine Verabschiedung beschleunigen. Obwohl die Mexikaner und ihr Österreich-Statthalter Ronny Pecik gar nicht die treibende Kraft sind.

Laut Syndikatsvertrag hat die ÖIAG künftig die Hand auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden. Die Staatsholding darf den CEO nominieren, America Movil besetzt die zwei weiteren Vorstandsjobs. Aber es ist anzunehmen, dass sich ÖIAG-Chef Rudolf Kemler in Chef-Angelegenheiten mit den neuen Partnern koordinieren wird.

Der Druck auf Ametsreiter wird jedenfalls immer höher. "Wir brauchen keinen Marketing-Manager, sondern jemand mit dem Format eines internationalen Telekom-Spitzenmannes", argumentiert man in Aufsichtsratskreisen. Dieser Manager müsse die künftige Wachstumsstrategie der Telekom umsetzen und "pro-aktiv" agieren. Denn America Movil will die künftige Expansion in Europa über die Telekom managen. Doch Ametsreiter sei wohl kaum der richtige Mann dafür. "Die Telekom steht nicht gut da. Ametsreiters Abgang wird bereits querfeldein gefordert, die Uhr tickt", berichtet ein weiterer Insider.

Während sich Kemler zurückhält, wird der Unmut im ÖIAG-Aufsichtsrat größer. Vor allem der Vize-Aufsichtsratschef und ehemalige Magna-Spitzenmanager Siegfried Wolf, heute in leitender Position im Imperium des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, soll mit der Performance der Telekom und ihres Chefs höchst unzufrieden sein. Wenn der Auto-Industrielle Peter Mitterbauer (Miba-Gruppe) demnächst als Aufsichtsratspräsident zurücktritt, wird ihn Wolf beerben. Das soll bereits fixiert sein.

Mit der von der ÖVP groß angekündigten, aufgewerteten ÖIAG-neu und einem neuen Aufsichtsrat wird’s nämlich nichts. Die Schwarzen konnten sich bis jetzt nicht mit der SPÖ darüber einigen, welche Unternehmen neu unters Dach der Staatsholding kommen. Auch innerhalb von ÖVP und SPÖ gibt’s unterschiedliche Meinungen. Vermutlich wird’s vorläufig maximal eine ÖIAG-light, in die lediglich der Drittel-Anteil der Nationalbank-Tochter Münze an den Casinos Austria gepackt wird.

Telekom-Finanzvorstand Hans Tschuden geht schon mit Ende Mai. Wegen eines Zins-Swaps mit 65 Millionen Euro Verlust. Tschuden wird außerdem für die zu hohe Dividendenausschüttungen der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht. Die Dividende entscheidet der Finanzchef freilich nicht im Alleingang, die Ausschüttungen werden vom Gesamtvorstand vorgeschlagen. "Ametsreiter kann nicht so tun, als ginge ihn das nichts an", monieren Kritiker.

Die Schulden des einst prosperierenden, kapitalstarken Unternehmens mit hohen Rücklagen sind seit 2007 von 2,6 auf 4,9 Milliarden Euro explodiert. Die Telekom löhnt fast 200 Millionen Euro im Jahr nur für Zinsen. 2013 begab man auch noch eine stark überteuerte Hybrid-Anleihe über 600 Millionen Euro zu 5,625 Prozent Zinsen. Das Papier war ein Renner und sechsfach überzeichnet. Kein Wunder, bei den niedrigen Kapitalmarktzinsen.

Vize-Aufsichtsratschef Ronny Pecik stellte die Situation in einem Dossier an Regierungsvertreter im Jänner dramatisch dar. Die Telekom befinde sich "in einer Todesspirale". Das mag zwar drastisch formuliert sein, doch Peciks Vergleich mit dem Schicksal der AUA passt schon. Ametsreiter zeigte sich über das Papier überrascht, das Dossier soll allerdings auf den Daten des Vorstands basieren.

Manche Aufsichtsräte goutieren es außerdem gar nicht, dass der ehemalige Marketing-Manager Ametsreiter gut und weniger gut beleumundete PR-Strategen und -Lobbyisten bezahlt, "nur um sich selbst in der Öffentlichkeit gut darzustellen".

Ein vorzeitiger Abgang ihres CEO dürfte die Telekom nicht mehr ganz so viel kosten wie in der Vergangenheit, als die ÖIAG noch so richtig großzügig war. So wurde Ex-Chef Heinz Sundt die vorzeitige Pensionierung mit rund 2,2 Millionen Euro versüßt.

Mittlerweile schließt die ÖIAG jedoch keine Fünf-Jahres-Verträge mit den Managern ihrer Beteiligungen ab. Sondern nur auf drei Jahre plus Verlängerungsoption auf zwei Jahre. Das bedeutet, dass der Aufsichtsrat im Frühjahr 2015 entscheiden muss, ob Ametsreiter geht oder bleibt. Die Abfindung ist mit einer Jahresgage begrenzt. Inklusive Incentive-Vergütung summierte sich Ametsreiters Vorstandsbezug im Vorjahr auf 1,043 Millionen Euro.

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