"Super-Mario" nimmt Tempo raus: EZB reduziert Käufe
Seit er auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise das Kunststück schaffte, die Finanzmärkte zu beruhigen und ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern, wird er immer wieder „Super-Mario“ genannt , der Italiener Mario Draghi. Seit mittlerweile sechs Jahren steht er an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB werde alles Notwendige tun („whatever it takes“), um den Euro zu erhalten – mit diesem Spruch wurde Draghi legendär.
Zum Notwendigen gehört seit 2015 auch, dass die EZB enorme Summen aufwendet, um Staatsanleihen und andere Papiere aus dem Euroraum aufzukaufen. Dieses Kaufprogramm wurde bei der jüngsten EZB-Sitzung verlängert, das monatliche Kaufvolumen wurde allerdings auf die Hälfte reduziert.
Statt wie zuletzt um 60 Milliarden werden die Euro-Währungshüter ab Jänner nur noch für 30 Milliarden Euro pro Monat einkaufen. Dafür wird das Kaufprogramm auf mindestens September des kommenden Jahres verlängert.
Warum macht die EZB mit den umstrittenen Käufen weiter, wo doch die Konjunktur in der Eurozone so gut läuft wie schon lange nicht? Weil sich Draghi weiterhin Sorgen um die niedrige Inflation macht. Zuletzt sind die Teuerungsraten zwar gestiegen. Dies gehe aber auf statistische Effekte zurück, sagte Draghi am Donnerstag. Im Jahresabstand sind die Energiepreise zwar spürbar gestiegen, in den kommenden Monaten wird dieser Effekt aber deutlich nachlassen. Es sei daher weiterhin „ein umfangreicher geldpolitischer Impuls“ nötig, ist Draghi überzeugt. Ziel der Notenbanker ist eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent. Diese Marke wird allerdings schon seit Jahren nicht erreicht.
Durch die Verlängerung erhöht sich das Gesamtvolumen des EZB-Kaufprogramms um 270 Milliarden auf 2,55 Billionen Euro. Der Leitzins bleibt aber unverändert bei 0,00 Prozent. Draghi, der die Zinsen praktisch abgeschafft hat, wird daran auch bis zum Jahr 2019 nichts ändern, wird erwartet. Auch die Strafzinsen, den Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, bleiben bei 0,4 Prozent. Die EZB behält sich vor, das Kaufprogramm in seinem Umfang und seiner Dauer auszudehnen, sollte es nötig sein.
Als die EZB-Beschlüsse am frühen Donnerstagnachmittag bekannt wurden, reagierten Groß- und Kleinanleger umgehend. Der Euro gab im Verhältnis zum US-Dollar um rund 0,5 Prozent nach. Der DAX, der Leitindex der Frankfurter Börse, machte hingegen einen Sprung nach oben.
Diese Auswirkungen hat die aktuelle Geldpolitik im Euroraum:
+ Billige Kredite: Mit ein Grund, warum Aktien positiv reagieren, ist, dass Kredite noch für längere Zeit historisch billig sein werden. Das gilt für Unternehmen genauso wie für Private.
+ Exporte: Die Nullzins-Politik wird dem Euro keine Flügel verleihen. Schon gar nicht, wenn die US-Notenbank Fed die Dollar-Zinsen weiter anheben wird. Ein vergleichsweise billiger Euro macht Waren aus dem Währungsraum für Abnehmer außerhalb attraktiver. Das unterstützt die Konjunktur und hilft bei neuen Jobs.
+ Staatsanleihen: Mit dem riesigen Kaufprogramm hat die EZB dafür gesorgt, dass die Anleihe-Zinsen tief sind. Selbst wenn sie zuletzt etwas gestiegen sind – die Euro-Staaten können sich viel billiger verschulden als früher. Das schafft Freiräume für Investitionen, aber auch, um die Staatsverschuldung zu senken.
- Sparzinsen: Einfache Anlageformen wie Sparbücher werden noch länger kaum Ertrag bringen. Weil Staatsanleihen nur wenig bringen, fällt es auch Versicherungskonzernen immer schwerer, vorzeigbare Renditen zu erwirtschaften. Anleger, die Erträge erzielen wollen, die auch nach Abzug von Steuer und Inflation im positiven Bereich liegen, müssen mehr Risiko eingehen.
- Blasen: Die Suche nach Anlage-Alternativen kann zu Preisblasen führen. Zu sehen ist das bereits in einigen Immobilienmärkten. Hier schlummern drohende Krisen.
- Verschuldung: Wenn sich Staaten günstig verschulden, kann das den Sparwillen schmälern. Irgendwann werden die Schulden aber wieder teurer werden.
Die Europäische Zentralbank (EZB) erwirbt seit 2015 in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Damit wollen die Währungshüter Geldhäuser dazu bewegen, weniger in solche Titel zu investieren und stattdessen an Firmen und Haushalte mehr Kredite auszureichen.
Schon mehrmals änderte der EZB-Rat im Zuge neuer Inflations- und Konjunkturdaten die Stellschrauben der als "Quantitative Easing" bezeichneten Käufe. Eine Übersicht:
26. Oktober 2017 - Die EZB verlängert ihre Anleihenkäufe um neun Monate bis Ende September 2018. Zugleich halbiert sie ab Jänner das monatliche Volumen auf 30 Mrd. Euro. Dadurch steigt das Gesamtvolumen auf 2,55 Billionen Euro.
8. Dezember 2016 - Die Währungshüter beschließen, dass die Anleihenkäufe neun Monate länger bis mindestens Ende 2017 laufen sollen. Das monatliche Volumen wird von April 2017 an um 20 Mrd. auf 60 Mrd. Euro gesenkt. Zugleich werden Käufe von Bonds mit einer Laufzeit von einem Jahr zugelassen. Anleihen mit einer tieferen Rendite als dem Einlagensatz, der inzwischen bei minus 0,4 Prozent liegt, werden ebenso erlaubt.
10. März 2016 - Der EZB-Rat entscheidet, das monatliche Volumen ab April 2016 um 20 Mrd. auf 80 Mrd. Euro aufzustocken. Unternehmensanleihen werden zudem ins Programm aufgenommen und ab Juni erworben - Schuldentitel von Dax-Konzernen wie Bayer und Siemens sind darunter.
3. Dezember 2015 - Auf ihrer Ratssitzung verlängern die Notenbanker die Käufe um ein halbes Jahr bis mindestes Ende März 2017. Die Gelder von auslaufenden Anleihen sollen zudem re-investiert werden. Außerdem wird das Programm um Regional- und Kommunalanleihen erweitert.
22. Jänner 2015 - Die Währungshüter beschließen ein umfassendes Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren wie Hypotheken-Titeln oder Pfandbriefen. Die Transaktionen, die für eine höhere Inflation sorgen sollen, starten im März und sollen zunächst 19 Monate bis Ende September 2016 laufen. Der monatliche Umfang wird auf 60 Mrd. Euro festgelegt. Als kauffähig gelten Papiere mit einer Laufzeit von zwei bis 30 Jahren, deren Rendite nicht niedriger liegt als der Einlagensatz. Maximal können 33 Prozent der ausstehenden Anleihe-Schulden eines Landes und nur jeweils 25 Prozent eines Schuldtitels erworben werden. Die Grenze pro Titel wird später auf 33 Prozent angehoben.
Der Großteil der Käufe wird nach dem Kapitalschlüssel organisiert. Er sorgt dafür, dass mehr Staatsanleihen derjenigen Länder erworben werden, die der EZB mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen. Der Anteil der auf ein Land entfallenden Käufe spiegelt dabei auch die jeweilige Wirtschaftskraft wider. Deshalb werden besonders viele Bundesanleihen erworben.
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