Strompreis zehn Prozent zu hoch

ARCHIV - Eine Windkraftanlage ist am 08.04.2011 neben einem Hochspannungsmast in der Nähe des schleswig-holsteinischen Brunsbüttel zu sehen. In Deutschland soll 2015 die erste dringend benötigte Nord-Süd-Stromautobahn ausgebaut sein. Dann könnte eine 380 000 Kilovoltleitung zusätzlichen Strom von Windanlagen in der Nordsee bis in die großen Verbrauchszentren in den Süden transportieren. Foto: Carsten Rehder (zu dpa «Erste Nord-Süd-Stromautobahn soll 2015 ausgebaut sein» vom 13.03.2012) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Einfacher Anbieterwechsel soll Konkurrenz anlocken. Experten sind skeptisch.

Durch den fehlenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt zahlen Österreichs Haushalte höhere Strompreise als sie es eigentlich müssten. In Wahlkampfzeiten springt auch Energieminister Reinhold Mitterlehner auf das altbekannte Konsumententhema auf und knüpft sich die Energieversorger vor.

„Senkungsspielraum von null bis zehn Prozent“

In den vergangenen fünf Jahren seien die Großhandelspreise für Elektrizität um 30 Prozent gesunken, argumentiert der Minister, diese Preissenkungen seien aber nicht entsprechend an die Haushalte weitergegeben worden.

Strompreis zehn Prozent zu hoch
Im Gegenteil: Der Strompreis sei in diesem Zeitraum sogar leicht gestiegen. Dabei hätten sich die Margen für die Versorger zuletzt wieder verbessert. Mitterlehner sieht daher einen „Senkungsspielraum von null bis zehn Prozent“, den er umgehend einfordert.

Sollten die Anbieter nicht zu Preissenkungen bereit sein, die zumindest den Ökostromzuschlag (1,5 Cent/kWh) kompensieren, will Mitterlehner im Herbst die Regulierungsbehörde E-Control einschalten und die Preispolitik der Versorger unter die Lupe nehmen. Der Verfassungsgerichtshof gab dazu erst kürzlich grünes Licht.

Wechselmuffel

Mehr Wettbewerb erhofft sich der Minister auch durch den seit Anfang Juli geltenden, vereinfachten Anbieterwechsel. Ein Wechsel ist auch ohne Kündigungsfrist möglich, es reicht das Ausfüllen eines Online-Formulars. In Deutschland finden bereits mehr als die Hälfte der Stromanbieterwechsel elektronisch statt. Die Wechselquote liegt dort bei acht Prozent, während Österreich mit 1,1 Prozent Schlusslicht der EU ist. Mitterlehner geht davon aus, dass ab Herbst weitere ausländische Anbieter nach Österreich kommen werden.

Strompreis zehn Prozent zu hoch

Auch WIFO-Energieexperte Kurt Kratena hält um bis zu zehn Prozent niedrigere Strompreise für möglich, wenn es in der Branche mehr Wettbewerb gäbe. Wegen des kleinen Marktes sei Österreich für ausländische Anbieter aber unattraktiv. In anderen Ländern hätten eigene Energiepreisberater für Wechseldynamik gesorgt.

Die Branchenvertreter der Energiewirtschaft weisen die Vorwürfe des mangelnden Wettbewerbs und der zu hohen Preise zurück. Ein Fünf-Jahres-Vergleich sei unseriös. Im EU-Vergleich liegt Österreich bei den Haushalts-Strompreisen mit 20 Cent je Kilowattstunde im Mittelfeld. Deutschland liegt wegen der höheren Ökostromförderung bei 28,5 Cent.

Die Insolvenz des Biomassekraftwerks in Güssing könnte erst der Anfang einer Pleitewelle in der Bioenergie-Branche gewesen sein. Spätestens ab 2015, wenn die meisten Förderverträge der 150 Biomasse- und 300 Biogaskraftwerke in Österreich auslaufen, stehen viele Projekte vor dem Aus, weil sie ohne staatliche Subventionen (noch) nicht lebensfähig sind. Besonders ältere Kraftwerke sind betroffen.

„Wer nicht darauf geachtet hat, dass die Förderungen auslaufen, wird Probleme bekommen“, glaubt Energieminister Reinhold Mitterlehner. Allerdings werde niemand „nur so aus Spaß in den Konkurs geschickt“, stellte der Minister etwaige Vertragsverlängerungen in Aussicht. Grundsätzlich will er aber von der bisherigen Förderpolitik abrücken und stattdessen Wind- und Sonnenenergie den Vorzug geben.

Damit schließt er sich der Meinung von E-Control-Chef Walter Boltz an, der offen gegen einen weiteren Biomasse-Ausbau ist. Immerhin sind seit 2002 rund 1,2 Milliarden Euro in der Biomasse-Förderung geflossen. Durch die steigenden Rohstoffpreise ist die Stromerzeugung aber trotz der höheren Einspeistarife nicht rentabel. Holz sei als Rohstoff zu teuer, um es direkt zu verbrennen, meint Boltz. Es sollte zuerst einer stofflichen Nutzung (etwa Papiererzeugung) zugeführt werden. Auch WIFO-Energieexperte Kurt Kratena sieht „großen Regulierungsbedarf“ bei der Ökostromförderung. „Eine Rohstoffkonkurrenz wie bei Biomasse und Biogas sollte generell vermieden werden“, sagt Kratena.

„Ohne Ausbau der Bioenergie ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt“, weist Horst Jauschnegg vom Biomasseverband die Kritik zurück. Ohne massive Förderung für fossile Energien sowie die Einpreisung ihrer Umweltschäden wäre gar keine Unterstützung für Biomasse nötig.

Österreichweit wird fast jeder sechste Kilometer mittels Elektroenergie zurückgelegt, in Wien sind es gar 50 Prozent, berichtet der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Derzeit erbringt der Öffentliche Verkehr den Großteil der Verkehrsleistung der E-Mobilität. Mit Bahnen, S-Bahnen, U-Bahnen und Straßenbahnen und O-Bussen wurden im Vorjahr in Österreich rund 16 von insgesamt 100 Milliarden Personenkilometer gefahren.

Treiber der E-Mobilität sind auch die Elektrofahrräder. Im Vorjahr war jedes zehnte neu gekaufte Fahrrad - und damit rund 41.000 - ein Elektro-Fahrrad. Insgesamt gibt es in Österreich bereits mehr als 100.000 Elektro-Fahrräder. Für heuer rechnet der VCÖ mit dem Verkauf von rund 50.000 Elektro-Fahrräder im Wert von insgesamt mehr als 80 Mio. Euro, rechnete VCÖ-Experte Markus Gansterer vor.

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