Die Strom-Oase in der Wüste

In Marokko entsteht das größte Solarkraftwerk der Welt. Ob der Öko-Strom aus der Sahara auch nach Europa fließen wird, ist aber fraglich.

Dort, wo jetzt die sprichwörtliche Leere herrscht, soll in nicht allzu langer Zeit ein Meer aus Solarkollektoren das Leben der Menschen verbessern: In Marokko wurde jetzt der Spatenstich für das größte Solarkraftwerk der Welt gesetzt. Die Anlage wird insgesamt 500 Megawatt leisten können, so viel wie ein mittlerer Kernreaktor; eine halbe Million Menschen sollen zu Bauende im Jahr 2016 davon profitieren. Zum Vergleich: Der derzeitige Rekordhalter in der kalifornischen Mojave-Wüste kommt auf 340 Megawatt.

In der Wüste wächst damit eine Vision, die eigentlich europäische Wurzeln hat. Unter dem Namen „Desertec“ schwebte Politikern, Wissenschaftlern und Ökonomen im Jahr 2003 der Traum grünen Stroms vor Augen – produziert in der Sahara, exportiert nach Europa. Das hätte für beide Seiten etwas durchaus Gutes gehabt. Bis 2050 wollte man ein Fünftel des eigenen Strombedarfs aus Quellen in Nordafrika und Nahost beziehen. Und die dortigen Staaten hätten das Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Europa für sich umkehren können.

400 Milliarden Euro für eine Vision

Die Strom-Oase in der Wüste
Seit 2003 hat sich allerdings viel verändert. Schlossen sich anfangs Großkonzerne wie Eon, RWE oder die deutsche Bank dem kühnen Vorhaben an, erlitt „Desertec“ in jüngerer Vergangenheit herbe Rückschläge – Bosch und Siemens kündigten an, sich aus dem offenbar nicht so profitablen Solargeschäft zurückziehen zu wollen. Damit zogen sie dem 400 Milliarden Euro schweren Wüstenstrom-Projekt ein wenig den Stecker.

Dass in der Sahara jetzt dennoch an einem Kollektoren-Meer gebaut wird, hat vielmehr mit den Eigeninteressen des Staates zu tun. Im Maghreb schlummern gewaltige Solarkapazitäten, die die nordafrikanischen Länder für sich nutzen wollen. Allein Marokko will in näherer Zukunft mit insgesamt fünf solarthermischen Kraftwerken die Grenze von 2000 Megawatt sprengen. Aus einem triftigen Grund: Derzeit ist das Land in Energiebelangen komplett von Europa abhängig; es importiert vor allem spanischen Strom, und das über Unterseekabel durch das Mittelmeer.

Ungewisser Export nach Europa

Dass der dort produzierte Öko-Strom dann auch – so wie es „Desertec“ vorsah – Richtung Norden transferiert wird, scheint deshalb mehr als fraglich. Allein in Marokko wächst der Stromverbrauch pro Jahr um 6,5 Prozent, in den maghrebinischen Nachbarstaaten ist es nicht viel anders. Der Ökostrom wird deshalb vorerst im eigenen Land benötigt.

Die „Desertec“-Gruppe ist an dem jetzt gestarteten Großprojekt in Marokko dementsprechend auch nicht beteiligt – als Ideengeber ja, aber nicht als Finanzier. Aufgegeben hat man die großen Pläne der Stromoase in der Wüste aber deshalb noch lange nicht. 2016 sollen erste Pilotprojekte zum Stromexport ins alte Europa starten.

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