Desertec: Ab 2014 soll Strom fließen

In nordafrikanischen Wüsten erzeugter Solar- und Windstrom soll bis zu 15 Prozent des EU-Verbrauchs decken. Projektleiter van Son im Interview.

Paul van Son leitet seit 2009 die "Desertec"-Initiative, die sich für die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom einsetzt. Der Strom soll in Nordafrika und dem Nahen Osten produziert werden und teils über Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen nach Europa gelangen. Projekte gibt es schon in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten und dem Nahen Osten. Paul van Son ist viel in diesen Ländern unterwegs. Auch die Proteste und Revolutionen in Nordafrika hat er miterlebt. Mit dem KURIER sprach er über ...

... das Projekt Desertec Man hat anfangs zu sehr die Betonung auf Europa gelegt, was ich zwar verstehe, aber das war der falsche Ansatz. Entscheidend ist: Das ist eine Entwicklung für Nordafrika, in Nordafrika, von den Nordafrikanern, mit Europa und anderen gemeinsam. Um den Ländern zu helfen, eine eigene Versorgung aufzubauen, aber auch exportieren und damit Geld verdienen zu können. Es gäbe zusätzlich die Möglichkeit, bis zu 15 Prozent des europäischen Verbrauchs zu decken. Es ist durchaus möglich, dass schon 2014 der erste Strom aus Marokko nach Europa kommt.

... Chancen für Nordafrika Wichtig ist, dass viel vor Ort produziert wird. Dass Arbeitsplätze entstehen. Dass Perspektiven entstehen - vor allem für die Jugend. Deshalb planen wir auch Bildungs- und Austauschprogramme. Unser Ziel ist, dass ein ganz neuer und tragfähiger Industriezweig entsteht, um Land und Wirtschaft mitzuentwickeln.

... die Gesprächskultur mit den Übergangsregierungen Es gibt ohnehin keine Politiker, die ewig im Amt sind. Unsere Pläne sind in der Tat langfristig angelegt, da sind wir nicht abhängig davon, dass ein Gesprächspartner immer der gleiche ist. Wir erstellen Länderanalysen: Wo sind die besten Standorte für Sonnen- oder Windenergie, wie ist die Infrastruktur? Wie verläuft die politische Entwicklung? Das Leben läuft ja weiter. Die politische Spitze hat sich vielleicht geändert, aber die Verwaltungsstrukturen sind noch da. Aber die Transparenz verbessert sich allmählich.

... den Nutzen, den Europa aus den Revolutionen ziehen kann Dass jetzt dort mehr Demokratie entsteht, ist für Europa sehr positiv. Wir verstehen einander besser und es gibt - auch politisch - in Europa große Sympathien. Man will der Region bei der Entstehung von etwas Neuem helfen. Wenn man das vernünftig macht, dann können auch wirtschaftlich engere Verbindungen entstehen. Europa hat durch die Demokratisierungsprozesse wiederentdeckt, dass es einen Nachbar im Süden hat.

... Chancen Erneuerbarer Energien Die Kernenergie, die fällt - das kann man wirklich sagen - auf lange Sicht weg. Vielleicht war sie früher eine Option, aber das hört man kaum noch. Wegen Klimaproblematik und wirtschaftlicher Abhängigkeit, Mangels an eigenen Öl- und Gasquellen, bleibt nur eine Möglichkeit: jene Erneuerbaren Energien, die vorhanden sind, zu nutzen. Das ist nicht so sehr ein Wunsch, das ist reine Notwendigkeit. In Nordafrika merkt man jetzt, dass durch die Demokratisierungsprozesse das Thema "nachhaltige Energie" explodiert ist. Jeder spricht darüber seit den Revolutionen. Bei Facebook und Twitter gibt es dieses Konglomerat von Themen: Energie - Klima - Industrie, zusammen mit Demokratie. Auch in Europa versteht man immer mehr, dass es nicht viele Optionen für die Zukunft gibt.

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