Streit zwischen Kocher und Gewerkschaft um Geld im Pleitefonds

Streit zwischen Kocher und Gewerkschaft um Geld im Pleitefonds
Arbeitsminister Kocher will die Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenzentgeltfonds halbieren. Die Gewerkschaft tobt und die Jugend hat einen Vorschlag

Die am Montag angekündigte Senkung der Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds mitten in der Pandemie sorgt für einen Streit zwischen Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Arbeitnehmervertretern. Kocher verteidigte am Dienstag die geplante Lohnnebenkostensenkung. 

Aufgrund der relativ guten Lage am Arbeitsmarkt seien die Rücklagen im Fonds über 800 Mio. Euro hoch, laut Gesetz müsse das Ministerium eine Anpassung der Beiträge prüfen. Für die nächsten Jahre habe man auch für große Insolvenzen einen Polster, sagte Kocher bei einer Pressekonferenz.

Für die Rücklagen müsse der Fonds schließlich auch Negativzinsen zahlen, da gehe jährlich Geld verloren. Außerdem könne man den Betrag wieder erhöhen, wenn es notwendig werden würde. Kocher will den Beitrag der Arbeitgeber zu dem Fonds halbieren, das würde die Arbeitgeber um etwa 125 Mio. Euro jährlich entlasten. Der Fonds sichert das Einkommen von Beschäftigten, deren Betriebe in Konkurs gegangen sind.

0,1 statt 0,2 Prozent

Der Insolvenzentgeltsicherungsfonds (IEG) wird von den Arbeitgebern durch einen Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag gespeist. Dieser beträgt seit Jahresbeginn 0,2 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage. Die Jahre zuvor waren es noch 0,35 Prozent. 2022 soll er auf 0,1 Prozent halbiert werden.

Laut Angaben des Arbeitsministeriums sollen mit Jahresende 2021 voraussichtlich 870 Mio. Euro im Fonds liegen. Die Absenkung des Zuschlags reduziert dieses Guthaben bis 2024 auf rund 400 Mio. Euro, so die Prognosen. Die Rücklage reiche aus, um das Einkommen von 53.000 Arbeitnehmern bei Pleiten abzusichern. Auch würden die geringeren Beiträge zwischen 2.500 und 3.000 zusätzliche Jobs schaffen.

"Tropfen auf heißen Stein"

Während Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung die Lohnnebenkostensenkung begrüßen, fällt sie für den wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria viel zu gering aus, um von einer echten Entlastung zu sprechen. Sie ändere nichts daran, dass Österreich nach Belgien und Deutschland nach wie vor die höchsten lohnabhängigen Abgaben in der EU habe. Auch für ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer ist sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein: „Das verpufft in der Sekunde. Von den 20.000 Euro Lohnnebenkosten in dem Beispiel erspart man sich nach dem Plan der Regierung 20 Euro und zahlt nach der nächsten Lohnrunde 1.000 Euro mehr“, veranschaulicht sie. 

Vorsitzende der Privatangestellten-Gewerkschaft, Barbara Teiber

Barbara Teiber, Gewerkschaft GPA-djp

Arbeitnehmervertreter kritisieren die Senkung als "unverantwortlich" und reine Klientel-Politik der ÖVP.  "Die Beiträge zum Insolvenzentgeltfonds sind keine Almosen der Arbeitgeber, sondern das ist Geld, das die Beschäftigten erarbeiten. Die großen Insolvenzfälle Schlecker, Baumax oder auch Zielpunkt haben gezeigt, wie wichtig diese Absicherung ist", sagt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Auch von ÖGB und der SPÖ kam Kritik an Kochers Vorhaben.  

"Lehrlingsfonds speisen"

Der Jugendvorsitzende der Produktionsgewerkschaft, Josef Rehberger, regt an, die 125 Mio. Euro zur Gründung eines österreichweiten Ausbildungsfonds zu verwenden.  "Wer morgen Fachkräfte haben will, muss heute in Ausbildung investieren. Mit lieb gemeinten Kampagnen und Hochglanzbroschüren alleine wird man den Lehrlings- und Fachkräftemangel jedenfalls nicht beenden."

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