Streit um Handelsgehälter eskaliert

Streit um Handelsgehälter eskaliert
Aktionismus, Beschimpfungen und Drohungen vergiften das Verhandlungsklima.

Im Ringen um die Erhöhung der Kollektivvertragsgehälter für mehr als eine halbe Million Handelsmitarbeiter verschärft die Gewerkschaft die Gangart. Landesweit gab es Protestaktionen, die nun – wenige Tage vor der nächsten KV-Runde – in einem handfesten Eklat zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mündeten.

„Wir wollten kein Öl ins Feuer gießen, aber jetzt reicht’s“, macht Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Bundessparte Handel, im KURIER-Gespräch ihrem Ärger Luft. „Die Gewerkschaft startet fragwürdige Aktionen, beleidigt unseren Chefverhandler und gibt falsche Informationen an die Betriebsräte weiter.“ Konkret geht es um eine Protestaktion vor dem Adeg-Markt in Hof bei Salzburg, dessen Chef just Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller ist.

Fake oder Frechheit

Vor dem Geschäft spielten sich am Freitag skurrile Szenen ab. Buchmüller kam mit drei Mitarbeitern „zum Gegenprotest“ aus dem Geschäft, eine Mitarbeiterin bezeichnete die Demo der Gewerkschaft als „lächerlich“. Daraufhin ließ die Gewerkschaft ausrichten, dass sie Hinweise habe, „dass die als Beschäftigen präsentierten Frauen keine Angestellten, sondern Verwandte von Herrn Buchmüller“ sein sollen. Von einem „Fake auf Kosten von 530.000 Beschäftigten“ war die Rede. „Damit müssen wir seine Rolle als Verhandlungsführer natürlich hinterfragen“, polterte Gewerkschafter Karl Proyer.

„Wenn sich jemand beschweren will, soll er eine Anzeige bei der entsprechenden Behörde machen.“ Karl Proyer, Gewerkschafter

„Das ist eine Frechheit sondergleichen“, wehrt sich Buchmüller im KURIER-Gespräch. Er habe 30 Mitarbeiter – und alle würden hinter ihm stehen. „Das Problem der Gewerkschaft ist, dass sie immer nur mit den zehn Prozent der Beschäftigten der Branche zu tun hat, die unzufrieden sind und die anderen 90 Prozent nicht sieht.“

Proyer, Chefverhandler der Gewerkschaft, schäumt dagegen wegen des Auftritts von Buchmüller bei seiner Protestaktion in Hof: „Es ist einmalig, dass ein Arbeitgeber, noch dazu deren Chefverhandler, die eigenen Arbeitnehmer zur Unterstützung gegen die Forderungen der Gewerkschaft einsetzt.“ In der Gewerkschaft würde man das als Affront sehen. Zum Vorwurf, es hätte sich gar nicht um Mitarbeiter, sondern Familienmitglieder gehandelt, hielt sich Proyer am Sonntag zurück. Sollte sich herausstellen, dass es doch Mitarbeiter waren, würde man sich selbstverständlich entschuldigen.

Die Arbeitgeber wiederum finden, dass sich die Gewerkschaft nicht an die Spielregeln hält. Protestaktionen seien ihr gutes Recht, so Lorentschitsch. Aber diese müssen angemeldet werden – und laut ihrem Wissensstand war das bei einem Flashmob – also einer Blitzaktion – im Modegeschäft des Vorarlberger Handelsobmanns Gebhard Sagmeister, nicht der Fall. Proyer dazu: „Wenn sich jemand beschweren will, dann soll er eine Anzeige bei der entsprechenden Behörde machen. Ich werde keine öffentliche Erklärungen zu unserem Vorgehen abgeben.“

„Die Gewerkschaft startet fragwürdige Aktionen und beleidigt unseren Chefverhandler.“ Bettina Lorentschitsch, Handelsobfrau

Bei dem Flashmob kamen laut Sagmeister bis zu hundert Gewerkschafter auf ein Pfeifsignal in sein Geschäft. Damit legten sie für eine Minute das nicht gerade große Geschäft lahm. „Sie haben kein Wort gesagt und waren nach einer Minute wieder weg. Meine Mitarbeiter wussten nicht, was los ist.“ Danach hätten die Gewerkschafter Schokotaler verteilt, „um die Mitarbeiter zu trösten“, ätzt Sagmeister.

Die Zeichen für die nächste KV-Runde am Mittwoch stehen nach dem turbulenten Wochenende nicht gut. Und das, obwohl die Positionen zuletzt gar nicht so weit auseinanderlagen. Dennoch: Der Gewerkschaft ist das Angebot der Arbeitgeber zu wenig. Diese wiederum pochen darauf, dass sie trotz schlechter wirtschaftlicher Aussichten eine Reallohnerhöhung geboten haben.

Auch die fünfte und damit letzte reguläre Verhandlungsrunde der Sozialpartner brachte vergangenen Dienstag keinen Abschluss. Die Arbeitgeber haben zuletzt ein Plus von 3,1 Prozent für all Handelsmitarbeiter geboten, die bis zu 1400 Euro im Monat verdienen. Die Gehälter bis zur 1628-Euro-Marke sollen nach ihren Vorstellungen um drei, jene über dieser Marke um 2,85 Prozent steigen. Für Lehrlinge wurde ein Plus von drei Prozent geboten. „Das ist eine Reallohnerhöhung für alle“, sagt Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch. „Wir können nicht verstehen, warum die Gewerkschaft gegenüber manchen Betriebsräten etwas anderes behauptet.“

Die Gewerkschaft fordert dagegen in ihrem letzten Vorschlag ein Plus von 3,5 Prozent für Verdiener bis 2100 Euro brutto im Monat, mindestens jedoch 50 Euro. Wer mehr als 2100 verdient, soll ab Jänner kommenden Jahres 3,45 Prozent mehr bekommen, so ihre Vorstellung. Das Angebot der Arbeitgeber ist der Gewerkschaft jedenfalls zu wenig. „Offenbar war unser Druck noch nicht stark genug“, kommentierte ein Arbeitnehmer-Verhandler Mitte letzter Woche. Dem Vernehmen sind für diese Woche weitere Protestaktionen geplant. „Wenn am Verhandlungstisch keine Lösung im Sinne der Beschäftigten möglich ist, dann haben wir gar keine andere Alternative als unsere Position außerdem auch mit wirksamen Protestmaßnahmen durchzusetzen“, stellt ein Arbeitnehmervertreter klar.

Die Schwarz-Weiß-Regelung, nach der Handelsmitarbeiter derzeit offiziell nur jeden zweiten Samstag nach 13 Uhr arbeiten dürfen, sind nicht Bestandteil der KV-Verhandlungen. Für rahmenrechtliche Fragen, wie auch den Urlaubsanspruch, gibt es eigene Arbeitsgruppen. Ob diese heuer noch zu Ergebnissen kommt, ist fraglich.
 

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