Strafzölle auf Autos- "ein mehrfacher Schuss in alle Knie"

Markus Beyrer, Generaldirektor des EU-Industrieverbandes BusinessEurope, warnt vor einem "Desaster".

Wie ein Damoklesschwert hängt sie über den europäisch-amerikanischen Beziehungen – die drohende Verhängung von US-Strafzöllen auf europäische Autoimporte. Während EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gerade in Washington verhandelt, platzte die Nachricht herein:

Trotz bereits durchgesetzter strengerer Einfuhrzölle stieg das US-Handelsdefizit im Vorjahr um fast 69 Milliarden  auf 621 Milliarden Dollar. Den Zorn von US-Präsident Donald Trump dürfte dies nur noch mehr anfachen. Sind die befürchteten Zölle nun unausweichlich?

Markus Beyrer, Generaldirektor des in Brüssel tätigen, einflussreichen europäischen Industrieverbandes BusinessEurope, schätzt die Lage ein.

KURIER: Wird es zur Verhängung von US-Strafzöllen auf europäische Autos kommen?
Markus Beyrer: Vor etwa zwei Wochen hat US-Präsident Trump den Bericht des US-Handelsministeriums erhalten, von dem niemand weiß, was genau drinnen steht. Bis Mitte Mai kann der Präsident nun jederzeit agieren. Es gibt aus Washington unterschiedliche Signale.  Einerseits wurde die EU-Vertretung jetzt wieder voll aufgewertet.

Andererseits glaubt man, dass Europa Druck braucht, was eine völlig Fehleinschätzung ist. Denn wenn Trump wirklich europäische Autos und Autoteile mit Zöllen belegen würde, dann würde Europa die laufenden Vor-Verhandlungen abbrechen und die eigenen Gegenmaßnahmen aktivieren. Die Listen sind fertig. Wir sagen  unseren amerikanischen Freunden klar: Sie dürfen sie sich nicht täuschen.

Das Absurde dabei ist: Alle amerikanischen Wirtschaftsvertretungen haben der US-Administration gesagt, dass  Strafzölle ein absolutes Desaster wären, auch für die amerikanische Autoindustrie. Das wäre ein mehrfacher Schuss in alle Knie.

Strafzölle auf Autos- "ein mehrfacher Schuss in alle Knie"

Markus Beyrer, Generaldirektor von BusinessEurope

Will Trump über die Strafzoll-Androhungen Druck für ein Handelsabkommen  mit der EU schaffen?
Wenn man wechselseitig Zölle abbaut, macht das für beide Seiten Sinn. Aber Trump glaubt, dass man einfach Druck aufbauen muss, und dann spurt die andere Seite schon. Das funktioniert nur bedingt, wie man an den Ergebnissen sieht.

Trump und EU-Kommissionspräsident Juncker haben im Sommer ausgemacht, ein Handelsabkommen anzustreben. Von unserer Seite aus müssen die Autos in diesem Vertrag drinnen sein, die Landwirtschaft aber nicht.

Davon losgelöst ist die taktische Frage: Wir müssen auf Basis dessen, was wir ausgemacht haben, satisfaktionsfähig sein. Wir sollten uns ein Mandat geben und sagen: Darüber sind wir bereit zu verhandeln.

Die drohenden Zölle waren ja auch ein Gesprächsthema beim Besuch von Kanzler  Kurz bei US-Präsident Trump.
Kurz hat das erreicht, was man erreichen kann bei so einem Termin. Das hat er gut gemacht. Ob das was ändert, wird man sehen. Aber das große Fragezeichen ist, dass man nie weiß, was Trump macht. Wenn  ich mit Menschen spreche, die in der amerikanischen Hierarchie sehr weit oben stehen, höre ich immer nur, dass auch sie nicht wissen, wie er entscheidet.

Lässt die jüngste Entspannung zwischen USA und China auch im Handelsstreit mit Europa hoffen?
Wir wissen noch nicht, was konkret umgesetzt wird. Wird es ein Deal, der das Verhalten Chinas strukturell verändert? In Richtung weniger Staatssubventionen oder erzwungener Technologietransfer.? Oder lässt man sich wechselseitig Vorteile zukommen zulasten der andern? Aber grundsätzlich ist es positiv, dass es zwischen China und den USA nicht zu einer weiteren Eskalation kommt: Das würde der ganzen Welt schaden.

In diesem Konflikt  kommen auch  europäische Firmen sehr stark zum Handkuss. Etwa bei europäischen Investments in China, mit Zöllen in den USA und europäischen Investments in den USA mit Zöllen in China.

Wenn wir  schon bei den schwierigen Szenarien sind: Durchkreuzt eine möglich Verschiebung des Brexit die Notfall-Vorbereitungen der Wirtschaft?
Manche Branchen und Betriebe haben schon  Vorbereitungen für den Fall eines harten Brexit getroffen  – etwa mit Betriebspausen. Viele KMUs können sich hingegen schwer vorbereiten. Knapp drei  Wochen vor dem britischen Austrittstermin ist immer noch nicht klar, was kommt.

Aber eine Verschiebung ist sicher vernünftiger als Chaos. Allerdings sollte die Verlängerung ein Projekt haben  – eine Wahl oder ein zweites Referendum oder eine  reale Chance für ein geregelten Austritt. Verlängern einfach um zu verlängern, das kann es nicht sein, wir hatten ja genug Zeit. Unsere Prämisse ist ein geordneter Austritt der Briten mit einer Übergangsperiode.

Ganz schlecht wäre eine Verlängerung nach der anderen?
Für die Wirtschaft ist Unsicherheit immer schlecht, und eine permanente Verlängerung von Unsicherheit wäre extrem schlecht. In der britischen Wirtschaft hat sich große Frustration aufgebaut. Wir hören von unseren Mitgliedern im britischen Industriellenverband: „Das ist Wahnsinn, wir fahren mit Vollgas gegen die Wand, aber wir haben nicht den Eindruck, von der Politik gehört zu werden.“

Ist die umstrittene Notfall-Regelung der Nordirlandgrenze („backstopp“ auch ein wirtschaftliches Problem?
Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass der Binnenmark nicht irgendwo ein Loch hat. Wo Dinge herein geliefert werden, die nicht kontrolliert werden und dann vielleicht unseren Standards nicht entsprechen.

Sind die Horrorszenarien  von kilometerlangen Staus und Chaos und Lieferengpässen bei  einem harten Brexit überzogen?
Ein harter Brexit hätte signifikant negative Auswirkungen. Viele Unternehmen werden das erst sehen, wenn sie betroffen sind. Man soll sich nicht in ein Untergangsszenario hineinsteigern. Gewisse Auswirkungen sind klar –  etwa bei den Finanzdienstleistungen, im Transport, der chemischen Industrie.

Aber im Grunde ist das  alles terra incognita. Wir wissen nicht, wie sich die vielen Probleme, die auftreten werden,  wechselseitig potenzieren. Sicher ist auch: Wenn die Freihandelsabkommen mit den anderen Staaten für die Briten über Nacht nicht mehr gelten, zerreißen viele Wertschöpfungsketten.  

Wäre eine neue Industriepolitik, wie sie nun Frankreich und Deutschland propagieren, eine Antwort auf die kommenden Herausforderungen?
Die USA, China, Indien – alle haben eine strategische Industriepolitik. Um dagegen zu halten, müssen auch wir Europäer  uns aufgrund unserer eigenen strategischen Stärken industriepolitisch besser aufstellen. Und in der nächsten Kommission wird es einen Schritt nach vorne geben müssen – das betrifft die Handelspolitik, die Investitionsabkommen, Investitionsschutz und die Wettbewerbspolitik und das Wettbewerbsrecht.

Die EU-Wettbewerbspolitik ist eines der wenigen Instrumente, wo wir auch global Zähne haben.  Sie ist ein wichtiger Pfeiler, aber gleichzeitig hat sich die Welt verändert. Unser eigener Markt ist ein reifer Binnenmarkt geworden und der globale Markt hat sich verändert.

Die Frage ist: Was ist notwendig, um global wettbewerbsfähig zu sein. Man muss die im Kern guten Regeln behutsam so weiter entwickeln, um den neuen Gegebenheiten zu entsprechen. Wir haben mit amerikanische und chinesischen Riesen zu kämpfen. Man wird sich also ansehen müssen, ob in manchen Fällen nicht größere Konzerne notwendig sein werden. Skeptisch ich allerdings beim deutsch-französischen Vorschlag, wonach der EU-Ministerrat die Entscheidung der Kommission aushebeln kann. Da wäre ich vorsichtig.

Bisher hat man angenommen, dass sich China in Richtung Marktwirtschaft entwickeln würde. Aber China ist keine Marktwirtschaft und wird auch keine werden. Nun müssen wir  uns quer durch alle Politikbereich überlegen: Wie stellen wir uns auf, damit wir  in dieser Welt ein Player sind. Auf der einen Seite haben wir es mit einem strategisch sehr staatsgetriebenem China zu tun. Und auf der anderen Seite haben wir eine protektionistischere USA; und die wird auch nach Trump nicht mehr so werden wie zuvor.

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