Stopp dem Inflations-Domino

Stopp dem Inflations-Domino
Auf Preisentwicklung achten, sonst verliert Österreich weiter an Wettbewerbsfähigkeit.

Die Müllabfuhr in Österreich wurde in den vergangenen zehn Jahren um 3,6 Prozent teurer – jedes Jahr. Die Deutschen mussten jährlich nur um 0,6 Prozent mehr zahlen. Die Preise fürs heimische Abwasser stiegen um 3,3 Prozent pro Jahr, in Deutschland nur um 1,2 Prozent. Und was hat das alles damit zu tun, dass Österreich im Vergleich mit dem Lieblingsnachbarn, aber auch mit vielen anderen Ländern an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat? Praktisch alles, denn die Teuerungsrate hat einen teuflischen Dominoeffekt ausgelöst.

Kriechspur

Aktuell ist die Inflation in Österreich mit 1,0 Prozent zwar überschaubar. Trotzdem war und ist sie deutlich höher als im Durchschnitt der Eurozone. Zu verdanken ist dies den genannten Preisen, für die die öffentliche Hand verantwortlich ist, aber auch dem mangelnden Wettbewerb. In Folge fielen auch die Lohnabschlüsse kräftiger aus. Die Arbeitnehmer hatten zwar wenig davon, weil abzüglich der Inflation (und der Steuerprogression) die Nettolöhne nicht stiegen. Und das mittlerweile bereits sechs Jahre lang. Die Unternehmen verloren trotzdem an Wettbewerbsfähigkeit und damit Marktanteile auf den Exportmärkten. Dieser Teufelskreis ist mit ein Grund, warum die heimische Wirtschaft nur auf der Kriechspur unterwegs ist. Heuer wird es das vierte Jahr in Folge ein Wirtschaftswachstum von weniger als einem Prozent geben. Mit der Konsequenz, dass die Arbeitslosigkeit ein immer größeres Problem wird.

"Die Inflation braucht mehr Beachtung", appelliert Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), an die Regierung. Er betrachtet die Teuerungsrate als "echtes Problem".

Zu diesem Problem gesellen sich aber auch andere. Für ein Land, das im internationalen Vergleich ein sehr hohes Pro-Kopf-Einkommen aufweist, investiere Österreich viel zu wenig in Bildung und Forschung. Aiginger: "Ein Land, das an der Spitze der Einkommen ist, muss auch bei manchen Technologien Vorreiter sein."

"Österreichs Wirtschaft steht im Rangierbahnhof und wartet", lautet die Analyse von Helmut Hofer, Experte des Instituts für Höhere Studien (IHS). Aufgabe der Politik sei es, die Weichen so zu stellen, dass die Wirtschaft in Fahrt komme. Er fordert Maßnahmen, um die Produktivität zu steigern – etwa durch das Absenken der Lohnnebenkosten.

Bei einem sind sich die Forscher einig: Für die Stimmung bei Konsumenten und Unternehmern sei es wichtig, dass die Steuerreform nicht als einmaliger, sondern als erster Schritt gesehen wird, dem weitere folgen. Dann werden Konsum und Investitionen steigen.

Heuer wird die heimische Wirtschaft nur um bescheidene 0,5 oder 0,7 Prozent wachsen und erst 2016 in Schwung kommen, glauben die Experten von Wifo und IHS. 2016 sehen sie 1,3 bzw. 1,8 Prozent realen BIP-Anstieg - befürchten aber noch mehr Arbeitslose. Positive Konjunktureffekte aus der Steuerreform erwartet man kaum vor 2017, dafür heuer doch noch einmal ein Stocken der Investitionen.

Das vierte Jahr in Folge bleibt die wirtschaftliche Dynamik in Österreich äußerst schwach, deshalb ließ das Wirtschaftsforschungsinstitut am Donnerstag seine neue vierteljährliche Wachstumsprognose für heuer bei 0,5 Prozent, das Institut für Höhere Studien senkte sie leicht von 0,8 auf 0,7 Prozent. Damit expandiert die heimische Wirtschaft das zweite Jahr in Folge geringer als jene im Euroraum. Aber im zweiten Halbjahr sollte sich das Tempo der Erholung beschleunigen.

Erst für 2016 wird eine Beschleunigung des Wachstums gesehen - durch das Anziehen des Binnenhandels in der EU. Zusätzlich werde die markante Euro-Abwertung die Exporte stützen, meint das Wifo. Die Steuerreform begünstige zwar ab 2016 die private Nachfrage, dämpfe aber zugleich den öffentlichen Konsum. Daher würden zusätzliche Reformeffekte erst ab 2017 wirksam, so das Wifo. Das IHS rechnet schon für 2016 mit einer Stütze des Privatkonsums durch die Steuerreform, das Wifo geht eher davon aus, dass Benefits daraus in eine höhere Sparquote fließen und zunächst einmal die Gegenfinanzierung den öffentlichen Konsum dämpft.

Arbeitslosigkeit 9 Prozent plus

Wermutstropfen ist der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit - wie ihn die Experten in der Form bisher nicht für möglich gehalten haben. Laut Wifo dürfte die Arbeitslosenrate nach nationaler Definition - nach 8,4 Prozent voriges Jahr - auf heuer 9,3 (IHS: 9,1) Prozent) und 2016 dann weiter auf 9,6 (IHS erneut 9,1) Prozent klettern. "Für eine Stabilisierung der Arbeitslosenquote ist das Wachstum bis 2016 zu gering", heißt es. Laut IHS ist die Zunahme der Beschäftigung zwar mit 0,8 Prozent relativ kräftig, "aber nicht ausreichend, um das schneller steigende Arbeitskräfteangebot zu absorbieren. 2012 lag die Arbeitslosenrate noch bei 7,0 Prozent, 2011 sogar nur bei 6,7 Prozent.

Von der aktuellen Konsumstärke beim Haupthandelspartner Deutschland kann die heimische Exportindustrie nicht profitieren - Voraussetzung wäre dort eine Beschleunigung der Industriekonjunktur. Weil sich zudem Schwellenländer und Weltwirtschaft schwächer als zuletzt zeigen, hat das IHS die Exporterwartungen für 2015 leicht gesenkt, das Wifo aber erhöht.

Für heuer und 2016 geht das Wifo von 3,0 bzw. 4,0 Prozent Anstieg der realen Warenexporte aus, das IHS rechnet mit 3,0 und 5,5 Prozent, wobei beide Institute für 2016 ebenso optimistisch sind wie im März. Die Exporteure seien von der Krise hart getroffen worden und hätten Marktanteilsverluste hinnehmen müssen, so das IHS; zudem sei Österreich preislich nicht wettbewerbsfähig genug.

Inflation

Das geringe Unternehmervertrauen und die Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung drücken weiterhin auf die Investitionstätigkeit - beide Institute haben hier für heuer ihre Erwartungen gesenkt, das IHS auch für 2016. Das IHS rechnet im Jahresschnitt heuer mit einer Stagnation (-0,1 Prozent) der Anlageinvestitionen. Bei den Ausrüstungsinvestitionen glaubt man an ein schwaches Wachstum von 0,3 Prozent, am Bau aber an ein Anhalten der negativen Dynamik (-0,5 Prozent). 2016 sollte dann die Investitionsnachfrage - durch eine bessere Konjunktur im Euroraum - wieder etwas anziehen (+2,0 Prozent), so das IHS. Das Wifo hat seine Erwartungen für die Bruttoanlage- und die Ausrüstungsinvestitionen für heuer auf je 0,5 Prozent Plus reduziert, lässt die Vorhersagen für 2016 hier aber bei 1,5 und 2,5 Prozent Zuwachs.

Die Inflation wird aus Sicht des IHS ab Jahresende mit dem Wegfall des Basiseffekts bei den Energiepreisen (Rohöl) wieder merklich anziehen. Zudem dürften von der Steuerreform gewisse preistreibende Impulse ausgehen (Mehrwertsteuererhöhung), die auf knapp 0,2 Prozentpunkte zu schätzen seien; 2016 sieht man daher 2,0 Prozent Inflation, das Wifo einen Anstieg auf 1,7 Prozent.

Stopp dem Inflations-Domino
Prognose 2015 und 2016 - BIP-Wachstum, Inflation, Privatkonsum und Arbeitslose - Säulengrafik Grafik 0713-15-Konjunktur.ai, Format 88 x 98 mm

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