Franken-Kredite: Banken droht Klagswelle

Franken-Kreditnehmer bezahlen zu viel Zinsen
Anlegeranwalt ortet Falschberatung im Zusammenhang mit der Stop-Loss-Klausel.

Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1,20 Franken durch die Schweizer Nationalbank (SNB) stecken rund 150.000 Österreicher in einer finanziellen Bredouille. Über Nacht hat sich das Kreditvolumen, das die Häuselbauer und Wohnungskäufer in Schweizer Franken aufgenommen haben, um 20 Prozent erhöht. Einige Banken bieten ihren Kunden nun günstige Konditionen an, ihre Franken-Darlehen zu einem niedrigen Zinssatz in Euro zu konvertieren. Damit realisieren die Kunden aber die Währungsverluste. Detail am Rande: Derzeit sind Franken-Kredite mit einem Volumen in Höhe von rund 29 Milliarden Euro offen.

Viele betroffenen Franken-Kreditnehmer hatten aber eine sogenannte Stop-Loss-Order in ihren Kreditverträgen; das heißt eine Vereinbarung mit der Bank, dass diese zu einem bestimmten Kurs den Franken automatisch in Euro konvertiert. In der Regel lag diese Latte bei 1,19 oder 1,185 Franken. Doch diese vermeintliche Absicherung, die den Kunden von den Banken andient wurde, ging ins Leere, weil der Frankenkurs tatsächlich viel tiefer in den Keller gerasselt war. Der Euro-Kurs lag zweitweise bei 0,85 Franken. Heute liegt der Kurs zum Euro bei 1,02 Franken.

Falsche Sicherheit?

Haben die Banken tatsächlich zu diesem Tiefst-Kurs den Franken-Kredit des Kunden in Euro gewechselt, so muss dieser im schlimmsten Fall eine Verdoppelung seiner Schulden hinnehmen. Denn: Viele Kreditnehmer sind bei 1,4 bzw. 1,5 Franken je Euro eingestiegen. Am schlimmsten trifft es jene Kunden, die im Jahr 2008 bei einem Kurs von 1,65 Franken je Euro eingestiegen sind.

Nun wird Kunden, die in die Stop-Loss-Falle tappten, eine „Kulanzlösung“ von Banken vorgeschlagen. „Kreditnehmern, die sich von der Bank schlecht beraten fühlen und sich beschweren, wird jetzt angeboten, dass die Konvertierung in den Euro rückgängig gemacht wird, und sie spesenfrei wieder zum Kurs in Franken wechseln können, bei dem sie ausgestiegen sind“, sagt Anlegeranwalt Wolfgang Haslinger zum KURIER. „Damit gehen die Kunden wieder das volle Risiko ein, und es wird ihnen suggeriert, es hätte sich nichts geändert.“ Vor allem Kunden, deren Frankenkredite noch 20 Jahre laufen, werde mitgeteilt, dass sich der Kurs in Zukunft ja wieder ändern könne. Das Fazit: Sie sollen sich keine Sorgen machen.

Falsche Beratung?

„Wenn der Kunde tatsächlich wieder in den Franken einsteigt, wird ihm kein Gericht der Welt glauben, dass er eigentlich kein Risiko eingehen wollte“, sagt Haslinger, der mehrere Dutzend Kreditnehmer vertritt. „Es könnte auch den Anschein haben, dass der Kunde den Kursverlust akzeptiert und damit allfällige Schadenersatzansprüche gegen die Bank verliert.“ Nachsatz: „Viele Banken dürften die Kunden im Zusammenhang mit der Stop-Loss-Klausel nicht richtig aufgeklärt haben.“ In dieser Situation sei es nicht klug, ausschließlich mit dem Bankberater zu reden. Anwalt Haslinger meint, dass die Kunden vor einem Gespräch mit der Bank unbedingt eine zweite Meinung von Experten einholen sollen.

Klagen in Pipeline

"Meine Mandanten wurden aufgrund auf die Stop-Loss-Klausel in Sicherheit gewiegt, und gerade daduruch in die Irre geführt", sagt Anwalt Haslinger. "Ich verlange für meine Klienten von den Banken, dass diese sie finanziell so stellen, wie vor dem Fall der Euro-Franken-Bindung am 15. Jänner." Nachsatz: "Denn hätten sie gewusst, dass der Stop-Loss nicht funktioniert, wären die Kreditnehmer nicht bereit gewesen, das Kursrisiko weiter zu tragen." Sie wären bei einem Kurs von 1,22 bzw. 1,23 ausgestiegen. Sollte es zu keinen außergerichtlichen Einigungen kommen, will Haslinger für seine Klienten den Klagsweg beschreiten.

Rat einholen

In Österreich gibt es eine Reihe von Anlegeranwälten, dazu zählt auch Wolfgang Haslinger, die sich seit Jahren mit Anlegerfällen wie AvW, Meinl European Land (MEL), Constantia Privatbank/Immofinanz und den Madoff Funds Primeo und Herald sowie den verlustreichen geschlossenen Immobilien- und Schiffsfonds beschäftigen. In Sachen Franken-Kredite können aber nicht nur bei Rechtsanwälten, sondern auch bei der Arbeiterkammer und dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) Informationen eingeholt werden. Unter anderem hat der VKI auf eine rechtliche Einschätzung der Franken-Problematik verfasst.

Die Beendigung der Franken-Kursbindung mit dem Euro durch die Schweizer Nationalbank (SNB) am 15. Jänner hat auch für Investoren und Anleger zu bösen Überraschungen geführt, die mit dem Franken spekulierten. So haben Anleger ihre Depots mit Schweizer Franken gehebelt und mussten dafür aber eine Sicherheitsleistung (Margin) hinterlegen. Diese Margin diente dazu, einen allfälligen negativen Depotwert auszugleichen. Mit dieser Sicherheitsleistung sollte eigentlich der Verlust aus der Währungsspekulation begrenzt sein.

Doch die Franken-Crash hat bei vielen Broker-Firmen katastrophal durchgeschlagen. Dazu zählen laut dem deutschen Anwalt Walter Späth die US-Broker FXCM und Alpari der Schweizer Broker Swissquote und der britische Broker IG Markets. Alpari soll laut Medienberichten sogar Insolvenz angemeldet haben.

Begrenzte Spekulation

Doch der SuperGAU für die privaten Spekulanten ist, dass diese Broker nun von ihnen aufgrund des Franken-Desasters nicht nur die finanzielle Sicherheitsleistung einbehalten, sondern auch Nachzahlungen in bis zu zehnfacher Höhe der Sicherheitsleistung fordern, obwohl eine sogenannte Nachschusspflicht in der Regel in diesen Verträgen nicht besteht.

„Ich habe mehrere Klienten, von denen nun 20.000, 30.000 und sogar 100.000 Euro nachgefordert werden“, bestätigt der Wiener Anwalt Ingo Kapsch dem KURIER. „Die betroffenen Anleger sollen auf keinem Fall zahlen. Die Sache schaut für sie nämlich rechtlich überhaupt nicht schlecht aus.“

300.000 Euro gefordert

„Vielen Kunden flattern in diesen Tagen Aufforderungen der Broker zum Leisten von Nachschüssen ins Haus mit der Aufforderung, ihrer Nachschussverpflichtung zum Kontoausgleich nachzukommen, und zwar sehr kurzfristig innerhalb der nächsten Tage“, heißt es auf der Homepage des deutschen Rechtsanwalts Walter Späth. „Ein Mandant von uns, der zum Beispiel 3000 Euro in Hebelprodukte in Schweizer Franken investiert hatte, soll nun fast 300.000 Euro an Nachschüssen bezahlen – und das dürfte erst die Spitze des Eisbergs sein.“ In den Depots von reinen Privatkunden mit mehreren Hunderttausend Euro Anlagesumme, so Späth, betragen die Nachschusspflichten teilweise mehrere Millionen Euro. Sollten einige Anleger diese Nachschusspflichten tatsächlich leisten müssen, dürften etliche ruiniert sein.

Gute Chancen

„Betroffene haben aber nach einem ersten Überblick rechtlich gute Chancen, genau diese Nachschusspflicht zu verweigern", meint der deutsche Rechtsanwalt. "Denn uns ist bekannt, dass die Bestimmung der Höhe der Nachschusspflichten in bestimmten Fällen sehr intransparent erfolgt ist, teilweise sind in den Brokerverträgen überhaupt keine rechtlichen Verpflichtungen zur Leistung von Nachschüssen enthalten." Nachsatz: "Teilweise haben wir auch erhebliche rechtliche Zweifel, ob die festgelegten Verpflichtungen zur Leistung von Nachschüssen überhaupt ausreichend sind."

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