"Stiftungen sind Schlupflöcher"

"Stiftungen sind Schlupflöcher"
Schweizer Experte von "Tax Justice Network" fordert völlige Transparenz bei Stiftungen durch ein für alle einsehbares Register.

KURIER: Ist das Bankgeheimnis wirklich so schädlich für die Steuerehrlichkeit?

Bruno Gurtner: Ja. Es ist national wie international schädlich, weil es eines von vielen Schlupflöchern für Steuersünder ist und zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Und es hat auch eine wichtige moralische Komponente. Dazu kommt, dass das Bankgeheimnis zwar den Kapitaleinkommen nützt, nicht aber den Lohneinkommen, die ja ohnehin der Finanz bekannt sind. Das ist eine Ungleichbehandlung zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen, die dazu führt, dass Lohneinkünfte stärker besteuert werden als Kapitaleinkünfte.

Die meisten großen Steueroasen der Welt haben aber gar kein Bankgeheimnis ...

Nur die Abschaffung des Bankgeheimnisses legt noch kein Steuerparadies trocken. Es ist eine von vielen Maßnahmen. Eine weitere ist das Aufdecken wirtschaftlich verdächtiger Stiftungen und Trusts (engl. Stiftungsform).

In Österreich gibt es rund 3400 Stiftungen, viele davon von Ausländern gegründet. Braucht es da mehr Transparenz?

Ja, das denke ich. Diesbezüglich ist Österreich noch genauso verschwiegen wie die Schweiz. Aber Stiftungen sind Schlupflöcher für Steuerhinterziehung. Mehr Transparenz heißt auch, dass die ganzen Firmengeflechte aus Banken, Treuhändern, Anwälten, Kontrollfirmen, Scheingesellschaften mit Strohmännern etc. aufgedeckt werden.

Wie soll das gehen?

Wir fordern, dass die wirtschaftlich Begünstigten einer Stiftung offengelegt werden. Und zwar in einem offiziellen, öffentlich zugänglichen Register. Darin soll stehen, welche Person die Stiftung geründet hat, wer sie verwaltet, wem das Vermögen zugute kommt. Das ist leicht über ein Handelsregister bzw. Firmenbuch möglich. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre der grenzüberschreitende Austausch von Unternehmensdaten, also wirtschaftliche und finanzielle Eckdaten wie Geschäftszweig, Beschäftigte, Investitionen, Käufe und Verkäufe und geleistete Steuerzahlungen.

Also quasi ein gläsernes Firmenbuch samt Steuerdaten, wo jeder reinschauen kann ...

Ja, genau.

Sollen Stiftungen dann nicht gleich abgeschafft werden?

Nein, die haben auch nützliche Funktionen, etwa etwas Gutes zu tun oder das Erbe zu sichern. Aber die Transparenz muss da sein. Stiftungen dürfen nicht dazu da sein, Steuern zu vermeiden.

Was bringt eigentlich der automatische Informationsaustausch außer einer riesigen Datenmenge?

Es ist ein erster, wichtiger Schritt, aber keine umfassende Lösung. Wenn Drittstaaten wie die Schweiz nicht dabei sind, ist es eher eine Null-Lösung. Es betrifft auch nur natürliche Personen, wir plädieren klar für eine Ausweitung auf Firmenkonstrukte, was ja ohnehin gerade diskutiert wird.

Wird das Bankgeheimnis in Österreich früher oder später auch für Inländer fallen?

Das ist mehr eine politische Entscheidung als eine rechtliche. In der Schweiz forderten die Steuerbehörden der Kantone rasch auch eine Gleichbehandlung von In- und Ausländern beim Datenaustausch. Das Thema ist aber auch in der Schweiz umstritten.

Es wird immer behauptet, dass hohe Steuern und Abgaben die Steuerflucht fördern. Stimmt das?

Das kann ich nicht bestätigen. Die nordische Staaten etwa haben eine hohe Abgabenquote aber wenig Steuerflüchtlinge. Fliehen können nur jene, die beweglich sind, und das ist in erster Linie das Finanzvermögen. Für die große Mehrheit der Bevölkerung ist eine Wohnsitz-Verlegung sowieso kein Thema.

„Netzwerk Steuergerechtigkeit“) ist eine Nicht-Regierungsorganisation, die sich dem Kampf gegen Steuerflucht und Geheimhaltung in der Finanzwelt verschrieben hat. Wirtschafts- und Finanz-Experten erstellen Studien und Expertisen zum Thema Steueroasen, die weltweit Beachtung finden. Der Schweizer Bruno Gurtner war einer der Mitgründer des TJN und bis März dessen Vorsitzender. Gurtner war bis 2008 bei der Entwicklungshilfeorganisation AllianceSüd.

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